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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Zemp, Josef: Die Kirche von Romainmôtier
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0122

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110

Payerne nachzuahmen scheint. Bei den ersten sind die Kämpfer schlicht und glatt, hei den
letzteren mit rohen linearen Ornamenten geziert, doch nicht ringsum, sondern nur über
den segmentförmigen Vorlagen! Diese Ungleichheit der Pfeiler kommt von einer Über-
arbeitung der nördlichen Reihe; auch diese Pfeiler waren ursprünglich kreuzförmig; die
abgerundeten Vorlagen wurden nachträglich durch Wegmeißelung der Kanten gewonnen;
an der Schrägfront des Kämpfers mußte dann irgendein Ubergang hergerichtet werden;
man nahm hierfür eine barbarisch rohe Ornamentik zu Hilfe. Diese Überarbeitung der
nördlichen Pfeilerreihe fand wohl während des Baues der Vorkirche statt, vielleicht bei
einem Wechsel der Leitung. Denn im oberen Geschoß führt jene rohe, bäuerische Orna-
mentik fast an allen Pfeilergesimsen das Wort (Abbildung 10). Die kleinlich gegliederten,
steilen Gesimse an denjenigen Pfeilern des Obergeschosses, die von der derben Ornamentik
verschont blieben, zeigen große Ähnlichkeit mit den Gesimsen in den Seitenschiffen der
Kirche von Payerne. Vielleicht waren hier und dort die gleichen Werkleute tätig.

F. Wenige Worte noch über die späteren Schicksale der Kirche von Romain-
mötier. Im 13. Jahrhundert herrscht reges Leben. Es wird in edler Gotik die zierliche
Vorhalle errichtet (Abbildung 12). Im Mittelschiff werden die romanischen Tonnen-
gewölbe durch Kreuzrippengewölbe ersetzt; die frühgotischen Halbsäulchen, welche die
Rippen aufnehmen, sitzen direkt auf den Stümpfen der romanischen Gewölbeträger; der
Scheitel des Gewölbes kommt tiefer zu liegen und überschneidet an der Westwand das
große Rundbogenfenster (Abbildung 2 und 8). Den Abschluß dieser Unternehmung
bildet eine noch heute sehr gut erhaltene Bemalung der Gewölberippen ; an der West-
wand des Schiffes werden die Erzengel Gabriel und Michael, und darüher ein großes
Agnus Dei gemalt (Abbildung 8); auf der Ostwand, gegen die Vierung, eine Darstellung
von Christus, Maria, Petrus und Paulus.

Gr. Bald darauf, vermutlich in der Frühzeit des 14. Jahrhunderts, wurde die
mittlere und die südliche Apsis niedergelegt, der Chor ostwärts verlängert und in gerader
Linie abgeschlossen. Auch hier erscheinen die Gewölberippen in reizvoller Polychromic
(vergl. Abbildung 5).

H. Es folgte, etwa von 1370—1390, an der Südseite der Kirche der Bau des
Kreuzganges, von dem nur kümmerliche Spuren übrig geblieben sind (Abbildung 6).

I. Im 15. Jahrhundert wird auch die nördliche Apsis abgebrochen und durch
eine zweistöckige Verlängerung ersetzt.

K. Nach der Eroberung der Waadt und der Einführung der Reformation haben
die siegreichen Berner die Kirche für ihre neuen Zwecke hergerichtet. In der Vorkirche
wurden Verschlage für ein Kornmagazin erstellt — daher die Einschnitte in den Pfeilern
(Abbildung 10) —, über der gotischen Vorhalle ein häßliches Obergeschoß errichtet.
Starke Strebepfeiler begegnen den Senkungen und Verschiebungen des Mauerwerkes,
vor allem die Nordseite wird wie mit einem Panzer geschützt (Plan, Abbildung 1).
Ohne diese Fürsorge der Berner Herrschaft läge die Kirche in Ruinen. Und so wäre
es auch anderwärts. Eine Menge alter Bauten haben die Berner Verwaltungsbeamten
im 16., 17. und 18. Jahrhundert durch robuste Verstrebungen vor dem Untergang be-
wahrt; nicht aus künstlerischen oder gelehrten Antrieben, sondern aus reinem Utilita-
rismus. Man hat dieses Verfahren brutal und verständnislos gescholten. Heute aber,
da wir das «stilvolle» Restaurieren überwinden möchten, dürfen wir loben, was an Ehr-
lichkeit und Zielsicherheit in der altbernischen Denkmalpflege lag.
 
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