Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

DOI issue:
Heft 3
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0053
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

2.

Narr.

Autorrechte Vorbehalten.




Bnldnin Möllhanscn.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 55)

Ms höheren Regionen.
Roman
von
Adolph Ttrerkfnß.
(Farhchnng.) ^«chdrnck verboten.)
n der großen, etwas düsteren Weinstube, in
welcher im Hintergründe schon ein Paar
Gasflammen brannten, war in der frühen
Abendstunde noch keine zahlreiche Gesellschaft
versammelt, nur um den runden Stamm-
tisch hatten sich etwa sechs oder acht Herren
vereint, darunter ein höherer Offizier, sie begrüßten
den Major v. Ohlen mit einer gewissen
lustigen Kordialität, die sehr für ihre
gute Laune und für des Majors Beliebt-
heit, weniger aber dafür sprach, daß der-
selbe eine hervorragende Hochachtung bei
den Stammgästen genossen hätte.
> Mit einem vertraulichen Kopfnicken
erwiederte der Major den Gruß, aber
den ihm frei gemachten Platz an: runden
Tisch nahm er nicht an, er wollte ja
mit dem Vetter, den er lange nicht ge-
sehen hatte, ein Viertelstündchen allein
plaudern, deshalb führte er Ewald
v. Ogorin nach einem Tisch am Fenster,
dann befahl er dem Kellner, eine Flasche
von dem weißgesiegelten Rüdesheimer zu
bringen, und als nun der Wein in den
grünen Gläsern Perlte und er den ersten
Schluck genommen hatte, da schnalzte er
recht wonnig und seelenvergnügt mit der
Zunge: „Habe ich zu viel gesagt, Ewald?
Ist der Wein nicht wunderbar? — Ans
Dein Wohl, Ewald, und darauf, daß wir
immer gute Freunde und treue Vettern
bleiben, wenn wir auch Nebenbuhler
sind!"
„Nebenbuhler? — In wiefern sollten
wir es sein?" fragte der Hauptmann
verwundert.
Der Major lachte, die kleinen Pfiffigen
grauen Augen funkelten lustig unter den
mächtigen, überhängenden, rothbraunen
Augenbrauen hervor: „Du denkst an
irgend eine gluthäugige Schöne, Vetter
Ewald, und suchst vergeblich in Deinem
Gedächtniß, welche uns zu Nebenbuhlern
gemacht haben könne? So aber war
mein Wort nicht gemeint. Ich bin zwar
trotz meiner zweiundvierzig Jahre kein
übler Kerl und kann es am Ende noch
mit manchem jungen Fant aufnehmen;
aber mit Dir möchte ich doch nicht ver-
suchen, in den Kampf um die Liebe einer
Schönen einzutreten. Nebenbuhler sind
wir übrigens trotzdem, wenn nicht bei

Dings, vierzehn Mark, aber man spart das Geld bald
wieder, ist unverwüstlich und fast gar kein Tintenver-
brauch. In einem Jähr habe ich sechs Mark an
Tinte erspart."
„Wirklich ? Dann mußt Du ziemlich viel schreiben.
Ich habe mir vor zwei Jähren eine große Flasche
Tinte für drei Mark gekauft und habe bis jetzt kaum
die Hälfte verbraucht; nur würde es daher schwer
werden, sechs Mark im Jahr für Tinte zu ersparen."
Der Major schaute den Vetter etwas verblüfft an.
„Merkwürdig!" sagte er; er verfolgte den Gegenstand
des Gesprächs nicht weiter, sondern schrieb rasch mit
seiner sparsamen Patentfeder die Postkarte. „Das wäre
gemacht," fuhr er fort, die Karte einsteckend, nachdem
sie beschriehen war, „nun gebe nur der gütige Himmel,
daß ich sie nicht vier Wochen in der Tasche mit mir
Herumtrage, wie mir einmal mit einen:
Brief Passirt ist. Es war eine verfluchte
Geschichte, kostete mich baare sünfmäl-
huuderttausend Thaler!"
„Eine anständige Summe!"
„Und doch der kleinste Verlust! Ich
liebte und wurde geliebt! Ich wußte
es, hatte aber als Ehrenmann kein Wort
von Liebe gesprochen, ehe ich nicht ent-
schlossen war, den Heirathsantrag zu
machen. Ein wunderschönes Mädchen!
Jung, liebenswürdig, geistreich und enorm
viel Geld, der Vater war oder vielmehr
ist ein Millionär. Ich könnte Dir deren
Namen nennen, aber ich bin zu diskret,
es ist mein Grundsatz, in Herzensange-
legenheiten die strengste Diskretion zu be-
obachten, selbst gegen Dich, meinen Vetter.
Nur einen Haken hatte die Sache, das
Mädchen war ein Engel, aber bürgerlich!
Ich bin nicht so aristokratisch stolz, wie
Du, aber eine Bürgerliche - -! Ich dachte
an meine Mutter, an die Tante Helene,
an das Zetergeschrei über eine Miß-
heirath und zögerte, meinen Antrag zu
machen. Aber ich liebte mit glühender
Leidenschaft, und eine halbe Million, das
ist doch auch ein Wort! So setzte ich
mich denn hin und schrieb den verhäng-
nißvollen Brief —"
„Mit der Patentfeder?"
„Nein, die besaß ich damals noch
nicht. Mit flammenden Worten gestand
ich meine Liebe, forderte ich das Jawort
der Geliebten. Meine ganze Seele ergoß
ich in wild poetischer Sprache. Es war
ein Liebesbrief, wie keiner noch jemals
geschrieben worden ist, er mußte hin-
reißen, bezaubern. Ich adressirte ihn
an die Geliebte und steckte ihn in die
Brusttasche , dann stürmte ich fort, um
ihn selbst in den Briefkasten zu werfen.
Unglücklicherweise muß mir gleich auf
der Straße ein guter Bekannter be-
gegnen, Graf Hallersee von den Husaren,

einer jungen, so bei einer alten Dame! Ich meine die
Tante Helene. Aber zum Kukuk, da fällt nur ein, ich
sollte ja für die Tante den Klavierstimmer bestellen. Hatte
das wahrhaftig ganz vergessen. Ich muß dem Menschen
nur rasch eine Postkarte schicken, die werfe ich nachher
in den Briefkasten, dann bekommt er sie morgen früh
und kann richtig um zehn Uhr bei der Tante sein. Sie
würde es mir nicht vergeben, wenn ich die Bestellung
vergessen hätte. Entschuldige mich einen Moment, die
Karte ist gleich geschrieben, alles Material trage ich
stets bei mir, man muß lernen, Praktisch zu sein! Hier
die Karten und hier die Feder! Eine famose, Patentirte
amerikanische Erfindung. Goldfeder mit Jridiumspitzc!
Im Innern die Tinte. Ich klopfe ein wenig mit der Feder
auf die Hand, dann tritt die Tinte vor und nun kann
das Schreiben losgehen. Famos! Theuer ist das
 
Annotationen