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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0269

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lassen. Nicht eine ägyptische «Lilie» also, sondern kettchen aus aneinandergereihten Lilienblüten,

die ägäisch-mykenische Spirale sei der eigentliche Mon. dell'Acc. dei Lincei 1904, p. 599 (Gold),

Ausgangspunkt des jonischen Kapitells gewesen 610 (Glas), Furtwängler-Loeschcke, Myken. Vasen,

(S. 46/47). Tafel B und G (Glas), Annual IX, 67 (Fayencean-

Diese, wie mir scheint, im Grunde richtige hängsei), ebenda p. 127 (als Randverzierung eines

Aufstellung bedarf indessen noch einer ergänzen- Bronzegefäßes), XI, 285 (frei im Raum zerstreut als

den Berichtigung. Felderfüllung, Elfenbein [Abbildung2]); ebenso auf

„„.... , _.', , ... dem mykenischen Dolch, Penot-Chipiez VI, pl.

Daß das Autkommen der «Lilie» m Ägypten Yiv \ i irm -70 /n- iui-£ • j tt ,

, , , , . . . b.J1, XIX; Annual VIII, /8 (Einzelblute in der Hand

hauptsächlich durch das Eindringen ägäischer ■ „ > . c n ,, , ,

™ . . ,• 6, . 0 ■ gehalten); gereiht auf Goldplattchen aus Mykene,

Elemente im Nillande veranlaßt wurde, ist gewif3 n . m • • i7T „™ n- rm 1

. w .. ,. . . . , . , . . . Pcrrot-Ghipiez VI, 972, Fig. 547, auch p. 1014.

richtig. Aber nicht richtig scheint es mir, diese

neue Blutenform in Ägypten ausschließlich als
eine in ägäischem Sinne rein ornamental spirali-
sierende Ausgestaltung der alten oberägyptischen
Blüte aufzufassen.1 Denn nicht nur die orna-
mentale Tendenz, alle freien Endigungen in Spiral-
linien auslaufen zu lassen, vielleicht auch ein
botanisch ganz realer, noch viel mehr entsprechen-
der Artikel kam damals aus Kreta nach Ägypten:
die Lilie selbst als wirkliche Pflanze. Die echte
Lilie (1 i 1 i u m c a n d i d u m) muß eine unge-
heuer häufige Erscheinung in Altkreta gewesen
sein, jedenfalls ist sie eine dekorative Hauptpflanze
der minoischen Periode gewesen, ja, man kann
sagen, sie ist die Keftiublume par excellence.
Sie muß so charakteristisch für die Insel und
die ganze mykenische Kultur gewesen sein, wie
später etwa das Silphion für Kyrene, die Rose für
Rhodos, der Eppich für Selinus oder der Ölzweig
für Athen: ein erster Vorläufer fast der burbonisch.cn
Wappenlilie. Es gibt tatsächlich kein Blütenmotiv,
das in dem keineswegs ärmlichen Vorrat vegetabili- Abbildung 1. Tonpithos aus Knossos mit weiß
scher Ornamentmotive Allkretas — diese Leute aufgemaltem Lilhim candidum.

waren mindestens ebenso große Blumenfreunde

wie die Ägypter! — von der Kamaresperiode an Dazu kommen jetzt die vorzüglich naturalistisch
(vergl. den Napf aus Thera, Furtwängler-Loeschcke, gebildeten großen und kleinen Lilienkelche von
Myk. Vasen, S. 19, Fig. 6)2 eine solche Bolle spielt Goldblech aus dem Kuppelgrab von Volo, Ephim.
wie eben die weiße Lilie (Abbildung 1). Die Belege 1906, 231 ff.3 und die Darstellung ebensolcher
lassen sich häufen. Nur einige Beispiele: das Blüten auf der zugehörigen Vase pin. 12. Es
noch unpublizierte Fresko mit dem Jüngling, ist kostbarer Kopfschmuck, wie ihn die Frauen
der die Lilienkrone trägt (Knossos); der in auf dem bekannten großen Goldring aus Mykenae
farbigem Stuck aufgelegte Halsschmuck des Fres- tragen (Stengel derselben Blume auch in den Hän-
kos, Annual VII, 17; Teile solcher Schmuck- den der Frau ganz 1.). Ein großer Teil endlich der

1 Warum ist sonst eine solche Umformung nicht auch an dem gleichfalls oben ausladenden
Papyruskelch eingetreten ?

2 Von Perrot-Chipiez, Histoire de FArt anc. VI, p. 909 und ihm folgend Kümmel (S. 34) fälschlich
«Iris» genannt. Keiner von ihnen untsercheidet überhaupt zwischen den beiden Blumengattungen.

3 Die Form ist ausgesprochen die der (orangefarbenen), Hemerocattis genannten Liliaceenart. Vergl.
Reichenbach, Flora Deutschlands, Taf. DX. Besonders charakteristisch der sehr lange dünne Kelch.

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