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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Hoeber, Fritz: Ideale Zentralbauten des späten Quattrocento und der Stilo Lionardesco
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0247

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Ideale Zentralbauten des späten Quattrocento und der Stilo Lionardesco. 235

Der Idealtempel der Bargellominiatur ist ein 12-Eck mit 4 fast vollständig de-
gagierten 6-eckigen kleinen Kapellen (Abbildung 4). Der 8-Eckbau der Laurenziana
hat ein flach abgedecktes niedrigeres Seitenschiff, das sich mit halben Kuppeln an
die Mitte anschließt (Abbildung 5). Für beide Modifikationen finden sich Parallelen
in Lionardos Skizzen zum Zentralbau. (Reproduziert bei Jean Paul Richter, The
Literary Works of Leonardo da Vinci, London 1883, Vol. II, pag. 29, PI. 86 [vor pag.
41]; pag. 44, Fig. 1, PI. 88 [nach pag. 44]; pag. 45, Fig. 1, PI. 90 [nach pag. 48],
PI. 96 [nach pag. 56] und passim.) In der Handschrift der Laurenziana findet sich
an der Stelle In anniversario dedicationis ecclesiae eine offenbare Nachbildung des
Florentiner Doms, deren Ansichts- und Grundrißskizze hier vorgelegt sein soll (Ab-
bildungen 6 und 7), eine Nachbildung, die uns die sachlich inhaltlichen Bezie-
hungen der Phantasiearchitekturen
Gherardos zum Florentiner Dom
klarlegt1, während das Formale, der
Stil wie gesagt, in seiner übermäßig
differenzierten Loslösung der Ne-
benteile vom Hauptteil der Spät-
quattrocento-Architektur entspricht,
deren hervorragendster idealer Ver-
treter Lionardo ist.

Damit können uns diese
Hintergrundsbauten die Parallele in
architektonischer Hinsicht für das
bis ins kleinste verfeinerte Stilempfin-
den geben, das man längst für
Malerei und Skulptur als im Spät-
quattrocento maßgebend erkannt hat.
Es herrscht noch in den Hintergrands-
architekturen des sonst ganz abge-
klärten Piero di Cosimo (Uffizien, Abbildung 8.

Primo Corridore, No. 82 und 83, zwei Hintergrundstcmpel von Bartolomeo Neroni, genannt il Riccio.
Bilder des Andromeda-Zyklus. Abb.

bei Fritz Knapp, Piero di Cosimo, Halle a. S. 1899, pag. 93 und 94), der in mehr noch
als Lionardesker Weise die Seitenteile seiner, allerdings nicht mehr zentral komponierten
Tempel geradezu durch eine Lücke von der Mittelpartie trennt.2

1 Über die idealen Beziehungen des Florentiner Doms zum salomonischen Tempel von Jerusalem
vergl. Heinrich Brockhaus, Forschungen über Florentiner Kunstwerke, Leipzig 1902: I. Die Paradiesestür
Lorenzo Ghibertis, bes. pag. 12—14, und die Domaufnahme (1. Erläuterung).

2 Eine identische Hmtergrundsarchilektur wie auf dem Opferbild des Andromeda-Zyklus der Uffizien:
Quadrater Mitteltempel, quadrate, abgeschnittene Seitenkapellen, zeigt das Urteil Salomonis aus der Werk-
statt des Piero di Cosimo in der Gallerie Borghese in Rom, No. 329. Es ist bei Knapp nicht genannt
und nicht abgebildet. Photographiert ist es nur von R. Moscioni, Via Condotti 76, Rom. Kat.-Nr. 21272.
 
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