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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0100

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88 Chronik.

paar Orangen. So kampierten wir dort 10 Tage
in der großen Oberstube eines Bauernhauses,
über der deckenlos der offene, weite Dachstuhl
aufstieg. Die Sterne blinkten durch die Ziegel,
und der Wind blies durch die Fugen. Er aber
saß auf bis spät hinein in die Nacht bei einem
Kerzenstumpf in einer leeren Flasche als Leuchter,
den Pausanias vor sich, immer wieder und wieder
versuchend aus seinem Texte und den untertags
neu gefundenen Marmorstücken die einstige An-
ordnung des amykläischen Thrones herauszufinden.
So saß er in dem kalten Raum an dem kleinen
Tischchen, Abend für Abend und Nacht, für Nacht,
den jüngeren zur Beschämung, die längst sich
nicht mehr hatten aufrecht halten können.

Wiederum hatte dieser eiserne Wille den An-
strengungen zu trotzen gesucht, diesmal vergeblich.
Sein Tod erinnert unwillkürlich an den Tod zweier
andrer großer Bahnbrecher in unsrer Wissenschaft:
Winkelmanns und Ottfried Müllers. So jäh, so
fern, so mitten im Wirken, so in der Fülle der
Kraft ist auch er dahingerafft worden. Und wenn
irgendein Name neben diesen beiden größten auf
unsrem Gebiet genannt werden darf, als ihnen wahr-
haft ebenbürtig und gleich, so ist es sein Name.

Möge unser Dank an ihn unsere Arbeit sein.
So, wie er sie geliebt und getrieben hat: frohe,
frische, siegende Arbeit. «Vorwärts!» war seine
Weise. Der wollen wir folgen !

Freiburg i. Br., Nov. 1907.

IL Thiersch.
Im Altertumsverein Karlsruhe sprach
lt. Karlsr. Ztg. am 28. November Herr Dr. 0. Seneca
über Fr. Weinbrenner. Der Redner führte aus:
Friedrich Weinbrenner (geb. 1766, gest. 1826) ver-
brachte seine Jugend in Karlsruhe und war bis 1787
in dem väterlichen Zimmergeschäfte tätig. Zu seiner
weiteren Ausbildung auf Reisen gehend, lernte er
zunächst die Schweiz kennen und bezog, nachdem
er sich 1790 für den Beruf des Architekten ent-
schieden hatte, die Akademien in Wien und Berlin.

Entscheidend für seine ganze spätere Richtung
wurde sein langjähriger Studienaufenthalt in Rom,
wo er von 1792 bis 17 97 seine Ausbildung vollendete.
1797 von Markgraf Karl Friedrich als Bauinspektor
in badischen Diensten angestellt, errichtete er als
ersten bedeutenderen Bau die ehemalige Synagoge
in Karlsruhe. Nach kurzer Unterbrechung seiner
Tätigkeit als badischer Beamter, trat er 1800 wieder
in die Dienste des Markgrafen, wurde 1801 Bau-
direktor und behielt bis zu seinem im Jahre 1826
erfolgten Tode die Leitung des gesamten Bauwesens.
Die ersten Jahre gingen hin mit der Errichtung
von Nutzbauten und der Ausarbeitung zahlreicher
Projekte für die geplante Stadterweiterung; zur
Ausführung kam 1803 das Ettlinger Tor. Erst die
1806 vollzogene Erhebung Badens zumGroßherzog-
lum schuf die Bedingungen für die großartige bau-
liche Entwicklung der Residenz, die Weinbrenner
eine Fülle der vielseitigsten Aufgaben brachte. Fast
gleichzeitig in Angriff genommen, entstanden die
großen Hauptwerke: das ehemalige Hoftheater, die
evangelische Stadtkirche, die katholische Stadt-
kirche, das Markgräfliche Palais, Bauten, in denen
Weinbrenner eine an den ihm maßgebenden Vor-
bildern der Alten geschulte und doch durchaus
eigenartige Gestaltungskraft betätigte, bei aller
klassizistischen Strenge die Traditionen der Spät-
renaissance nicht verleugnend. Nebenher ging der
Ausbau der übrigen Stadt, namentlich des Markt-
platzes und der heutigen Karl-Friedrichstraße mit
dem Rondellplatz. Eine weitere Entwicklung der
Kunstweise des Meisters zeigen die in seinen letzten
Jahren, nach dem Regierungsantritt des Groß-
herzogs Ludwig, 1818, entstandenen Werke, in
denen er auf den engen Anschluß an bestimmte
Vorbilder der Antike verzichtete und seiner Außen-
architektur eine den neuartigen Aufgaben ent-
sprechende, zwanglosere Gestaltung zu geben
wußte. Diese letzten Bauten sind das Rathaus,
das Ständehaus und das Münzgebäude, dessen
Vollendung er nicht mehr erleben sollte.
 
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