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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0050

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richtet waren, — gleiches gilt nach dem Salischen Gesetz für die Franken. Die Ostgoten
hatten nach Jornandes selbst moenia lignea1 zum Schutze ihrer Höfe, — kurz es ist,
ohne daß hiermit auch nur entfernt die Menge der Nachrichten erschöpft sein soll, als
feststehend anzusehen, daß die germanische Holzbaukunst eine völlig ausgebildete auch
formal reichhaltige gewesen ist, die sich in durchaus gleicher Art bis ins 17. Jahrhun-
dert fortpflanzte.

Es ist trotzdem völlig verständlich, wenn die Germanen aus nordischen und
östlichen Gauen und ursprünglichster Einfachheit der Anschauung in das glänzende
Theater des Ost- und Weströmerturns tretend fürs erste gänzlich geblendet waren von
der überwältigenden Fülle des Geschauten, vor allem der steinernen Bauwerke. Geht es
uns nordischen «Barbaren» ja heute noch so vor den halbverschwundenen Trümmern
und Ruinen jener Herrlichkeit. — Und so erscheint die hohe Bewunderung und
Schonung, die Theoderich der Große jener Kunstwelt angedeihen ließ, wohl aus der
Sache selber erklärlich. Es ist längst anerkannt, daß weder Goten noch Vandalen die
Zertrümmerer und Vernichter der überkommenen Prachtbauwerke der Antike gewesen
sind, sondern daß ihr Untergang den entarteten Sprößlingen der Erbauer selber zuzu-
schreiben ist.

Jene Pietät hinderte es aber keineswegs, daß die Germanen noch lange Zeit
die Gebäude, die sie für ihre eigenen Bedürfnisse errichteten — selbst gelegentlich
Kirchen —, aus Holz in alter Art herstellten. Das ist geschichtlich nachgewiesen; und
damit ein Nebenherbestehen der altgewohnten Bauweise neben der südlichen, deren
man sich freilich für große und monumentale Bauwerke bediente. Zu diesem Zwecke
konnte man der in der neuen Heimat wirkenden Bauleute zunächst nicht eutraten,
somit müssen wir für den Anfang noch die Mitwirkung italischer und griechischer,
sicher auch syrischer Architekten voraussetzen. Das gilt unzweifelhaft vor allem von
den Bauten, die in reiner Nachahmung der in Italien üblichen neu errichtet wurden,
so den zahlreichen christlichen Basiliken, die Theoderich vor allem in Ravenna errichtete.

Wenn wir aber dem künstlerischen Prozesse, der nun in den nächsten Jahr-
hunderten in den germanisch gewordenen Ländern des Südens vorging, mit Verständnis
folgen, so sehen wir mit erstaunlicher Konsequenz die hellenistisch-syrische Baukunst,
die damals dort noch herrschte, sich langsam immer mehr und mehr mit germani-
schen Elementen durchtränken und durchdringen, bis auch im Steinbau gegen das Ende
des 7. Jahrhunderts, besonders in Spanien bei den letzten Westgoten am deutlichsten
erkennbar, die Steinarchitektur mit dem nordischen Holzbaustil sich zu einem völlig
Neuen verschmolzen hat. Und dies Neue ist dann die Quelle des nun folgenden «ro-
manischen» (obwohl seinem Wesen nach stark germanischen) «Stiles», der in weiteren
drei Jahrhunderten im Norden sich zu völliger Reife entwickelt.

Es ist von außerordentlichstem Interesse, zu verfolgen, wie das allmähliche
Eindringen nordischer Formen in den südlichen Steinbau vor sich geht. Schon bei
den allerältesten Werken ist es deutlich zu erkennen. Am einfachsten dadurch zu er-
läutern, daß die Ost- und Westgoten ihre eigenen Baumeister — natürlich zuerst Zim-
mermeister — mit den Aufgaben betrauten, die ihnen ganz neu erwuchsen.

1 Ganz neue Ausgrabungen haben für die ältesten Burgbauten in Deutschland bestätigt, daß ihre
Befestigung nicht aus Erdwällen, sondern aus je zwei starken hohen Holzvvänden bestand, deren Zwischen-
raum mit Erde ausgestampft wurde.
 
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