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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Bühlmann, Josef: Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0136

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endigten stumpf an ihrer äußeren Wellenleiste. Die Nischen konnten oben entweder
horizontal oder im Segmentbogen abgeschlossen sein. Letzteres scheint aus konstruktiven
Gründen und aus Analogie mit Thermennischen wahrscheinlicher zu sein und wurde
deshalb in vorliegender Rekonstruktion angenommen. Über den vorgekröpften Gebälken
wTerden Statuen aufgestellt gewesen sein und es ist nicht unmöglich, daß die von Bian-
chini erwähnten und als Amazonen bezeichneten weiblichen Statuen, die allerdings
außerhalb des Raumes gefunden wurden, ihre Stellung hier oben hatten.

Die beiden großen, im Grundriß segmentförmigen Nischen in der Längsachse des
Saales, nämlich die Eingangsnische und die ihr gegenüberstehende geschlossene Nische,
mußten, um gute Verhältnisse zu erhalten, über das Gebälk der großen Säulen hinaus-
ragen und konnten wohl nur im Halbkreis abgeschlossen sein; das Gebälk war hier
wahrscheinlich, wie bei den entsprechenden Nischen im Pantheon, als Kämpfergesims
durchgeführt. Aus der Höhe des Halbkreisbogens ergibt sich nun die Höhe der oberen
Wandpartie, die zum unteren Teil der Wand in ein ähnliches Verhältnis tritt wie im
Pantheon; auch mag die Dekoration eine ähnliche gewesen sein wie dort: die marmor-
bekleideten Wandflächen von Fensteröffnungen durchbrochen, die hier vielleicht nicht
bloß Dekoration waren, sondern etwa von einem schmalen, in der Mauer liegenden
Korridor aus einen bequemen Überblick über den Saal gestatteten.

Über dieser Oberwand wird sich ein horizontaler Gesimsabschluß hingezogen
haben, über welchem sich alsdann die gewölbte Decke erhob. Von den Trümmern
des eingestürzten Gewölbes, von denen Bianchini berichtet, ist leider nichts mehr er-
halten, aber nach der Grundrißbeschaffenheit des Raumes können wir hier nur ein
Tonnengewölbe annehmen. Für dasselbe ergibt sich allerdings eine Spannweite, wie sie
bei keinem Räume aus alter und neuer Zeit sich wiederfindet; mit ihren 301/8 Metern
übertrifft sie diejenige des Mittelschiffes der Peterskirche um 4}\% Meter. Über die
statischen Verhältnisse des Gewölbes soll weiterhin bei Betrachtung der beiden Neben-
säle noch die Rede sein; für die dekorative Ausstattung desselben ist in der Rekon-
struktion eine der Wandgliederung entsprechende Einteilung angenommen. Die beiden
Stirnwände des Raumes haben wohl nur deshalb eine den Längswänden gleiche Stärke
erhalten, um in denselben die beiderseitige Nischengliederung fortführen zu können.
Über denselben werden alsdann die halbkreisförmigen Oberwände von großen Fenster-
öffnungen durchbrochen gewesen sein, durch die reichliches Licht in die gewaltige
Halle hereinfluten konnte.

Die einzelnen Architekturformen des Raumes zeigen, soweit dieselben erhalten
sind, die Entfaltung des denkbar größten Reichtumes im römisch-korinthischen Stil.
Alle Wellenleisten sind mit Ornamenten bedeckt, die in plastischer Ausgestaltung deren
Funktion in den mannigfaltigsten Formen zum Ausdruck bringen. Die Friese zeigen
figürliche und ornamentale Kompositionen, und selbst architektonische Glieder, die sonst
schmucklos blieben, wie die Basisplinthen, haben zierliche dekorative Ausstattung er-
halten. In den Einzelformen ist eine große Ähnlichkeit mit denjenigen am Forum des
Nerva und am Triumphbogen des Titus, welche Bauwerke ja auch von Domitian
errichtet wurden, nicht zu verkennen und es mögen die nämlichen ausführenden Künstler
hier wie dort betätigt gewesen sein. Denken wir uns zu der Pracht der Wandumschließung
die entsprechend reiche Ausstattung des Gewölbes hinzu, so erhalten wir bei der impo-
santen Größe des Raumes einen Eindruck, welcher der Stätte zur höchsten Entfaltung
 
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