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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Bühlmann, Josef: Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0126

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114 J. Bühlmann-München.

Apollo zum prächtigen Marmortempel aus. Aber schon seinem Nachfolger Tiberius
scheint das Augusteische Haus nicht mehr' genügend Raum geboten zu haben. Ei-
häute auf dem nördlichen Teile des Hügels den großartigen Palast, dessen ausgedehntes
Rechteck jetzt noch an den Grundmauern zu erkennen ist und der jedenfalls, ent-
sprechend dem Programm, das Vitruv für den römischen Palast im allgemeinen gibt,
eine Anzahl von Höfen mit ringsum gereihten großen Saalanlagen enthielt. Mit dem
Palastbau des Tiberius scheinen die bürgerlichen Wohnhäuser bis auf jenes seiner Mutter
Livia, das mit dem neuen Palaste in Verbindung gesetzt wurde, vollständig vom nörd-
lichen Teil des Palatin verschwunden zu sein; was von ihrem Areal neben dem Palaste
und neben den Tempeln noch übrigblieb, wurde wahrscheinlich zu Gärten verwandelt.
Jedoch der wahnsinnigen Prachtliebe des Nero war auch der neue Herrschersitz zu enge.
Er baute sein goldenes Haus in der Niederung, die sich damals zwischen den Hügeln
Palatin, Esquilin und Oaelius erstreckte. Von der Anlage dieses weitläufigen Bauwerkes
können wir uns keine Vorstellung mehr machen; die geringfügigen Reste, die unter
dem Plateau der Trajansthermen vor 200 Jahren noch vorhanden waren und einen Hof
mit umschließenden Saalanlagen erkennen ließen, gehörten vielleicht nur einem unter-
geordneten Flügel an. Wahrscheinlich war der Neronische Palast mit seiner großartigen
Raumentfaltung und seinen weiten Gärten zur Sicherstellung des kaiserlichen Wohn-
sitzes gegen äußere Angriffe wenig geeignet. Das folgende Herrschergeschlecht, das von
Flavius Vespasianus ausging, fand es geraten, seinen Sitz wieder auf den Palatin zu
verlegen und seine Wohnung in dem Tiberianischen Palast zu nehmen. Aber dieser
Palast, sowie das Augusteische Haus waren wohl zum luxuriösen Wohnen eingerichtet,
jedoch zur Repräsentation der kaiserlichen Gewalt, zu großartigen Empfängen fremder
Fürsten und Gesandtschaften und zu öffentlichen Festlichkeiten des Hofes waren sie
nicht genügend geeignet, deshalb faßte schon Vespasian den Gedanken, einen der
kaiserlichen Macht würdigen Repräsentationspalast zu bauen. Aber erst sein zweiter
Nachfolger Domitian gelangte dazu, diesen Gedanken auszuführen und jenes Bauwerk
zu errichten, das unter dem Namen des Flavischen Palastes oder der Aedes publica
für die Folgezeit den Glanz und Ruhm des kaiserlichen Palatiums bildete und dessen
Ruinen jetzt noch die über alle Maßen großartige Raumanlage erkennen lassen.

Ob die südlich von diesem großen Flavischen Palast gelegenen Ruinen die
Überreste des Augusteischen Hauses darstellen, ist nicht mit Sicherheit zu erweisen, je-
doch aus verschiedenen Gründen wahrscheinlich. Das an dieses Gebäude anstoßende
Stadium und die auf der anderen Seite desselben gelegenen Bäder sind erst von
Septimius Severus errichtet worden. Auch scheint unter diesem Kaiser und seinem
Sohne Caracalla ein letzter Ausbau des gesamten Palatins stattgefunden zu haben, durch
welchen die einzelnen Bauwerke desselben zu einer Einheit verbunden wurden, ohne
daß die einzelnen Gebäude in ihrer Anlage eine Änderung erfahren hätten. Von dieser
Zeit ab mögen noch vereinzelte Restaurationen, wohl die letzte unter dem Ostgoten-
könig Theodorich, erfolgt sein, bis der gänzliche Untergang des römischen Reiches auch
den Verfall und die Verwüstung des Kaiser pal astes nach sich zog.

Verhältnismäßig spät ist es der archäologischen Forschung ermöglicht worden, sich
mit den palatinischen Ruinen zu befassen. Das Areal des Hügels, dessen Mauerreste
sich im Mittelalter mit grüner Pflanzendecke verhüllten, ging im XVII. Jahrhundert
in seinem nördlichen Teile größtenteils in den Besitz der Farnese über, die auf dem-
 
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