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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Zemp, Josef: Die Kirche von Romainmôtier
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0120

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108

Die Vorkirche von Romainmötier wurde schon von Lübke1 in die Zeit um 1050
verlegt. Diese Meinung kann nicht mehr gelten. Erst nach der Wölbung des Schiffes
ist die Vorkirche entstanden. Denn sie wurde nicht an die ursprüngliche, sondern an
die um 1080 erhöhte Kirchenfassade angebaut. Sie dürfte um 1100—1120 entstanden
sein: in jener Zeit, da überhaupt die rippenlosen Kreuzgewölbe in der «burgundischen
Schule» häufiger wurden; man verwendete sie für die Seitenschiffe und schließlich in
den Kirchen von Vezeley (1120—1132) und Ancy-le-Duc (um 1125?) auch für das basi-
likal erhöhte Mittelschiff. Für die richtige Datierung der Vorkirche von Romainmötier
dürfte weiter zu beachten sein, daß die Gewölbefelder nicht quadratischen, sondern recht-
eckigen Grundriß besitzen; die Scheitellinie der Gewölbe erhielt deshalb in den Längs-
achsen eine wagrechte Führung, in den Querachsen einen
geradlinigen «Stich». Auch der Umstand, daß die Kreuz-
gewölbe an den Wänden besondere Schildbogen besitzen,
sollte vor einer allzufrühen Datierung der Vorkirche
warnen. Die Gewölbe in den Seitenschiffen der Kirche
von Payerne dürften ungefähr zur gleichen Zeit ent-
standen sein.

Leider fehlen historische Nachrichten über den Bau
der Vorkirche. Es sei denn, daß eine Urkunde aus der
Zeit von 1111—1115 in Frage käme: Prior Stephanus III.
von Romainmötier gibt einem gewissen Petrus, genannt
Bovart, einen Platz zum Bau eines Bethauses (cellarium)
innerhalb der Klostermauern bei der Kirche; nach dem
Tode des Petrus Bovart wird das von ihm errichtete
Gebäude Eigentum des Klosters.2

In vielen Einzelheiten birgt die Vorkirche noch
ungelöste Rätsel. So aufschlußreich die Entdeckung einer
in der West- und Südmauer ausgesparten Treppe gewesen
ist, so hat dagegen eine große, portalartige Öffnung an
der Westseite des Obergeschosses noch keine befriedigende
Erklärung gefunden. Noch wären die Spuren von mehrfachen Umbauten und Verän-
derungen an der Südfront der Vorkirche zu entwirren. Leichter wird die halbkreis-
förmige Nische zu deuten sein, die an der Ostseite des Obergeschosses in die alte Fassade
der Kirche eingreift. Hier stand doch höchst wahrscheinlich der St. Michaelsaltar. Genau
das nämliche Motiv einer halbkreisförmigen Nische findet man im Obergeschoß der
turmartigen Vorhalle zu Payerne; ich glaube nachweisen zu können, daß zu Payerne
diese Nische um 1100 bei dem Neubau des Schiffes an die Stelle einer rundbogigen
Öffnung getreten ist, die in der älteren, flachgedeckten Basilika den Blick aus der Vor-
halle in das Mittelschiff gewährt hatte.

1 Deutsches Kunstblatt 1854, No. 24, S. 213.

2 Staatsarchiv Lausanne. Hidber: Schweiz. Urkundenregister, I, No. 1569. — Bemerkt sei noch,
daß im Jahre 1899 an der Nordseite der Kirche einige Mauern ausgegraben, aber damals nicht näher unter-
sucht worden sind; ob jener Bau des Petrus Bovart hier zu suchen sei, steht dahin. Der Ausdruck «cellarium»
dürfte «Bethaus» oder «Privatkapelle» bedeuten. Insofern dürfte die Vorkirche mit jener Urkunde in Beziehung-
gebracht werden; das 'würde auch chronologisch sehr gut passen; es stellt sich dann freilich das Bedenken
entgegen, daß die Vorkirche für eine private Unternehmung zu groß und zu monumental erscheint.

d.b ' ' ' i m

Abbildung 11. Bomainmötier.
Pfeiler im Untergeschoß der Vor-
kirche 1 : 50. Links: Typus der süd-
lichen, nicht überarbeiteten Beihe.
B e c h t s: Beispiel der Überarbeitung
an der nördlichen Beihe.
 
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