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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0046

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34 Albrecht Haupt - Hannover.

Strebepfeilerchen an der doch jüngeren Hagia Sophia halbwegs ähnlich auftreten, möchte
ebensogut den Schluß zulassen, daß die Form in Konstantinopel eine Nachahmung der
ravennatischen sei. — Es empfiehlt sich bei Gegenüberstellung zufälliger Ähnlichkeiten
überhaupt große Vorsicht; denn man kann gewiß auf recht verschiedenen Wegen zu
gleichen Ergebnissen gelangen, auch in der Kunst. Gleiche Formen bedingen keineswegs

der Regel nach dieselben Quellen, und Horn
ist von jeher auf sehr vielen Pfaden zu er-
reichen gewesen.

Dennoch liegt es mir ferne, ganz zu
bestreiten, daß beim ravennatischen Monu-
ment wie bei ähnlichen Werken mit allerlei
anderen auch syrische Beziehungen zusam-
mengetroffen sein können. Man denke nur
daran, daß nicht ein Arbeiter allein, son-
Abbildung 13. Türprofil: a. Durm, b. Haupt. dern recht verschiedene und solche aus vie-
lerlei Weltgegenden daran tätig gewesen
sein werden, und daß man nicht nur einen einzigen Sachverständigen herangezogen
haben wird. Das Syrertum sandte seine Strahlen weit gen Westen; so mag manches
in Form und Gedanken von dorther auch nach Ravenna gelangt sein. Jedoch nicht
minder aus dem viel näher gelegenen Italien, und aus dem Bereiche der römischen
Kunst. — Denn diese gerade erfreute sich ganz beson-
derer Schätzung seitens des großen Theoderich, wie
historisch feststeht.

Aber über dem allen steht noch eine unbestreit-
bare Tatsache, die wir Deutsche uns keineswegs neh-
men lassen wollen und dürfen.

Das Mausoleum des großen Gotenkönigs ist das
älteste und erste monumentale Steinwerk des Germanen-
tums überhaupt, erbaut auf Befehl und nach Wunsch
eines Germanenkönigs, und zwar des gewaltigsten, der
bis zu Karl dem Großen gelebt hat, zu einer Zeit, da er
und seine Goten nicht nur in italischem Lande herrsch-
ten, sondern da er mit seinem Volke trotz Byzanz als
die mächtigsten politischen Gewalthaber im ganzen
Abendlande erschienen.

Und von alledem soll in seinem eigenen Grab-
mal, das er nach Agnellus und anderen sich noch zu
Lebzeiten errichtete, gar nichts zu spüren sein? Es Abbildung 14

möchte das als glaublicher gelten, wenn die Germanen, a Äuß> Hauptgesims, b. ihn. Gesims,
besonders aber ihr begabtester und edelster Stamm, die

Goten, noch jeder Kunstübung bar gewesen wären und nun ganz von vorn hätten
anfangen müssen. Dem war aber lange nicht so. Wie weiter unten belegt werden soll,
war nur der Steinbau etwas Neues für die nordischen «Barbaren», und an ihn gingen
sie nur langsam und vorsichtig heran, offenbar überwältigt vom Eindrucke der unver-
gleichlich großartigen Steinarchitektur des Südens.
 
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