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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0258

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Chronik.

24 G

menten nach Wegschlagen des alten Putzes her-
gestellt hat, gab es nicht; solche Mauern wurden
immer verputzt, wobei oft, weil man den Putz
nicht zu dick auftragen wollte, die unregelmäßigen
Köpfe der Steine sichtbar blieben; in den Putz
wurden die Fugen andeutende Linien eingeritzt,
weil man sie in anderer Farbe auf den all-
gemeinen Farbüberzug (also etwa weiß auf
rot) malen wollte; die Fugen des Haustein- und
Backsteinmauerwerks sind — anders als es heute
oft der Fall ist — immer voll; oft auch sind
in die Fugen des Backsteinmauerwerks — sehr
bezeichnend — Linien eingeritzt; und manches
andere wußte er weiter noch als bündige Be-
weise für die allgemeine Tendenz der äußeren
Bemalung anzuführen. Daß aber gar im Innern

— wie man das heute noch lesen kann — in
Deutschland jemals die Absicht bestanden haben
sollte, an Haustein- oder Backsteinbauten das
Material im natürlichen Ton stehen zu lassen,
das hätte er als Künstler und als Kenner ab-
gelehnt, ohne solche Behauptung einer Unter-
suchung zu würdigen.

Von vielen anderem könnte ich hier noch
sprechen. Nur von einem soll noch die Bede
sein. Vielleicht am sichtbarsten sind seine wissen-
schaftlichen Verdienste in Hinsicht der Erforschung
des Holzbaus, der eigentlichen deutschen Profan-
baukunst. Auch da ist des Schriftwerks nicht
viel vorhanden; jener schon erwähnte Aufsatz
im Centralblatt «Ein altes Denkmal der Holzbau-
kunst»; dazu jene textlose Sammlung «Die Holz-
architektur Deutschlands» benannt, die auf sein
Betreiben entstanden war, und deren Aufnahmen
z. T. er selbst, z. T. andere unter seiner Redaktion
hergestellt haben. Das ist — obwohl sich auch
da gelegentlich Fehler eingeschlichen haben —
wie kann es bei solcher Sammlung anders sein!

— schon eine Leistung, für die man ihm gewiß
Dank schuldet. Und doch bedeutet das sehr
wenig gegenüber dem prachtvollen Vortrag, den
er jedes Jahr an den Hochschulen in Berlin und
Karlsruhe gehalten hat, den also sehr viele Archi-
tekten kennen, dessen Inhalt aber doch in weitere
Kreise noch nicht gedrungen zu sein scheint.
Das muß man mit Verwunderung jedesmal wieder
feststellen, wenn irgendeine Arbeit über diese
Materie erscheint. Dieser Vortrag sollte vielleicht

in erster Linie herausgegeben werden. Er ent-
hält für die weitesten Kreise noch heute absolut
neue Dinge und wird, einmal schwarz auf weiß
vorhanden, manchem erst die Augen öffnen und
die Wissenschaft eine außerordentliche Strecke
weiterbringen. Wenn man schon lange das
fränkische von dem sächsischen Bauernhaus zu
unterscheiden gelernt und auch Merkmale weiterer
Gruppen von Bauernhauslypen gefunden hatte, so
war Schäfer der erste, der für Deutschland drei
verschiedene Konstruktionsweisen der Holzhäuser
als Besonderheiten dreier Stämme festlegte: die
des sächsischen, des fränkischen und des ale-
mannischen Stammes. Er zuerst hat die Charak-
terisüca dieser Konstruktionsweisen klar aufge-
stellt, die geographischen Grenzen bestimmt, die
Mischbildungen untersucht. Er zuerst hat mit
stichhaltigen Gründen den Blockbau ausgeschieden
aus dem Bereiche germanischer Tradition,
hat dem Schweizerhaus seine Stellung ge-
geben als einem ursprünglich keltischen Gebilde
und dem Tyroler Haus als einer Mischbildung
römischen Mauerbaues und alemannischen Fach-
werkbaus. Er hat auch zuerst die Entwicklung
der Konstruklionsweisen gelehrt, kurz eine solche
Fülle von Neuem auf diesem Gebiete geleistet,
daß es scheinen muß, als ob vor ihm kaum etwas
geschehen wäre. Und diese Leistung wird man
besonders hoch anschlagen müssen, wenn man
sie der Leistung anderer vergleicht: etwa der
Viollet-le-Duc's, der es in seinem Dictionnaire für
Frankreich nur zu einer systemlosen Zusammen-
stellung einer Reihe reicherer Fachwerkbauten
brachte, oder der Lehfeldts, der 1880 ein Buch
über «die Holzbaukunst», oder Lachners, der 1887
eine «Geschichte der Holzbaukunst» erscheinen
ließ.

Ist's genug? Ich denke ja. Man wird Carl
Schäfer, wenn einmal seine Lebensleistung bekannt
sein wird, gern als einen der größten Historiker
der deutschen Baukunst gelten lassen, als den,
dem die Baugeschichte ein gesundes und tüch-
tiges Fundament verdankt. Den Architekten frei-
lich ist er viel mehr noch gewesen: ein großer
Künstler, der den Weg zur Kunst und das Ziel
gewiesen hat.

Karlsruhe, im Mai 1908.

Ostendorf.
 
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