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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0056

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Albrecht Haupt-Hannover.

sich bisher nirgends nachweisen, und so bleibt es in seiner Art ein bemerkenswertes
Individuum.

Im einzelnen aber geht es völlig eigene Wege, und wenn wir da und dort
einen Anklang an östlichere oder südlichere Art finden, so bleibt in der Hauptsache
immer noch, sowohl in der Konstruktion wie in der Durchbildung des Details, eine be-
deutsame Eigenart unverkennbar.

Gerade diese Eigenart aber ist, wie oben dargelegt, germanischen Ursprunges.
Es ist das starke Streben des Germanentums, sich unter fremden Verhältnissen neuen
Anforderungen gegenüber dennoch selber auszusprechen, soweit die Mittel, die noch
unzulänglichen, es bereits gestatten.

Darum überall neue Versuche, neuartige Übertragungen unter ßückgreifen auf
das gewohnte Germanische.

Und darum hier zuletzt und als das Bezeichnendste auch das Größte:
«Ersuchte sich einen ungeheuren Eelsen, den er über sein Grab decken wollte».

Diesen ungeheuren Felsen wird keine Kritik und keine noch so subtile Ver-
gleichung anders deuten können, — und kein Germane wird ihn sich anders deuten
lassen wollen.

Wer Ravenna verläßt, blickt wohl noch lange zur Eechten hinaus in die weit
sich dehnende Campagna. Da erhebt sich über die Umgebung in silberner Perlen-
farbe die wunderbar gerundete Flachkuppel des Denkmals des großen Gotenkönigs;
weithin herrschend, scheinbar von mächtigster Größe. Denken wir uns aber um mehr
denn ein Jahrtausend zurück, — da war das Meer noch in unmittelbarer Nähe, und
gewaltig wölbte sich der deckende Stein über den Strand und die Fluten, die bei
schwerem Wetter wohl bis ganz in seine Nähe rollten.

So war der mächtige Felsen mit Boden, Campagna und Meer wie zu einem
ungeheuer scheinenden Naturdenkmal zusammengewachsen, kaum mehr ein Werk der
Kunst, — schon ganz ein solches reiner Naturempfindung.

Und er ist es heute noch. Wie er ein Markstein der ältesten Geschichte der
Germanen ward, so ist er noch immer ragendes Wahrzeichen in jenen Landen, — wie
fern im Norden manch riesiger Fels, der das Grab eines Fürsten der Urzeit deckt.

Abbildung 24. La pierre des fees in der Schweiz.
 
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