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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0256

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244

Kreis nicht hereingekommen sind, vor allem also
den meisten von denen nicht, die sich ex officio
mit der Historie der Kunst und im speziellen
mit der Historie der mittelalterlichen Baukunst
beschäftigen. Diesen müssen sie bewiesen werden.

Ich will das an einigen Beispielen versuchen.

Es ist bekannt, daß eine geraume Zeit dar-
über gestritten worden ist, welchen Ursprungs
der, plötzlich und bis zu einem gewissen Grade
fertig ausgebildet, in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts in Norddeutschland auftretende
Backstein bau sein möchte. Fr. von Quast hatte
1850 in einem Aufsatz in Eggers Deutschem
Kunstblatt: «Zur Charakteristik des altern Ziegel-
baus in der Mark Brandenburg mit besonderer
Bücksicht auf die Klosterkirche zu Jerichow» dar-
auf hingewiesen, «daß sich mehrere jener Eigen-
tümlichkeiten des (norddeutschen) Ziegelbaus auch
im nördlichen Italien, gleichfalls im 12. Jahr-
hundert sicher datiert, vorfinden», daß insbesondere
die «Ziegelrundbögen in der gedoppelten Art» an
Kirchen im Mailand, Pavia, Verona u. a. 0. vor-
kommen. «Das deutet», meint er, „sicher
auf einen gemeinsamen Ursprung hin.» Und es
erschien ihm «wahrscheinlich, daß derselbe in
eine viel frühere Zeit hinaufreicht». Einen
bündigen Schluß zog er, wie man sieht, nicht,
mochte im Gegenteil eine recht verworrene Vor-
stellung von dem Zusammenhang der Dinge haben.
Er kannte die lombardischen Bauten wohl nur
oberflächlich und hat von den Zügen, deren
Ähnlichkeit besonders auffallend ist, ja auch nur
die gedoppelten Ziegelrundbögen erwähnt und
z. B. noch nicht von den für das Backsteinmaterial
umgebildeten Würfelkapitälen, die hüben und
drüben in gleicher Art vorkommen, gesprochen.
In den sechziger Jahren gewann eine andere
Ansicht, die der Abhängigkeit der norddeutschen
Backsteinbaukunst von der niederländischen, da-
durch sehr an Geltung, daß sie Adler — seit
1861 — zu der seinen gemacht und mit einem um-
ständlichen Apparat von Gelehrsamkeit zu stützen
versucht hatte, obwohl von niederländischen Bau-
ten, die als Muster gedient haben sollten, so gut wie
nichts bekannt war. Das Land war nach dieser
Hinsicht, so hieß es, wenig durchforscht, und
«die furchtbaren Sturmfluten» und «die elemen-
taren Einflüsse eines rauhen Seeklimas» mochten
wohl das meiste mitgenommen haben. 1872 nennt

Dehio in einer Studie über Hartwich von Stade
— in Abhängigkeit von Adler und Quast — die
Bauten in und um Jerichow «Backsteinbauten
von unleugbar niederländischem Ursprung», meint
aber, es möchten diese Bauten etwa «unter
Leitung eines italienischen Baumeisters durch
niederländische Werkleute» auf Antrieb des
Bremer Erzbischofs Hartwich, der solche Back-
steinbauten in Italien kennen gelernt hätte,
entstanden sein. Das ist im ganzen auch weiter
seine Ansicht geblieben und ist ähnlich auch
in der kirchlichen Baukunst des Abendlandes 1892
(I p. 502 sq.) vorgetragen: «Die Beobachtung der
technischen Eigentümlichkeiten im Brande und
Formate der Ziegeln läßt die Antwort nicht im
Zweifel», die Backsteinfabrikation hat ihren Ur-
sprung in Holland, ist aber von Ober-Italien aus
künstlerisch befruchtet worden. Der erste, der
in diesen Dingen klar gesehen hat, ist Schäfer
gewesen. Schon in den achtziger Jahren, viel-
leicht schon als er jenen Aufsatz über Jerichow
schrieb, stand es bei ihm fest: gerade in tech-
nischer Hinsicht — er kannte die charrierten
Backsteine, die Herstellung der umgebildeten
Würfelkapiläle u. s. f. sehr genau — gerade in
technischer Hinsicht — wie sollte es auch
anders sein? — ist die frühe norddeutsche Back-
steinbaukunst von der Oberitaliens abhängig;
auch in formaler; aber da erweist sie sich gleich-
zeitigabhängig von der im Nachbargebiete blühenden
Hausteinbaukunst; die Niederländer mögen viel-
fach die Arbeiter der Ziegeleien abgegeben haben,
etwa wie heute die Polen die der westfälischen In-
dustrie; das ist alles, was man ihnen zugestehen
kann. Schäfer hat dann auch 1889 den Anstoß
gegeben zu der ersten gründlichen und grund-
legenden Arbeit über diese Dinge, die Anregung
zu Stiehls «Backsteinbau in romanischer Zeit».
Der Verfasser erkennt es in den ersten Worten
der Einleitung dankbar an: Er «machte mich
darauf aufmerksam, daß durch Vergleichung der
oberitalienischen und der norddeutschen Back-
steinbaukunst wichtige Folgerungen zuziehen seien
. . insbesondere durch die Übereinstimmung der
Technik der Zusammenhang beider Gebiete sich
leicht nachweisen lassen würde.»

Wie Schäfer Art und Herkunft des nord-
deutschen Backsteinbaus also früher als andere
erkannt hat, so auch das eigentümliche Wesen
 
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