Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

DOI article:
Zemp, Josef: Die Kirche von Romainmôtier
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0116

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
104 Josef Zemp.

entsteht.1 Im übrigen hat das System von Romainmötier nicht Schule gemacht. Die
burgunclische Baukunst wurde mit dem Riesenwerk von Hugos Kirche von Cluny der
«tonnengewölbten Basilika» in anderer Weise Meister. Und wenn in der entwickelten
burgundischen Schule des 12. Jahrhunderts an kleineren Bauten gelegentlich Stich-
kappen auftreten — Dehio nennt die Kirchen von Chäteauneuf und Thil ChäteP —, so
erscheinen sie mehr als ein ungern geduldetes Verlegenheitsmotiv, und nicht, wie zu
Romainmötier, als die eigentliche Grundlage des Systems. Auch die Erzeugung von
Spiegelgewölben durch gleichwertige Verbindung von Tonnen und Stichkappen, wie sie
im 12. Jahrhundert an der französischen Kirche von Chambon3 und an der Cisterzienser-
kirche von Bronnbach4 hervortrat, steht wohl außer jedem Zusammenhang mit dem
System von Romainmötier. Die Schwäche dieses Systems liegt im Mangel jeder Wider-
lagerung. Und doch hätten die weitgespannten Stichbogen den Gedanken einer dyna-
mischen Verteilung des Seitenschubes so leicht wachrufen können. Dagegen sind die
künstlerichen Vorzüge dieser Wölbungsform nicht zu unterschätzen. Ein Blick in das
Querhaus von Romainmötier läßt ahnen, daß bei sorgfältiger Ausführung aus diesem
System eine feine und stille Schönheit herauszuholen wäre (Abbildung 7).

Für die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung wäre es wichtig zu wissen,
wann diese romanischen Gewölbe von Romainmötier entstanden sind. Aus der Stilform
der Einzelheiten können wir für diese Frage nicht viel gewinnen. Die Kapitelle der
Halbsäulchen in Querschiff und Chor enthalten roh gearbeitetes Blattwerk, Eckvoluten
und Rosetten: jene barbarisierten Erinnerungen an antike Formen, wie sie in der früh-
romanischen Baukunst Frankreichs häufig sind. Sie weisen im allgemeinen auf das
11. Jahrhundert. Der genaueren Datierung dieser Gewölbe müssen wir auf anderem
Wege beikommen. Sicher fallen sie vor den Bau der zweistöckigen Vorkirche, die ich
etwa in die Zeit von 1100—1.120 ansetze. Man darf sogar annehmen, daß die Wölbung
auch vor den Bau der großen neuen Kirche des Abtes Hugo in Cluny fällt. Diese
wurde 1089 begonnen, 1095 im Chor und 1131 im ganzen geweiht. Freilich nahm Abt
Hugo an den Schicksalen seiner Kirche zu Romainmötier nicht mehr jenen persönlichen
und intimen Anteil wie sein Vorgänger Odilo.5 Aber Hugos Biesenbau von Cluny, der
in Burgund Schule machte, der denn auch zu Beginn des 12. Jahrhunderts den Bau
des Schiffes von Paycrne sichtlich beeinflußt hat, wäre damals ohne Zweifel auch in
Romainmötier für die Gestaltung der Gewölbe maßgebend geworden: man hätte ein
von Gurten unterzogenes Tonnengewölbe im Mittelschiff und rippenlose Kreuzgewölbe in
den Seitenschiffen erstellt! Von jenem siegreichen Schöpfungsbau sind die Gewölbe in
Romainmötier noch nicht berührt; sie gehören zu den mühsamen Vorstufen. Und nun
werden wir eine historische Notiz heranziehen dürfen: um 1080, unter dem eifrigen
Prior Stephanus (1075?—1087), der zu Romainmötier mit Energie einer nach Odilos Tode

1 Die Gewölbe der Seitenschiffe von St. Philiberl in.Toürnus werden denn auch gemeinhin als
«Kreuzgewölbe» bezeichnet. So sieht es in der Tat nach den Aufnahmen der «Archives de la Commission
des Monuments historiques» aus, nach denen auch der Querschnitt bei Dehio und v. Bezold, Taf. 137, 2,
gezeichnet ist. Die wohl zuverlässige Abbildung bei Enlart, Manuel de Farcheologie francaise, I, Paris 1902,
S. 270, stellt aber sehr deutlich Tonnengewölbe mit Stichkappen dar. Es fehlte mir die Gelegenheit, die
Sache an Ort und Stelle nachzuprüfen. — 2 Dehio und v. Bezold, I, S. 402; Taf. 141 und Textabbildung,
S. 401. — 3 Dehio und v. Bezold, Taf. 128, 3. — 4 Ebendort, Taf. 198,-4. und 5. — 5 Siehe hierüber
Egger, S. 69 und 70.
 
Annotationen