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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0106

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92 H. Thiersch-Freiburg i. Br.

Was mich weiter veranlaßt, dies pergamenische «Odeion» als Rundbau anzunehmen,
ist nicht nur die Analogie des alten perikleischen Odeions, sondern die Tatsache, daß
ein auf griechischem Boden eben um jene selbe Zeit dem Kult der Roma und des
Augustus geweihter Rundbau tatsächlich erhalten ist. Das ist der bekannte, Ant. Denkm.
d. Inst. I, Taf. 25—26 veröffentlichte «Rundtempel» genau vor der Mitte der Parthenon-
front auf der Akropolis von Athen: ein Marmorpavillon, ganz offen, ohne geschlossenes
Kernhaus, also ganz wie die ältere Tholos in Delphi, auch in den Maßen (Dm. 7,5 m)
mit dieser ziemlich übereinstimmend und im Detail sich völlig an die Formensprache
der früheren Zeit (Erechtheion) anschließend. Also innerlich wie äußerlich eine echt augu-
steisch-klassizistische Schöpfung. Die Stellung der neun Säulen ist diejenige, deren Prinzip
ich auch für den inneren Säulenkranz der epidaurischen Tholos vermutet habe: am Ein-
gang ein weiteres Interkolumnium, gerade gegenüber eine Säulenaxe. Unter der fast quadra-
tischen (11X12 m) Plattform
liegt eine 2—3 m hohe Stein-
aufschüttung (vergl. Kab-
badias-Kawerau, Ausgrabun-
gen der Akropolis, S. 102 ff.).

Ähnlich wird auch das
Hymnodeion in Pergamon
ausgesehen haben; das athe-
nische «Augusteion» kann
uns das kleinasiatische einst-
weilen ersetzen.1 Teilweise
wenigstens. Der pergame-
nische Bau war vielleicht auch
größer — wenigstens in hadria-
nischer Zeit. Die in der In-
schrift No. 374, C. Zeile 12 er-
wähnten slxövsc twv Xeßaaräv
müssen nicht unbedingt in seinem Innern gedacht werden. Selbst wenn in diesen klei-
nen Rundkapellen der Kaiserzeit auch keine Podien mehr, sondern statt ihrer gleich
die Standbilder der zu verehrenden Kaiser gestanden hätten2, so besagte das doch nichts
gegen die hier geschilderte Übernahme der Rundform des Gebäudes. Im Gegenteil,
die Variation des alten Typus meldet sich ja schon längst vordem in den fünf Statuen
des olympischen Philippeions an. Der kleine Durchmesser (7,5 m) des pergamenischen
Baues entspricht ganz den Tholoi oder, wie wir nun wohl sicher sagen dürfen, den
Thymelai von Delphi und Argos und dem «Augusteion» von Athen.

Wie mir scheint, ist aber'die Stelle dieses pergamenischen Rundbaues und sind
auch Reste von ihm bereits bekannt. Es ist der von Bohn, Pergamon II, Taf. 39, ver-
öffentlichte und irrtümlich als Basis einer kolossalen Kaiserstatue rekonstruierte (Taf. 41)

1 Auch im Musenheiligtum am Helikon wird es ähnlich gewesen sein, wo nach der Inschrift CIG
1585 der -o'.fjTYjc s!; töv abiov.pazopa ebenso wie der Dichter des besten moif][j.a ei? ra? Moizaq mit Preisen
belohnt wurde. Vergl. auch die von Fränckel a. a. 0., S. 263 herangezogenen Hymnoden der Kaiserkulte in
Smyrna und Ephesos. — 2 Die eigentliche Kultstatue stand, später wenigstens, sicher in den großen, durch die
Münzbilder verschiedentlich als rechteckige Normalbauten bezeugten Peripteraltempeln oder Pseudoperipteren.
 
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