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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0055

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Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst. 43

von Wert, eine bewußte Fortbildung und Bereicherung der übernommenen Form. Ich
kann in solchem Verfahren keineswegs eine Erstarrung oder gar Korrumpierung finden.
Ist denn jede künstlerische Form nur in der ersten Ausgabe zulässig? — und jede
Weiter- oder Umbildung verboten? Es ist gar so üblich, in solchen Fällen von Unver-
standenem zu sprechen. Im Gegensatze dazu, scheint mir, dürfte gerade der Stillstand,
das ewige Gleichbilden der einmal «verstandenen» Form, das heißt ihre einfache Wieder-
holung, als verderblich weil tötend zu bezeichnen sein.

Gerade deshalb möchte ich bei dieser Gelegenheit gegen solche Schulausdrücke
überhaupt Einspruch erheben, nicht gegen jenen allein.' Die Aufgabe unserer Kritik
soll, glaube ich, vielmehr die sein, die Umwandlungsprozesse in der Kunst nicht als
schlecht oder so ähnlich zu zensieren, — sondern im Gegenteil sie ebenso verstehen
und als Leben und Entwicklung betrachten zu lehren, wie man früher zum Ver-
ständnis der klassischen Originalformen »u führen suchte. Und doch sind auch diese
nur eine vorübergehende Erscheinung in des Lebens ewig wechselndem Kaleidoskop
gewesen. Nichts ist dauernd, als nur der Wandel!

Was ferner den mit unserm Zangenornament nach unten verbundenen, laufenden
Hund oder Mäander anlangt, so sehen wir hier freilich ein Zierglied, welches ganz ähn-
lich unter obigem Namen in der klassischen Antike erscheint. Aber nicht minder ver-
breitet ist es im hohen Norden und bei unendlich vielerlei ger-
manischen verzierten Gegenständen, so keramischen. Woher es ^liiSgi§j
die Nordländer haben, weiß man freilich nicht; manche glauben, <fe^===v ^^sigf
es sei wirklich aus der antiken Kunst entlehnt. Seine Entstehung

ist jedoch auch im Norden recht gut möglich, und Salin weist ^t^^^^~=^=^^^g
auf eine Form hin, die er degeneriert nennt, die aber ebensogut §p|jjf Y Y YlS^PPi
auch der Ursprung der nordischen Form sein könnte (Abb. 23). — -^ffiSi^ JätHBliii
Jedenfalls ist ganz die gleiche Zierform, wie sie hier bei Theode- Abbildung 23. Von einem
richs Grabe auftritt, schon seit der Bronzezeit in Germanien üblich Tongefäf3 aus Gotland.
und weit verbreitet. Und wenn ihr Ursprung wirklich von solcher

Wichtigkeit sein soll, so ist immer wieder zu betonen, daß ganz verschiedene Völker
auf völlig verschiedenen Wegen zu gleichen Formen gelangen können. — Mäander
und laufender Hund scheint aber auf der ganzen Erde verbreitet zu sein. Die Chinesen
wie die Azteken, Peruaner wie Malayen kennen ihn von jeher.

Auch das Flechtwerk als Schmuck tritt überall auf, schon bei den einfachsten
Naturvölkern, was leicht zu verstehen ist.

Trotzdem scheint es mir, als ob die Germanen diese den Römern ja auch nicht
unbekannte Form in ganz neuer und umfassender Weise in Aufnahme gebracht und
so Anlaß dazu gegeben hätten, daß die Byzantiner und die Italiener des frühen
Mittelalters sich seiner in verstärktem Maße bedienten. Übrigens ist z. B. das lango-
bardische und das gleichzeitige byzantinische Flechtwerk recht wohl voneinander zu
unterscheiden. —

Doch dies nur nebenbei.

Kurz, wir sehen am Theoderich-Grabe, dem ältesten uns bekannten Steinbau-
werke der Germanen, obwohl es als Rundbau unzweifelhaft an eine nicht nur in
Italien weit verbreitete Form "der Mausoleen sich anlehnt, doch bei näherer Betrachtung
schon im Aufbau eine anerkennenswerte Selbständigkeit. Sein näheres Vorbild läßt

G*
 
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