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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0085

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darstellen, so hat jetzt Pomtow innerhalb des Temenos ihre archaische Vorgängerin unter
dem Sikyonierschatzhaus gefunden (Delphica, S. 27), einen dorischen Rundbau wohl
noch des 7. Jahrhunderts von 6,20 m Durchmesser. Wie mir Hen- Dr. Luttermann,
ein Mitarbeiter Pomtows, kürzlich versicherte, haben neue Untersuchungen ergeben, daß
diese archaische Thymele keine geschlossene Wandung hatte, sondern sich. weit nach
allen Seiten hin öffnete, also die im Innern gespielte Musik ringsum ins Weite hinaus
strömen ließ. Die Auflösung der Wand bei der polykletischen. Tholos war also nicht
ohne Vorläufer. Die spätere Verlegung der delphischen Thymele auf die Terrasse in
der Nähe des Gymnasions erinnert an eine Inschrift aus Kos (Iiicks und Paton, Inscr.
of Cos 8, 8), welche ■&o|j.e>.ixoüc orfwva? iv t<j> 7Ujj.vaot(p twv vscot^pcov erwähnt.

Eine neue gründliche architektonische Untersuchung dieser jüngeren, zuerst 1838
von dem Deutschen Laurent gefundenen Tholos auf der Marmariaterrasse (Abb. 18) wäre

Abbildung'18. Die jüngere Tholos von Delphi auf der Marmariaterrasse (nach Horaolle).

dringend not. Dieser delphische Bau war ähnlich wie die epidaurische Tholos ein
Schmuckkästlein der antiken Architektur aus ihrer zierlichsten und vollendetsten Periode
(um 400 v. Chr.). Ganz von weißem Marmor (im Inneren einige Teile aus schwarzem),
wie nur die besonders reich bedachten und wichtigsten Bauten in Delphi, steht diese
Tholos an Kostbarkeit des Materials, an Delikatesse und reizender Feinheit der Aus-
führung dem offenbar nur wenig älteren Erechtheion in Athen nichts nach. Man ge-
winnt fast den Eindruck, es könnten dieselben Künstler wie dort gewesen sein, die dies
entzückende Werk in Delphi schufen. Nach Vitruv VII, 12 war wiederum ein Jonier,
Theodoros von Phokäa, der Erbauer, wie man aus der Schrift dieses Mannes über das
Bauwerk wohl schließen darf. Jedenfalls gehörten Architekt wie Bildhauer derselben
attisch-jonischen Schule an, aus welcher nicht lange vorher das Erechtheion in Athen
hervorgegangen war. Leider hat der Bau entsetzlich gelitten. Seine zierlichen Metopen,
die vom Allerfeinsten waren, was der Meißel geschaffen, sind jammervoll zerschlagen,
um bequemer zum Verbauen an anderem Ort verschleppt werden zu können.
 
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