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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0171
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Gri-

at

Pnul Granicr de Cassagnac.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 174)

Ich las, und ein Schwindel ergriff in ich.
moald Mondberger stand da in großen und schonen
Buchstaben auf dem von Fanny's Hand beschriebenen
Papier. Grimoald Mondberger, der Name meines
verstorbenen Vaters. Nie hatte ich, so lange ich denken
konnte, den ungewöhnlichen Vornamen meines Vaters
ausgesprochen, außer mir kannte ihn sicherlich Niemand
in Amerika, vielleicht überhaupt kein lebender Mensch.
Wie konnte die kleine Vierzehnjährige gerade auf diesen
Namen kommen, den sie wohl kaum jemals gehört
hatte? Und wenn selbst Air. Wood das Klopfen ver-
anlaßt hatte, wie war es möglich, daß er den Namen
Grimoald wußte? War dies Zufall? Das war un-
möglich ! War's Betrug? Ich konnte mir die Frage
nicht beantworten. Ehe ich noch recht zur Besinnung
kommen konnte, fragte Mr. Wood schon weiter:
„Will der Geist mit uns in Verbindung treten?"

Mit großer Schnelligkeit flog der Stift über das
Alphabet, Fanny hatte Muhe, mit dem Aufschreiben
der bezeichneten Buchstaben zu folgen, es war ein
längerer Saß, den sie niederschrieb, jetzt aber war er
beendet und Mr. Wood nahm das Papier, um ihn zu
lesen. Er buchstabirte und schüttelte den Kopf, er
buchstabirte wieder, aber wieder vergeblich.
„Da kann ich keinen Sinn heraus finden," sagte er
endlich unmuthig, „Ellen ist zu hastig gewesen, da hat
Fanny mit dem Schreiben nicht nachkommen können;
die schwere, an harte Arbeit gewöhnte Hand kann eben
die Buchstaben nicht so kunstfertig und schnell malen.
Aber vielleicht gelingt es Ihnen, Mr. Mondberger, die
Krakelfüße zu lesen, Sie sind ja ein Gelehrter."
Er übergab mir das Papier, und wahrlich, mir ge-
lang es schon beim ersten Blick, Silben und Worte
aus den flüchtig und schlecht geschriebenen Buchstaben
zusammen zu stellen, zugleich aber wurde
mir auch klar, weshalb Mr. Wood es
nicht vermocht hatte. Es waren deutsche
Worte, welche auf dem Papier standen.
Weder Mr. Wood noch irgend eines seiner
Familienmitglieder verstand Deutsch, in
der ganzen Nachbarschaft wohnte nicht ein
einziger Deutscher, und doch stand aus dem
Papier ein deutscher Satz. Die Worte
waren nicht richtig geschrieben, Fanny
hatte dem Stift nicht schnell genug folgen
können, und manche Buchstaben verwechselt,
der Sinn aber war dennoch klar und
verständlich.
„Rein. Mit Euch will ich nicht sprechen,
Wohl aber mit meinem Sohne!"
So lautete der Satz, ich las ihn mit
tonloser Stimme. Ich war starr vor Stau-
nen, ich wußte nicht, was ich denken sollte.
„Das verstehe ich nicht. Dem Laute
nach ist das wohl Deutsch. Uebersetzen
Sie es mir, Mr. Mondberger," sagte
Mr. Wood. „Dann wollen wir fort-
fahren, aber Sie selbst müssen dann fragen;
ein Geist, der in einer fremden Sprache
antwortet, hört es gern, wenn er auch in
dieser Sprache gefragt wird und von uns
versteht Niemand Deutsch."
Gerade die letzten Worte, so ruhig
und treuherzig sie gesprochen waren, er-
regten meinen Verdacht. Woher wußte er,
daß der von mir verlesene Satz deutsch
war, wenn er die deutsche Sprache nicht
verstand? Weshalb versicherte er noch
einmal, was ich ohnehin schon wußte?
Er wollte mich sicher machen. Ich war
das Opfer eines schamlosen Betruges. Er
verstand Deutsch, ohne daß ich es wußte.
.Dieser scheinbar so einfache und redliche
Mann war ein raffinirter Betrüger, der
mich, den Mann der Wissenschaft, den
scharfblickenden Physiker, wirklich für
einen Augenblick zu täuschen vermocht
hatte.

Ans höheren Regionen.
Roma n
von
Adolph Streckfrch.
(Fortsetzung.) .
(Nachdruck verboten.)
einer der Anwesenden den Geist ge-
kannt?" fragte der alte Wood weiter.
Sofort erfolgte ein zweimaliges starkes
Klopfen.
„Wer?"
Die kleine Ellen setzte sich in Bereitschaft, sie fuhr
mit dem Bleistift über den Bogen des Alphabets, so-
bald die Spitze den Buchstaben E erreichte, ließ sich das
Klopfen hören. Fanny notirte das E, dann
ging der Bleistift wieder über das ganze
Alphabet fort und fing bei A wieder an,
erst beim D erfolgte wieder das Klopfen.
So wurde Buchstabe nach Buchstabe schnell
ermittelt und notirt, und erst als einmal
der Stift über das ganze Alphabet fort-
gelaufen war, ohne daß ein Klopfen er-
folgt wäre, war die Antwort vollendet,
sie hatte vielleicht eine Minute Zeit in
Anspruch genommen.
„Laß sehen, Fanny," sagte Mr. Wood.
Er nahm das Papier und las langsam buch-
stabirend: „E—du—ard Mond—ber—ger.
Ihr Name, Herr Mondberger! Mit Ihnen
will der Geist sprechen. Ich ahnte es!"
Ich ahnte es ebenfalls. Ich hatte den
Namen errathen, ehe ihn Mr. Wood
aussprach. Ich mußte lächeln, der Be-
trug war doch zu plump. Zwar wußte
ich nicht, wie das Klopfen entstanden sein
konnte, ich hatte alle Hände genau beob-
achtet, hatte unter den Tisch geschaut und
die Füße genau betrachtet, aber weder die
einen noch die anderen waren beim Klopfen
thätig gewesen, wenigstens so weit ich es
sehen konnte. Trotzdem war ich überzeugt,
daß der Ton von irgend einem der An-
wesenden ausgehe, und daß dieser einen
ihm bekannten Namen gewählt habe, um
ihn durch das sogenannte Geisterklopfen
auf das Papier zu bringen.
„Welchen Namen hat der Geist im
Leben geführt?" fragte Mr. Wood weiter.
Ellen fuhr wieder mit dem Stift mit
noch größerer Schnelligkeit als vorher über
das Papier, so lange, bis kein Buchstabe
mehr durch das Klopfen bezeichnet wurde,
dann versuchte Mr. Wood die Antwort
herauszubuchstäbiren. „Solchen Namen
kenne ich nicht und kann ihn nicht aus-
sprechen," sagte er nach einem vergeblichen
Versuche mir das Papier überreichend.
„Lesen Sie selbst, Mr. Mondberger."
 
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