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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Strzygowski, Josef: Amra als Bauwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0073

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Amra als Bauwerk. 61

Holzdächer. Amra überbietet beide, indem es sich zwar auf eine Bogenspannung
beschränkt, dafür aber Gewölbe auflegt. Dabei bleibt die Konstruktion der Tonnen-
gewölbe durchaus im Rahmen des Syrischen: sie sind aus Stein aufgeführt1, während
die persischen Tonnen der benachbarten Schlösser Mschatta und Tuba in Ziegeln ge-
mauert wurden.

Will man Amra-ähnliche gewölbte Basiliken oder Hallenkirchen nachweisen, so
muß man nach Kleinasien und Gallien gehen. In Binbirkilisse2 ist die tonnengewölbte
Hallenkirche der herrschende Typus. In der großen Mannigfaltigkeit von Versuchen,
die Tonnengewölbe geschickt anzuordnen, findet sich auch die Art von Amra, freilich
immer unter Anwendung mehrerer Pfeilerarkaden als Träger. Über die bekannten süd-
gallischen Parallelen will ich hier kein Wort verlieren.3 Amra ist älter als die erhaltenen
europäischen Beispiele. Bezüglich Kleinasiens halte ich meine Meinung nach wie vor
aufrecht — man hat neuerdings gefunden, es sei überall stark mit armenischen Restau-
rationen zu rechnen4 —, daß der Typus der gewölbten Hallenkirche bezw. Basilika da-
selbst altchristlichen Ursprunges ist.5 Ob die Nötigung zu Steindächern wegen Holz-
mangels in Kleinasien und dem Kreise von Amra und zwar an beiden Stellen unabhängig
zu verwandten Wölbungsarten geführt hat oder zwischen beiden ein drittes, das alte
Stammland der Tonnenwölbung, Mesopotamien, vermittelt, läßt sich heute noch nicht
durchschauen. Immerhin ist es sehr auffallend, daß unmittelbar neben den syrischen
Steingewölben von Amra in Mschatta und Tuba die persischen Ziegelgewölbe auftreten.

Ich wende mich nun wieder zurück zum Grundriß (Abbildung 1). An den
dreischiffigen Saal stoßen drei kleine Kammern. Was den Architekten wie den Kunst-
historiker an ihuen gleicherweise interessiert, ist, daß hier alle drei Hauptwölbungsarten:
Tonne, Kreuzgewölbe und Kuppel nebeneinander vorkommen. Ich beschreibe ganz kurz.
Die erste, rechteckige, durch eine Tür mit dem Hauptsaal verbundene Kammer
(2,25X2,83 m) zeigt eine Tonne über der Breite, das folgende Gemach (2,83X2,83 m)
ein Kreuzgewölbe mit angeschobener rechteckiger Nische, die ein Tonnengewölbe hat.
Es folgt das dritte Gemach (2,85 X 2,85 m), das über dem Quadrat eine Kuppel und
im Norden und Süden tonnengewölbte Apsiden hat. Dann ein gewölbter Gang und
ein jetzt offener Hof.

Das Kreuzgewölbe ist eine Seltenheit in Syrien. Im Norden des Landes kann
es Butler überhaupt nicht nachweisen.6 In den erhaltenen Denkmälern der römischen
und christlichen Zeit kommt es meines Wissens nicht vor, ein Beweis, daß die Römer,
für die das Kreuzgewölbe bezeichnend ist, nicht entscheidend auf den Osten zurück-
gewirkt haben. Der Islam wendet es in verschiedenen Variationen an.7 Es wäre an
der Zeit, daß ein Architekt sich monographisch mit dem Ursprünge dieses für die mittel-
alterliche Kunst wichtigsten Baumotives beschäftigte.

Könnte man beim Kreuzgewölbe auf den Gedanken kommen, es in Amra mit
einem römischen Bauwerke zu tun zu haben, so ist das ganz ausgeschlossen angesichts

1 Es ist sehr schwer, nach dem Amra-Werk zu arbeiten. Es fehlt an jeder systematischen Mit-
teilung der Tatsachen. Auch ein Register hilft nicht nach. — 2 Strzygowski, Kleinasien ein Neuland, Leipzig
1903; Holtzmann, Binbirkilisse, Hamburg 1904. — 3 Vergl. Dehio und Bezold, Die kirchliche Baukunst des
Abendlandes. — 4 Das gilt nicht für den centralen Westen und Binbirkilisse.

5 Ramsay hat bei den in diesem Jahre (1907) im Verein mit Miß Bell in Binbirkilisse gemachten
Aufnahmen Inschriften aus frühchristlicher Zeit an den Bauten gefunden.

6 a. a. 0., p. 26. — 7 Vergl. Franz-Pascha, Die Baukunst des Islam, 2. A., S. 48 f.
 
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