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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0240
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Aus höheren Kegiontu.
R o m a n
Von
Sldolph Streckfnsr.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
ie führen eine sehr kühne Sprache, Herr
Fritz Müller," sagte Professor Mondberger
ruhig. „Ihr hochgesteigertes Selbstbewußt-
sein möchte Sie aber doch irre führen.
Ich muß Ihnen zugeben, daß es thöricht
von mir war, Ihnen Waffen gegen mich in die Hand zu
geben, die mich jetzt allerdings hindern, meine Drohung
zu erfüllen und Ihren Wechsel den: Staatsanwalt zu
übergeben, die Sie aber nicht ge-
brauchen können, ohne sich selbst zu
vernichten, und die deshalb für mich
ungefährlich sind. Ich werde Ihre
unverschämte Forderung nicht erfüllen."
„Sie werden es doch thun, mein
verehrter Herr Professor! Ihr Vor-
theil wird Sie dazu zwingen. Sie haben
mich als ein vortreffliches, hochbegabtes
Medium in das Haus der Frau Ba-
ronin Merzbach eingeführt, und ich
habe meine Probe heute zur vollsten
Zufriedenheit der Damen und Seiner
Excellenz des Herrn Generallieutenants
abgelegt. Sie erinnern sich Wohl, daß
die Frau Baronin mir mehr glaubte,
als Ihnen, daß sie Ihre Verdächtigung
meiner wunderbaren Geisteroffenbarung
mit scharfen Worten zurückwies. Ich
werde von dem Vertrauen, welches ich
mir durch meine Leistung erworben habe,
den ausgiebigsten Gebrauch machen,
entweder zu Ihrem und meinem Vor-
theil als Ihr treuer Kompagnon, oder,
wenn Sie mich zu meinem großen Be-
dauern dazu zwingen sollten, auf meine
eigene alleinige Rechnung als Ihr Kon-
kurrent, den Sie nicht diskreditiren
dürfen, ohne sich selbst den Kredit äb-
zuschneiden. Es wäre Schade, wenn
wir nicht zusammen arbeiten könnten,
denn vereinte Kraft ist zehnfache Kraft."
„Ein Kompagnon, der meinen In-
tentionen entgegenarbeitet und dadurch
meine Pläne stört, wie Sie es heute
gethau haben, schadet mir mehr, als
er mir nützen kann. Sie hatten den
Auftrag, in der Seele der Baronin
Mißtrauen gegen Fräulein Helene zu
erwecken, ohne direkt den Namen zu
gebrauchen, und gerade das Gegentheil
haben Sie gethan!"
„Richtig, Herr Professor, die Schuld
aber kragen Sie allein. Hätten Sie

mir volles Vertrauen erwiesen, mich eiugeweiht in
Ihre Pläne, statt mich als blindes Werkzeug be-
nutzen zu wollen, Hütten Sie mir gesagt, niein
Interesse gebietet mir, gegen den Neffen der Ba-
ronin, den Hauptmann v. Ogorin, zu arbeiten, die
Erbschaft der alten Dame deren zweitem Neffen, dem
Major v. Olsten, ungetheilt zuzuwenden, zu diesem
Zwecke müssen alle ihm entgegenstehenden Hindernisse
aus dem Wege geräumt werden, und zu diesen Hin-
dernissen gehört auch die Pflegetochter der Baronin,
jenes unbekannte junge Mädchen — hätten Sie dies Alles
mir gesagt, dann würde ich als Ihr treuer Freund
und Kompagnon Ihnen erwiedert haben: ,Herr Pro-
fessor, hier gehen unsere Interessen auseinander, wir
müssen daher versuchen, sie zu vereinigen und Ihren
Plan zu modisiziren/ Diese Antwort konnte ich Ihnen
nicht geben, da Sie mich nicht gefragt haben, ich mußte

vr. Gustav Nachtigal.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 247)

für meine eigene Hand arbeiten und habe dies ge-
than, wie es für mein eigenes Interesse erforderlich
war."
„Ihr eigenes Interesse? Was geht Sie das junge
Mädchen an?"
„Es war unvorsichtig von Ihnen, Herr Professor,
daß Sie über dieses junge Mädchen, gegen welches
Sie intriguiren wollen, nicht vorher die genauesten
Erkundigungen eingezogen haben, Sie würden dann mit
Leichtigkeit in Erfahrung gebracht haben, daß Fräu-
lein Helene Müller meine leibliche Schwester ist."
Der Professor konnte bei dieser unerwarteten Mit-
theilung einen Ausruf der Ueberraschung nicht unter-
drücken.
„Sie sehen, verehrter Herr Professor, ich bin ganz
aufrichtig gegen Sie, ich bin es um so lieber, da Sie
zweifellos morgen oder übermorgen auch ohne meine
Mittheilung erfahren hätten, in wel-
chem verwandtschaftlichen Verhältniß
ich zu der Pflegetochter der Frau Ba-
ronin v. Merzbach stehe. Auch ich wußte
bis zum Eintritt in den Salon der
Baronin nicht mit voller Bestimmtheit,
daß ich meine Schwester dort finden
würde. Es gibt ja Hunderte von jungen
Damen, die Helene Müller heißen.
Wie hätte ich auf den Gedanken kommen
können, meine Schwester, die ich bei
ihrer Frau Seibel im Dachkämnrerchen
wohl aufgehoben wußte, sei die Pflege-
tochter der Frau Baronin? Nur durch
einen Zufall erhielt ich heute Morgen
eine Andeutung. Ich wollte meine
Schwester besuchen, fand aber die Woh-
nung der Frau Seibel verschlossen, es
war Niemand zu Haus; aber eine alte
Frau, die auf demselben Flur mit Frau
Seibel wohnt, kam, nachdem ich mehr-
mals vergeblich geklingelt und geklopft
hatte, aus ihrer Thüre und erzählte
mir, meine^Schwester sei vor einiger
Zeit von Frau Seibel fortgezogen,
sie habe eine Stelle als Gesellschafterin
bei einer sehr reichen alten Baronin
in der Potsdamerstraße angenommen.
Näheres über Namen und Wohnung der
Baronin wußte sie nicht, aber schon
diese ungenaue Mittheilung bereitete
mich vor, meine Schwester im Hause
der Baronin zu finden. Ich konnte mir
überlegen, was ich thun würde, wenn
meine Ahnung sich bewahrheiten sollte.
Ich bin kein Tugendheld, das wissen
, Sie, Herr Professor, aber meine kleine
. Schwester, die immer herzlich gut gegen
mich gewesen ist, aus einer guten
Stellung zu vertreiben, sie zu ver-
dächtigen, ihr zu schaden, um dem
Herrn Professor Mondberger einen Ge-
fallen zu thun, das hätte ich doch nicht
über das Herz gebracht. Außerdem
 
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