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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Ermers, Max: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Architekten Raffael
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0150

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136 Max Ermers.

überdies, wenigstens teilweise, nicht nach seinen Aufzeichnungen, sondern nach Stichen
oder sonstigen Reproduktionen beschreibt. In der Vita di Braraante lesen wir1: «Insegnö
molte cose d'architettura a Raffaello e cosi gli ordino i casamenti che poi tirö di prospettiva
nella Camera del Papa, dov'e il monte Parnasso, nella quäle camera Raffaello ritrasse
Bramante che misura con certe seste». Dies hat alle Forscher fast ausnahmslos veran-
laßt, speziell die Plalle von Athen Bramante zuzuschreiben, obwohl eigentlich Vasari
gerade von diesem Bauwerke an keiner Stelle der Vita di Bramante schreibt. So schreibt
Müntz ungescheut2: «Non content de Imitier aux secrets de l'architecture, il traca pour
lui, au moment de l'execution de l'Ecole d'Athenes, le plan de l'admirable portique qui
encadre la scene». Jakob Burckhardt3 sagt mit ganz präzisen Worten: «nach einer
Skizze des Bramante». Growe und Cavalcaselle gehen noch weiter und schreiben sogar4:
«von ihm (Bramante) erhielt er die herrlichen Zeichnungen für die «Schule von Athen»
und den «Heliodorus». So oder ähnlich schreiben fast alle Kunsthistoriker.

Einzig v. Geymüller hat es in seinem Raffaelbuche gewagt, die Architektur für
Raffael zurückzugewinnen und Bramantes Anteil auf gewisse Ratschläge zu beschränken.5
In einer kleinen Schrift, die vorher erschienen warG, hatte er noch an Bramante als
Urheber festgehalten. Doch als Springer in seiner Arbeit über die Schule von Athen
die Architekturskizze eines unbekannten Zeichners aus der Sammlung der Oxforder
Universität publizierte, kehrte v. Geymüller — der Springers Aufsatz während der Aus-
arbeitung seines Raffaelbuches zu Gesicht bekommen hatte — zu seinem alten Stand-
punkte zurück und beharrt nun um so fester auf der Urheberschaft Bramantes, dem er
diese Skizze mit den unzweideutigen AVorten zuweist7: «Sono dunque il primo a resti-
tuirlo a Bramante, ma sono certissimo di tale origine». Eine derartige Bestimmtheit
hei einem so gewissenhaften Forscher, wie es Geymüller ist, fordert zur erneuten Prüfung
des gesamten, allerdings sehr geringen Tatsachenmateriales heraus.

Die Angaben Vasaris sind häufig sehr ungenau; diesmal um so verdächtiger, weil
er die beschriebenen Objekte schlecht zu kennen scheint. So läßt er auf der Disputa
die heiligen Doktoren die Messe lesen; auf dem Parnaß eine Menge nackter Putten,
in der Luft schwebend, Lorbeerzweige pflücken, Kränze flechten und verstreuen; auf
der Schule von Athen geschriebene Tafeln der Astrologen durch Engel den Evangelisten
zur Erklärung senden usw. Trotz dieser fehlerhaften Beschreibung nennt er in dieser
Vita di Raffaello Bramante nicht als Mitarbeiter am Werke. Klar und deutlich sagt er
von Raffael: «Adorno ancora quest'opera di una prospettiva e di molte figure . . . .»
Wäre es möglich gewesen, bei einer so offenkundigen Urheberschaft den eigentlichen
Schöpfer unerwähnt zu lassen?

Wie kommt aber Vasari dann gerade in der Vita di Bramante dazu, diesem die
Anordnung der «casamenti» in den Fresken zuzuschreiben, die dann Raffael in die per-
spektivische Darstellung übertragen haben soll (. . . tirö di prospettiva . . .)? Hatte er
irgendeinen Beweis oder ein Dokument dafür in Händen?

1 In der Vita di Raffaello, wo die Schule von Athen ausführlich beschrieben wird, weiß er von
Bramantes Mitarbeiterschaft nichts zu berichten; merkwürdig genug.

2 Raphael, 1900, pag. 173. Auf Seite 324 schreibt er abweichend bloß «le dessin».

3 Geschichte der Renaissance, 4. Aufl., pag. 49. — 4 Raphael, Bd. II, pag. 197.
5 Raffaello Sanzio studiato come architetto, 1884, pag. 45.

11 Trois dessins d'Arcbitecture de Raphael. Paris 1870, pag. 12. — 7 Raffaello etc., pag. 108.
 
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