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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Strzygowski, Josef: Zur frühgermanischen Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0261

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Germanischen in der Baukunst» sucht auch-Durm beschwichtigend zu wirken auf den
hohen "Wogenschlag der Begeisterung für die nationale frühgermanische Kunst, die
einen Stich ins Chauvinistische erhalten habe. Ich hatte davon selbst einen Eindruck auf
dem Kunsthistorischen Kongreß in Darmstadt bei der mit so lauten Fanfaren verkündeten
Begründung des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Hoffentlich kommt die Arbeit
recht bald nach. Denn Durm samt seinem Gewährsmann haben darin gewiß unrecht,
daß sie annehmen: «An bildender Kunst brachten die ostgotischen Recken aus der Zeit
der A^ölkerwanderung (Schlacht bei Verona 493 n. Chr.) gewiß so viel als wie nichts mit
sich». Gerade das Theoderich-Grab ist das bedeutendste Wahrzeichen für die entgegen-
gesetzte Tatsache, die nämlich, daß die Südgermanen, als sie in Italien, Gallien und
Spanien einwanderten, Träger einer großen blühenden architektonischen Entwicklung
waren, derjenigen, der wir jetzt endlich überall in Kleinasien, Armenien, Mesopotamien,
Nordsyrien, Palästina und Ägypten auf die Spur kommen. Es ist daher voraussichtlich
verkehrt, wie Durm mit seinem Hintermann behauptet, daß «der arme Ostgote, der vor
die Aufgabe gestellt war, seinem Herrscher ein Mausoleum in Ravenna zu bauen, große
Baugedanken doch nur aus den vorhandenen römischen Monumenten schöpfen konnte».
Der Fall liegt vielmehr umgekehrt, Rom konnte den Goten nichts Lebendiges liefern,
die Goten bezw. ihr armenisches, syrisches oder griechisches Gefolge an Künstlern
brachte die neuen gärenden Baugedanken des Ostens (gleichzeitig etwa wie die Klöster)
nach Südeuropa. Die Südgermanen mußten nicht, wie Durm und Genossen behaupten, «um
Muster für eigene Schöpfungen zu erhalten, an die Erzeugnisse einer absterbenden Kunst
anknüpfen»; nicht Rom und Italien konnte ihnen etwas bieten, sondern sie waren es,
die, vom Osten kommend, als Träger neuer Keime in der Baukunst auftraten. Das
Theoderich-Grabmal ist wie Jahrhunderte früher der Diokletianspalast in Spalato1 ein
Wahrzeichen der neuen Kunst, die in karolingischer und «romanischer» Zeit zur herr-
schenden Europas wird, die Goten sind es vielleicht tatsächlich, die den prachtvollen
Steinschnitt, der später in der Gotik so entscheidende Bedeutung gewann, aus ihrer
hellenistisch-orientalischen Heimat in den Gegenden am Schwarzen Meere nach dem
Süden Europas gebracht haben. Muß ich auch Durm wie kürzlich2 Rivoira an die
Nachrichten über die manus gotica in der entstehenden christlichen Baukunst Galliens
erinnern? Es wäre doch vielleicht Zeit, daß unsere Besten, statt immer nur in der Treib-
hausluft von Hellas und Rom zu leben, endlich einmal anfingen, die Dinge an-
zuschauen, wie sie wirklich sind, in dem Sinne nämlich, daß Hellas und Rom in
der Umklammerung des Orients ersticken. Die Germanen waren dafür im Norden
ebenso Werkzeug, wie im Süden der Islam.

Wenn Durm seine polemische Anmerkung schließt: «Das (d. h. die Annahme,
die Goten hätten von Rom lernen müssen) ist wenigstens logisch, historisch und bautechnisch
richtig entwickelt, ohne widerlichen Beigeschmack des Gesuchten», so vergißt der alte
Herr, daß Josef Durm selbst mit Vogüe für den syrischen — wie ich sage orientali-
schen — Ursprung des Theoderich-Grabes eintritt. Das ist die heitere Kehrseite der über-
eilten Aburteilung in Bausch und Bogen. Ich hoffe, daß gerade der, mit dem Durm
streitet, daß A. Haupt in Hannover, wenn er erst einmal seine Aufnahmen westgotischer
Kirchen in Spanien veröffentlicht, feste Bausteine für die Thesen schaffen wird, die ich

1 Studien aus Gesch. u. Kunst, Friedrich Schneider gewidmet. S. 325 f.
- Byzantinische Zeitschrift 1908, S. 288.

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