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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0201

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187

So aber vollzieht sich jener folgenreiche Vorgang in heller Deutlichkeit: ein Italiener,
der gezwungen ist, mit dem Material und den Bauleuten des Holzkupfersystems zu
arbeiten, entwickelt innerhalb dieser Bedingungen die in der Bauweise seines Landes
vorliegenden und teilweise schon ausgebildeten Möglichkeiten zu Schöpfungen, die dem
Formgedanken und dem Baustoffe gleicherweise Rechnung tragen.

Dieser Zusammenhang beruht so sicher in sich selbst, daß es zu seiner Verdeut-
lichung einer mathematisch aufgereihten Typenfolge, die sich bei genauerer Kenntnis
der italienischen Denkmäler vielleicht gewinnen lassen wird, kaum bedarf.

Dennoch sieht sich Lutsch gerade angesichts der Brieger Türme zu Ausführungen
veranlaßt, die großes Erstaunen hervorrufen würden, wenn sie sich nicht mit einem
alten kunstgeschichtlichen Vor-
urteile deckten: er meint in die-
sen Turmformen holländischen
Einfluß spüren zu müssen.1

Der italienische Ursprung
der Brieger Turmformen liegt so
handgreiflich nahe, daß sehr
sichere und schwerwiegende
Gründe erfordert werden, um die
Behauptung ihres niederlän-
dischen Ursprungs annehmbar
zu machen. Welcher Art sind
aber die Gründe, die Lutsch zu
diesem Zwecke vorbringt?

Zunächst setzt er die For-
men dieser Türme in> Gegensatz
zu denen der älteren, z, B. des
südlichen Kreuzkirchenturmes in
Breslau, des Ratsturmes in Neiße,
des Dachreiters, der Kreuzkapelle
am heiligen Grabe zu Görlitz. Dies
sind einfache spitze Kupferpyra-
miden nach gotischer Bauweise. Abbildung 7. Rathaus in Brieg.
Der Helm von Neiße zeigt, wie

schon erwähnt, den Versuch einer Durchsicht. — Daß also in den Brieger Türmen ein
Novum vorliegt, bedarf keiner umständlichen Aussage. Doch könnte ein solches eben-
sogut, oder vielmehr weit eher auf Rechnung der Italiener als der Niederländer kom-
men. Gab es ein solches Novum doch schon 1534 an einem Breslauer Turme! Man
müßte also auch dafür Niederländer verantwortlich machen.

Ferner heißt es, niederländischer Einfluß auf das Brieger Rathaus stehe literarisch
fest. Leider gibt Lutsch nicht an, worin diese literarische Feststellung beruht. Es
sei denn, daß er damit auf eine Brieger Ratsrechnung von 1567 hindeutet, die Beträge
für Zeichnungen des seit 1561 im Bau befindlichen Antwerpener Rathauses aufführt.
Man nimmt an, daß diese Zeichnungen eingefordert wurden, um sie möglicherweise

1 Wegw., Sp. 177.

Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. 24
 
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