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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Heft 6 [März 1908]
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Rott, Hans: Bauspäne von einer anatolischen Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0159

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kraft Gesetz oder durch ein ehernes Fatum dem Untergang verschrieben. Die Osmanen-
gräber vor den Toren Cäsareas, hochragende, treffliche Bauten, sind allmählich so weit
heruntergekommen, daß sie demnächst an einen wucherischen Armenier auf Abbruch
vergeben werden können, was für einen mäßigen Bakschisch möglich ist.

Von dem jüngsten Einsturz eines ehrwürdigen Restes aus der ältesten Zeit, als
das Reich von Ikonium blühte, ist im ersten Heft dieser Zeitschrift bereits berichtet
worden. Kunstjägernde Reisende und Liebhaber sorgen unter der Hand dafür, daß der
keramische Schmuck behutsam von den Portalen und Nischen gelöst wird.1 Bauspeku-
lanten entblößen die verlassenen Ruinen ihrer Quaderverkleidung. Auf einem Ritt von
Newschehr nach Akserä kam ich an dreien solcher «Steinbrüche», mit denen auch die
Straßen unterhalten werden, vorüber, alles einstens stattliche Chane für Kamelskara-
wanen, von denen der eine an imponierender Erscheinung und Ausdehnung dem
größten derartiger Seldschukendenkmäler, dem Sultanchan in der Steppe zwischen
Konia und dem Salzsee, wenig nachgibt.

Immerhin ist neben der Masse des Verschwundenen oder bereits dem Unter-
gang Geweihten für den Architekturhistoriker noch genug in Kleinasien wie auch in
seinen Hinterländern Syrien und Mesopotamien erhalten und aufrecht oder doch wenigstens
in leidlichen Ruinen. Es müßte doch zur Arbeit aufmuntern, wenn wir in dem Bericht
des Freiherrn von Oppenheim über seine Reise nach Ostsyrien und in das Euphrat- und
Tigrisgebiet (1899) lesen, welche Mengen von Kirchenruinen — von andern Baudenk-
mälern und Archäologischem ganz abgesehen — in der cAlah, östlich der Linie Aleppo-
Hamah und in der Umgebung von Urfa, dem auch kirchengeschichtlich so interes-
santen Edessa, noch in ansehnlichen Resten vorhanden sind.2 Wir brauchten ja nur den
Spuren der demnächstigen Bagdadbahn zu folgen, durch die zweifellos manches Denk-
mal zu unserer Kenntnis gelangen und ■— verschwinden wird.

Noch wissen wir ja so wenig von den in bezug auf die Ziegeltechnik so wichtigen
Bauten des obern Euphrat- und Tigristales wie des persischen Hochlandes. Von welchem
Ertrag wäre es für die Geschichte der Architektur, wenn eine rege Forschung sich den alten
Kultur- und Geisteszentren der orientalischen Welt, Antiochien, Apamea, Edessa, Nisibis,
Palmyra, Amida-Diabekr, Seleucia-Ktesiphon, zuwenden würde, Stätten, wo uns auch die
historischen Quellen manchen interessanten Fingerzeig geben würden. Die Freilegung
der Mönchskolonie im Karadagh mit ihrer Auslese der verschiedensten Spielarten
interessanter Kirchentypen, die Aufdeckung der Klosteranlagen auf dem Hassandagh,
von Sura bei Myra, die projektierte von Meriamlik oberhalb des kilikischen Seleucia,
wo die H. Thekla wie Gregor von Nazianz der Askese lebten, die Ausgrabung der hoch-
interessanten Basiliken von Aladja Jaila in Lykien, von Perge in Pamphylien, von Gül-
baghtsche, Sardes, Hierapolis und Philadelphia an der Westküste, Bauten, die dem IV. und
V. Jahrhundert noch angehören, eine gründliche Aufnahme der kirchlichen Bauten von
Angora, die neben dem «Monumentum Ancyranum» doch auch Denksteine vergangener
Kultur sind, all dies wäre für die frühmittelalterliche Baugeschichte jedes für sich eine

1 Konstruktiv und aus der Anlage wird der Architekt, wenn die mittelalterlichen Baudenkmäler
des Islam in genauen Aufnahmen vorliegen, vieles lernen können, dekorativ in unserm sonnenarmen
Norden kaum.

2 Byz. Zeitschr. XIV, p. 1 f.: v. Oppenheim und H. Lukas, Griechische und lateinische Inschriften
aus Syrien, Mesopotamien und Kleinasien.
 
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