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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0310
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Ans hölMtn Legionen.

Eeneralkonsill A. v. Braunschweig.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 319)

dann, Wenn ich einmal allein zu Hause bin.
Stunden des Glückes verdanke ich dem
herrlichen Manne! Wie er versteht es
Niemand, den Unglücklichen Trost einzu-
sprechen. Er hat ein Herz voll Liebe und
Güte. Gestern Morgen war er bei mir,
er traf mich allein in Thräncn. Gerhardt
war ausgegangen, nachdem er wieder eine
fürchterliche Scene gemacht hatte. Wo-
rüber? lieber ein Nichts! Ein Offizier
war drei Tage hintereinander zur selben
Zeit an unserem Hause vorübergegangen,
Gerhardt behauptete, nur um mich zu
sehen, ich hätte ein geheimes Einverständniß
mit dem jungen Manne, den ich gar nicht
kenne, den ich vorher nie gesehen habe. Er
war so wüthend geworden, daß ich fürchtete,
er werde mich schlagen; endlich war er
fortgelaufen, da kam der Professor und
seine Worte gaben mir wieder Trost und
Muth zum Leben. Ach ja, er ist ein herr-
licher Mann! Er weiß nicht nur geistigen
Trost zu spenden, sondern er ist auch
materiell ein Helfer vieler Armen und
Elenden. Ich weiß es, wie selbstlos er
handelt, wie er weit über seine Kräfte
hinaus Jedem hilft, der in Noth ist.
Gestern erst, ich sollte es Ihnen eigentlich
nicht sagen, aber Sie müssen wissen, wie
gut er ist, gestern erst wollte er sein letztes
Geld opfern, um einen Unglücklichen, einen
pensionirten Hauptmann, vor dem Selbst-
mord zu retten, und er hätte es gethan,
wenn ich es geduldet hätte."
Die Baronin horchte hoch auf. Hatte
sie nicht gestern gegen Abend dem Pro-
fessor tausend Mark gegeben, um den
Wechsel eines pensionirten Hauptmanns
cinzulösen? Am Morgen hatte er die
kleine Generalin besucht und ihr, dies ging
aus ihren Worten hervor, erzählt, daß
er den Unglücklichen vor dem Selbstmord
durch das Opfer seines letzten Geldes retten
Wolle, sie aber hatte es nicht geduldet.

Hatte die Generalin vielleicht ebenfalls ihm das Geld zur
Rettung des Unglücklichen gegeben? Das war ein häß-
licher Berdacht! Vor fünf Minuten noch würde sich die
Baronin geschämt haben, etwas Derartiges nur denken
zu können, jetzt aber wies sie den in ihr aufsteigenden
Zweifel nicht unwillig zurück. „Erzählen Sie mir doch
etwas Näheres darüber, Excellenz," sagte sie mit be-
bender Stimme.
„Ich will es Ihnen erzählen, obgleich er-mir zür-
nen würde, wenn er horte, daß ich von seinem Edel-
niuthe spreche, denn er liebt es, ini Stillen seine
Wohlthaten zu spenden. Er hat einen Bekannten, einen
alten pensionirten Offizier, einen Mann von untadel-
haster Ehre, der aber das Unglück hat, einen leicht-
fertigen Sohn zu besitzen. Auf einen Ehrenschein hatte
der junge Mann sich tausend Mark geborgt, als er sie
nicht zurückzahlen konnte, mußte der Vater, um den
Sohn vor Entehrung zu retten, einen Wechsel uuter-

R oman
von
Adolph Etreckftttz.
(Formung.) p-rboun.)
it Recht verehren Sie den Professor Mond-
berger, Frau Baronin," sagte die kleine
Generalin in warmem Tone. „Ohne ihn
wäre ich längst verzweifelt! Es ist ein
Glück für mich, daß auch Gerhardt für
ihn die höchste Verehrung fühlt. Der
Professor ist der einzige Mensch, zu welchem er Ver-
trauen hat, dem er gestattet, uns zu besuchen, selbst
O, welche

zeichnen. Gestern war der Zahlungstag, der Unglück-
liche hatte trotz aller Sparsamkeit das Geld zur Zah-
lung nicht zusammenbringen können. In seiner Ver-
zweiflung wollte er sich das Leben nehmen, und er
hätte es gethan, wenn ihm nicht der Professor ver-
sprochen hätte, ihm das Geld zu verschaffen. Ja,
gnädige Frau, das hat der Professor versprochen,^ ob-
gleich er sich selbst, in schwerer Geldverlegenheit befand,
denn eine von ihm aus New-Aork erwartete Geld-
sendung ist ausgeblieben. Er hat es versprochen und
um sein Wort' zu halten, wollte er nicht nur sein letz-
tes Geld, etwa fünfhundert Mark, hingebcn, sondern
auch einen Theil seiner werthvollen Bücher verkaufen,
um den Rest zu beschaffen."
„Sie sagten vorhin, Sie hätten es nicht geduldet,
daß er sich opfere!"
„Natürlich habe ich es nicht geduldet. Glauben Sie,
daß ich ein Herz von Stein habe? Was nützt mir
das viele Geld, welches mir Gerhardt
gibt, ich kann es ja zu nichts gebrauchen!
Die blitzenden Zwanzigmarkstücke würden
todt im Kasten liegen, wenn nicht der
gute Professor mir mitunter die Gelegen-
heit böte, sie nutzbringend zu verwenden.
Natürlich habe ich ihm die tausend Mark
gegeben; er Wollte sie nicht nehmen, höch-
stens fünfhundert, denn fünfhundert Mark
könne er selbst auftreiben, aber das habe
ich nicht gelitten und ihn gezwungen, die
ganzen tausend Mark zu nehmen."
„Gestern Vormittag geschah dies? War
Excellenz, Ihr Herr Gemahl, schon wieder
zurückgekehrt, als Sie Mondberger das
Geld gaben?"
„Nein; nachdem ich dem Professor die
tausend Mark gegeben hatte, verließ er mich.
Er hat das Geld seinem Freund gebracht und
ihm gesagt, eine edle Wohlthäterin sende
es ihm; das hat er mir gestern Abend
zugeflüstert."
Die schmucklose Erzählung der Gene-
ralin zerstörte jeden Zweifel, den die Ba-
ronin noch hegen konnte. Der Professor
hatte sie b.elogen und betrogen, vielleicht
sie und die junge Frau zugleich! Viel-
leicht existirte der unglückliche Hauptmann,
für den er doppelt die Summe von tausend
Mark angenommen hatte, überhaupt nicht,
jedenfalls hatte er am Abend gelogen, da
die Schuld schon gedeckt sein mußte. Der
Mann, den sie hochgeachtet, ja verehrt
hatte, war ein Lügner, ein Schwindler,
der elende tausend Mark sich durch einen
Betrug ergaunert hatte!
Und den Worten dieses Menschen hatte
die Baronin gläubig gelauscht, seine Lehren
hatte sie mit Inbrunst in sich ausgenommen!
Wie tief empört war sie gewesen, als ihn
einst der Geheimrath einen Abenteurer und
Schwindler genannt hatte, und nun? Wie
glücklich hatte sie sich gefühlt in dem
 
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