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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Schulz, Bruno: Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0223

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Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen. 211

später, durch die vorhandenen Eisen gestützt werden. Man war damals an den rings
herumlaufenden Bogenfries als allerüblichstes Dekorationsmotiv gewöhnt und suchte ihn
deshalb, so gut es ging, aus dem Vorhandenen herzustellen, indem man die einzelnen
Bogenpaare an den Ecken verband und dort die sonderbaren stalaktitenartigen Formen
bildete, die Giuliano da Sangallo mit dem ganzen so hergestellten Zustand getreulich
wiedergegeben hat. Er zeichnet die Form oben spitz, wie durch zwei schräg gegen-
einander gestellte Ziegel überdeckt, nicht wie sie nach Haupt aussehen müßte, und
hätte wohl auch, wenn der Bogenfries, den er sah, verziert gewesen wäre, es nicht
unterlassen, diese Verzierung mit anzudeuten. Von einem Mörtelstreifen, der über den
Konsolen um den Bau herumlaufend nach Dürrn sichtbar sein soll, und der wohl auch
von dieser Reparatur hergerührt hat, ist jetzt nichts mehr zu sehen.

So erklären sich zwanglos alle vorhandenen Spuren, wenn man den Traditionen
spätrömischer Architektur nachgeht, wie sie zur Zeit der Erbauung des Grabmals noch
lebendig waren; und so zeigt sich uns das Grab des großen Gotenkönigs als ein
spätes Denkmal, an dem die Gedanken der monumentalen römischen Wanddekoration
noch einmal in folgerichtiger, würdiger und prächtiger Weise Ausdruck gefunden haben.
So stimmt auch sein Grab mit den Bestrebungen überein, die Theodorich während der
ganzen langen Zeit seiner Regierung verfolgt hat, die großen römischen Überlieferungen
zu pflegen. Mit welchem Eifer der König gerade die Architektur seiner römischen Vor-
gänger pflegt und nachahmt, für die er «persönlich großes Interesse und Bewunderung
hegt (er sagt, die Betrachtung derselben sei seine liebste Erholung von den Sorgen der
Regierung, Gass. Var. VIII, 15)»\ zeigen viele Stellen in seinen Briefen, am deutlichsten
vielleicht die Anweisung an seinen Curator palatii, den Oberbaudirektor, «er solle dafür
sorgen, daß niemand die Neubauten von antiken unterscheiden könne!» (VII, 5).

Den Begriff «römisch» müssen wir dabei für diese Zeit noch so fassen, wie ihn
Theodorich selber in seinen Briefen und Edikten meint, als die Bezeichnung für die
einheitliche Kultur des gesamten Römischen Reiches, ohne allzugroßen Wert auf
die Unterscheidungen: stadtrömisch, italisch, byzantinisch oder syrisch zu legen.
Auch M. De Vogüe, auf den sich Durm, trotzdem er bestimmt als Herkunft und Schule
des Architekten Syrien bezeichnet, beruft, sagt nur, daß für ihn das Grabmal des
Theodorich «zum selben System» gehöre wie die syrischen Monumente, und er hebt
ausdrücklich hervor, es sei nicht nötig, «eine direkte Berührung zwischen dem Okzident
und den syrischen Schulen anzunehmen». «Wir geben diesen Schulen den Namen
syrisch, weil Syrien heute das Land ist, wo ihre Werke erhalten geblieben sind, gerettet
durch die Einsamkeit und die Entvölkerung».2

Wenn wir aus dem 2. und 3. Jahrhundert überall in Syrien dieselben Formen
in verschwenderischer Fülle noch heute finden, die die römischen Meister der Hoch-
renaissance aus ihrem Studium der antiken Reste in Rom und Italien, die damals noch
vollständiger vorhanden waren als heute, geschöpft haben, so erhalten wir ein Bild von
einer Einheitlichkeit der Kunstübung in dem ganzen großen Gebiete des Römischen
Weltreichs, wie wir es uns sonst, an die politische Zerrissenheit der Welt im Mittelalter
und in der Neuzeit gewöhnt, schwer machen können. Für die ersten nachchristlichen
Jahrhunderte, solange das Römische Reich besteht, erscheint mir darum der Streit, ob

1 Felix Dahn, Die Könige der Germanen, III. Abt., S. 168—172.

2 M. de Vogüe, a. a. 0., I, S. 22.
 
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