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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Egger, Hermann: Der Palazzo di Venezia im 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0284

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272 Hermann Egger-Wien.

keine besondere Rücksicht zu nehmen pflegten, so konnte es geschehen, daß im Laufe
der Zeit die ursprüngliche symmetrische Anordnung der Fensterachsen — besonders
an der Nordfront des Palazzo — immer mehr und mehr verloren ging und eine asym-
metrische Achsenteilung entstand, die zum Teil erst im 19. Jahrhundert anläßlich der
in den Jahren 1856—1858 vorgenommenen Restaurierung behoben wurde. So hatten
nacheinander die Gesandten Antonio Grimani, Antonio Barbaro und Giovanni Landi
verschiedene kleinere Umbauten und Adaptierungen vorgenommen.1 Auch unter ihrem
Nachfolger, dem Orator Lorenzo Tiepolo, kam es zu mehreren bemerkenswerten Änderungen,
die zum großen Teile zur Behebung einzelner Bauschäden vorgenommen werden mußten.
So hatten sich in dem an der Nordostecke des Palazzo befindlichen ebenerdigen Baume
infolge der Ausweichung der nördlichen Hauptmauer klaffende Risse im Gewölbe gebildet,
ein bedrohlicher Schaden, dem im Jahre 1712 sowohl durch die Aufführung von drei
auf starken Wandpfeilern ruhenden Unterzugsgurten als auch durch Einziehung von
eisernen Schließen begegnet wurde. Auf denselben Gesandten geht ferner auch die
Herstellung eines Tonnengewölbes im Obergeschoß der Hofarkaden (Nordflügel) zurück,
wie ein mit dem Tiepolo - Wappen geschmückter Schlußstein mit der Jahreszahl
1712 beweist.

Deuten derartige Restaurationsarbeiten auf das Vorkommen vereinzelter Bau-
schäden hin, wie sie im Laufe der Zeit an jedem älteren Bauwerke aufzutreten pflegen,
so scheinen doch diese Übelstände am Beginne des 18. Jahrhunderts derart überhand
genommen zu haben, daß Tiepolös Nachfolger, Niccolö Duodo, sich in den Jahren 1714
und 1715 zur Vornahme durchgreifender Restaurationsarbeiten genötigt sah. Vor
allem erschien die Festigkeit des ganzen Baues an verschiedenen Stellen arg erschüttert,
ein Moment, das aber leider infolge der gewissenlosen Art und Weise, in welcher man
bei den von Duodo angeordneten Restaurationsarbeiten und Adaptierungen vorging,
keineswegs gebessert, ja eher erheblich verschlechtert wurde. Dieser Tadel betrifft in
erster Linie die Anlage eines Unratsrohres, das, vom obersten Stockwerke des großen
Turmes bis in die Kellerräume reichend, in so mangelhafter Weise ausgeführt worden
war, daß in der Folge in allen Stockwerken die angrenzenden Mauern wie die Gewölbe

1 An die Bautätigkeit Antonio Grimanis knüpfen speziell die beiden folgenden Adaptierungen: So
ließ er zu dem bisher als Küche verwendeten ebenerdigen Räume an der Nordostecke des Palazzo eine Türe
von der Straße aus brechen und verwendete ihn als Pferdestall (s. Abb. 3). Ferner gestattete er (1670) über
einem Teile des rechten Seitenschiffes von S. Marco die Anlage einer Sakristanwohnung (recte «Höhle»,
vergl. Barvitius, Bericht, fol. 48), wodurch den entsprechenden ebenerdigen Palastlokalitäten jegliches Licht
genommen wurde, ein Übelstand, der schon in gleicher Weise anläßlich der Erbauung der Kuppel der Cap.
di San Marco am Ende des nämlichen Seitenschiffes — wenn auch in geringerem Maße — zutage getreten
war (vergl. Barvitius, Bericht, fol. 46); über dieser so geschaffenen Sakristanwohnung entstand eine Terrasse,
deren Niveau in gleicher Höhe mit dem Fußboden des Hauptgeschoßes des Palazzo lag; die auf diese
Terrasse hinausführenden Türen und Fenster tragen alle seinen Namen im Sturze.

Dieser obenzitierte «Bericht» des österreichischen Architekten Anton Viktor Barvitius (1823 bis
1901), das Resultat einer in den Jahren 1856—1858 mit einer seltenen Gewissenhaftigkeit durchgeführten
Untersuchung des Bauzustandes, bildet in jeder Hinsicht eine wertvolle Quelle für das Studium der Bau-
geschichte des Palastes. Das gebundene Originalmanuskript wird mit den diesbezüglichen Aufnahmen im
Hochbaudepartement des k. u. k. Ministeriums des Äußern in Wien aufbewahrt. Der genaue Titel (fol. 1)
lautet: «Bericht über den Bestand der Baulichkeiten des k. k. Botschaftshötel in Rom, genannt: il Palazzo
di Venezia. Im Auftrage eines k. k. hohen Ministeriums erstattet von A. Barvitius, Architekt. Mit einer
Geschichte des Palastes als Einleitung zum Berichte. Rom im Jahre 1858».
 
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