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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0062

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zu lassen. Wir dürfen also einen solchen Nachhall nicht unterdrücken, im Gegenteil
müssen wir ihn zu erhalten suchen und womöglich ihn bewirken. Dies geschieht durch
eine ganz gleichmäßige oder möglichst mannigfache Zurückwerfung der Schallstrahlen.
Je mehr diese verteilt und verbreitet werden können, um so angenehmer wird das
Schallen sein. Eine jede Form, die nicht fähig ist zu konzentrieren, wird diesem
Zweck entsprechen, am besten konvexe Flächen. Alle gebrochenen Strahlen kommen
schwächer und darum nicht störend zurück.» Seite 60: «Säulen längs der Rundung
innen gestellt, wirken immer vorteilhaft, nämlich schallzerstreuend». SeiteG4:
«Der Boden in einem Orchester, der gleich dem Resonanzboden eines Instrumentes unter
sich einen hohlen Körper hat, tut gute Dienste, weil die Zurückwerfung der Schall-
strahlen unter demselben noch sehr nahe an
der Entstehung des Schalles geschieht und
daher mit dem direkten Schall fast ganz zu-
gleich an unser Ohr gelangt».

Orth im Handbuch der Architektur III, 6,
S. 34: «Konkave Wände sammeln den
Schall». S. 38: «Runde Säulen zerstreuen
bei der Reflexion den Schall, ebenso Kan-
nellierungen». S. 45: «Reiche Decken-
dekoration wirkt in gleichem Sinne
immer günstig».

Die beste Analogie zu Polyklets Thy-
mele sind aber unsere heutigen Musikzelte,
die ebenfalls im Freien meist mit gleichen
Abmessungen und auch immer als Zentral-
bauten errichtet werden. Was moderne Archi-
tekten von Anforderungen an diese stellen,
hatte auch Polyklet schon erfüllt. Lieblein
im Handbuch der Architektur IV, IV, 2 ver-
Abbildung 15. Musikzelt in Rouen (nach Handbuch langt S. 288: «Das Musikzelt muß gut über -
der Architektur). deckt, mitunter auch rückwärts, im übrigen

aber frei geöffnet und etwas über die Um-
gebungjerhöht sein. Die Muschel- oder Nischenform hat den Vorteil, daß Wände und
Decke/beim Musizieren mittönen, daß somit eine Schallnische gebildet wird, mittels
deren die Musik voller und besser gehört wird. Soll das Musikzelt inmitten des Kon-
zertplatzes stehen, so ist ein Zentralbau zu errichten, dessen Dach als Schalldeckel wirkt
und dessen Freistützen feingliedrig sein müssen. Die Musikbühne erhebe sich etwas
über den Erdboden zu mäßiger Höhe. Auch die Höhenabmessungen des Gebäudes seien
keine bedeutenden. Denn Decke, Wand und Fußboden haben nicht allein den Zweck,
durch Mittönen und Reflexion des Schalles diesen zu verstärken, sondern sie sollen auch
verhindern, daß er sich nutzlos nach oben verliert. Der Boden ist der Resonanz wegen
immer aus Holz zu konstruieren und hohl zu legen.» Vergl. dazu die beistehende
Abb. 15 eines Musikzeltes in Rouen: Hohlboden, Freistützen und Holzdach in Kegelform.

Auch die geschlossenen Konzertsäle der neueren Zeit bieten viele Parallelen.
Immer wieder sind es dieselben Prinzipien, die ihnen zugrunde liegen und die auch der
 
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