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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 8
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Schwindrazheim, Oskar: Der äußere Schmuck des Sylter Bauernhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0069

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8

Charakter der Friesen vortrefflich entsprechende, die Symmetrie
bevorzugende Sinn zeigt sich auch in der Anlage der Türen
und Fenster des Wirtschaftsgebäudes. Selbst sonst ganz
schmucklose Häuslein üben auf diese einfache Weise eine an-
mutige, echt künstlerische Wirkung aus (s. Abb. 5).
Die meisten Häuser erfreuen sich aber noch andern
Schmuckes durch besondere Ausbildung von Tür und Fenster
oder durch besondere Zierstücke.
Fachwerk kommt, wie gesagt, nie vor; das Haus ist ein
reiner, weißgefugter, sauberer Backsteinbau. Die fast einzige
Stelle, an welcher etwas von der inneren Holzkonstruktion auch
äußerlich zu Tage tritt, finden wir am Quergiebel (s. Abb. 1,2;
5,2,3; 6,1). Da sehen wir vereinzelt hart an der Dachkante
oder höher am Rande der Dachschrägung einen hölzernen
Fleck in dem Mauerwerk, stets durch Farbe hervorgehoben:
die Enden der beiden großen Balken, die das Haus der Länge
nach durchziehen. Auch am Ziergiebel kommt’s vor (Abb. 7, e).
Außer roten Backsteinen sind vereinzelt andersfarbene
als Schmuck verwendet: schwarzgebrannte, weiß oder grün
gestrichene, in den Entlastungsbögen über Türen und Fenstern,
schwarze, hie und da in Mustern angeordnet im Mauerwerk
verteilt (Abb. 6,1) — ein besonders nettes Haus in Kämpen ist
völlig aus regelmäßig abwechselnden roten und gelben Ziegeln
aufgemauert, und zwar so, daß die Umrahmung der Tür u. dgl.
nur rote Steine enthält. Lustig farbig wirken außerdem die
grünen Türen und Luken, das weiß und grün bemalte Holz-
werk der Fenster, die schwarzen Maueranker u. a. Das Dach
ist aus Schilf hergestellt, den First krönt ein Wulst von Heide-
krautbülten, die durch eingesteckte Stäbe festgehalten sind. An
den Giebelenden ergeben diese Bülten mit ihren Stäben eine
charakteristische Form.
Der größte, nur selten weggelassene Lieblingsschmuck des
Sylter Hauses ist der Ziergiebel über der Haupteingangstür.



Fig. 7. Sylter Ziergiebel.
1. Spitzer Giebel (Alt Westerland), 1795. 2. Die ganze Mittelgruppe springt vor (Weddingstedt).
3. Spitze eines Giebels mit Beschlag (Braderup). 4. Breiter Giebel (Morsum). 5. Giebel mit Wohn-
raum (Keitum), 1786. 6. Mittelschlanker Giebel (Braderup). Tür mit Windfang (dessen Sonder¬
türflügel abgenommen ist). 7. Gerundeter Giebel (Braderup) .


Fig. 6. Ziegelmosaik und verzierte Tür- und
Fensterkrönungen.
1. Ziegelmosäik (Morsum). 2. Reichgeschmückte
Fenster (Tinnum). 5. 6. Details dazu (innere
Steinreihen schwarz und weifs, äufsere dunkelrot
und gelb). 3. Türkrönung (Tinnum). Äufserste
Reihe grün; mittlere — vorspringend — weifs;
innere schwarz und weifs. 4. Einfache Fenster-
krönung, rot-weifs. 7. Fries mit vorspringenden
Steinen (Tinnum).


Seine schönste, typischste Form ist außerordentlich schlank
und spitz (Abb. 7,1), bis zur vollen Dachhöhe aufsteigend
ob es auch die älteste Form ist? Mir scheint der in Abb. 7, <
abgebildete breitere Giebel älter, ich möchte vermuten, daß die
spitzere Form infolge Höherwerdens des Daches aus ihm ent-
standen ist. Jünger ist die in Abb. 7,5 abgebildete Giebelform,
bedingt durch die Anlage einer Stube im Oberstock, für welche
die schlanke Form nicht Raum genug hergibt. Ebenfalls jünger
ist die gerundete Form Abb. 7,7. Eine, wie ich glaube, nur
vereinzelt als Wohnhausgiebel vorkommende allerliebste Form
zeigt Abb. 8,1. Wir sehen da einen Giebel ohne Mauerwerk;
die Bodentür setzt dicht auf die Haustür auf, und dicht an
die umrahmenden Pfosten schließt sich das Dach des so ent-
standenen Erkerchens, nach oben zu sich verjüngend, leicht
gerundet, am Vorderrande seines senkrechten Abfalls in vier
Stufen zugestutzt. Es ist eine Form, die am Wirtschaftsteil des
Hauses, über Scheunen- und Stalltüren, allerdings niedriger und
breiter, vielfach vorkommt. Ob wir in dieser Form vielleicht
die allerälteste Giebelform vor uns haben? Es kommt ja viel-
fach vor, daß in ländlichen Nebengebäuden, an deren besserer
Bauart und schönerer, insbesondere städtischer Ausstattung der
Bauer kein Interesse hatte, ältere Formen auf uns gekommen
sind. Die junge, halbkreisförmige Giebelform Abb. 7, 7 könnte
man dann als eine Art Rückschlag ansehen; sie kommt, wie
Abb. 5,4 zeigt, auch an Nebengebäuden vor. Die Abstufung
(Abb. 8,1) ist bei aller Einfachheit eine ganz reizende, malerische,
immer wiederkehrende Form (es kommen eine bis vier Stufen
vor). Sie ist, deucht mir, eines der köstlichsten Beispiele für die
bewunderungswürdige Eigenschaft des Volkes, mit den einfach-
sten Mitteln aus einer Notwendigkeit einen Schmuck zu gestalten.
Der Giebel ist wie das ganze Haus aus Backsteinen auf-
gemauert (Abb. 8,1 ist, wie gesagt, eine Ausnahme); einige-
mal indes sind Giebelbretter verwendet, grün gemalt, in einem
besonders hübschen Beispiel, an einem besonders schlanken
Giebel, oben durch einen netten Eisenbeschlag verbunden
(Abb. 7,3).
Das Mauerwerk ist meist von unten bis oben gleichmäßig
einfach, doch kommen vereinzelt schwarze Steine, in bestimm-
tem Muster eingelegt, vor (s. Abb. 7,2). Der prunkvollste aller
Giebel ziert ein
sonst schlichtes
Haus in Morsum
von 1741 (Abb. 9).
Das Unterge¬
schoß ist höchst
einfach. Überder
ebenfalls einfach¬
sten grünen Tür
prangt der außer¬
ordentlich breite,
aus schwarzen


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