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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0287
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Franz Nachvaur.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb, (l-

gegeben habe. Wenden Sie sich.an Ihren Bekannten,
den Kriminalkommissar v. Welser, theilen Sie ihm
mit, was Sie gesehen nnd in Erfahrung gebracht
haben, und fordern Sie ihn auf, energisch vorzugehen
gegen den Professor und die ganze nichtswürdige Spitz-
bnbenbande."
„Auch gegen den Bruder des Fräulein Helene?"
„Ah bah! Natürlich auch gegen Herrn Fritz
Müller. Es ist Zeit, daß das arme Kind von diesem
Schufte befreit wird."
„Ob Fräulein Helene gewünscht hat, daß ich soweit
gehe, weiß ich doch nicht. Es würde sie gewiß tief
schmerzen, wenn ihr Bruder, ihr einziger Bruder, von
einer entehrenden Strafe getroffen, als gemeiner Ver-
brecher entlarvt würde."
„Kümmern Sie sich darum nicht! Den augen-
blicklichen Schmerz muß sie ertragen. Uebrigens wissen

verdient. Woher aber wissen Sie dies bereits?
kommen Sie zu dieser Frage nach den
Papieren, die Sie jedenfalls so schnell
wieder zu mir geführt hat?"
Ewald erzählte, was er gesehen hatte.
Der Geheimrath hörte ihm mit immer
ernster werdendem Gesichte zu.
„Das ist eine merkwürdige Entdeckung,
die wir den: gütigen Zufall danken,"
sagte er endlich. „Jetzt wird mir der
innere Zusammenhang dieses, nichts-
würdigen Einbruchs klar! Der Herr
Professor Mondberger und sein Medium,
Herr Fritz Müller alias Baron Severin,
sind gefährlichere Schurken, als ich selbst
bisher geglaubt habe. Auf die Papiere
war es bei dem Einbruch abgesehen, das
Geld hat man nebenbei mitgenommen
und obenein die Belohnung, als sich
zeigte, daß die Papiere doch den Werth
nicht hatten, den ihnen der Herr Pro-
fessor zugetheilt haben mag! Der Herr
Professor hat jedenfalls geglaubt, in der
so sorgfältig verwahrten Mappe, deren
Aufbewahrungsort er wohl durch Zu-
fall erfahren haben mag, Werthpapiere,
Aktien, Staatsschuldscheine oder der-
gleichen , vielleicht auch geldeswerthe
andere Dokumente zu finden. Darin hat
er sich nun freilich getäuscht, aber da er
einmal einen solchen Streich gewagt hat,
wird er jedenfalls einen zweiten ver-
suchen, wenn ihm nicht das Handwerk
gelegt wird. Ich habe versprochen, keine
Nachforschungen zu halten nach Denen,
die mir die Papiere übersendet haben,
Sie aber haben ein solches Versprechen
nicht gegeben, Herr v. Ogorin! Es ist
die höchste Zeit, daß den Schuften das
Handwerk gelegt wird; dies zu bewirken,
ist Ihre Aufgabe. Sic müssen Ihre
Frau Tante retten vor dem Betrüger,
der so unwürdig ihr Vertrauen miß-
braucht. Ich wiederhole den Rath, den
ich Ihnen schon vor einer Viertelstunde

Aus höheren Regionen.
Roman
»um
Adolph Strcckfnß.
(Fortsetzung.) - „ , , ,
(Nachdruck Verbote».)
Ile Papiere sind richtig da, soweit ich es
wenigstens übersehen kann," erwiederte der
Geheimrath auf die Fragen Ewald's, nach-
dem er den Inhalt der Mappe durchgesehen
hatte. „Jedenfalls fehlt von den Schrift-
stücken, auf welche Ihre Frau Tante Werth
legt, nichts. Die Schufte haben sich ihre tausend Mark
" ' - ' ' ..? Wie

Sie denn gewiß, daß dieser Pseudobaron wirklich der
Bruder Helenens ist? Ich sage Ihnen, er ist es.nicht!"
„Aber Sie nannten ihn doch soeben erst Herr
Fritz Müller."
„So? Habe ich das gethan? Nun, mag er Müller
oder Schulze heißen, Helenens Bruder ist er nicht!
Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. -Nun aber fragen
Sie nicht weiter, ich habe keine Zeit mehr und kann
Ihnen nicht weiter antworten. Sie können jetzt, ganz
beruhigt Ihre Pflicht gegen Ihre alte Tante erfüllen
und erbarmungslos vorgehen gegen das ganze Gesindel
Mondberger, Müller und Compagnie!"
20.
In einem dürftig ausgestatteten Zimmer eines
Hauses in der äußersten Zone einer der ehemaligen
Vorstädte Berlins saß an dem in der Mitte des Ge-
maches stehenden Tisch, den Kopf auf die
beiden Hände gestützt, ein großer schwarz-
bärtiger Mann.
Er hatte lange regungslos, grübelnd
da gesessen, als er plötzlich den Kopf
erhob und aufhorchte; der finstere Aus-
druck seiner Züge verschwand, als er einen
leisen Seufzer hörte, er sprang auf und
auf den Fußspitzen ging er, vorsichtig
auch das geringste Geräusch vermeidend,
durch das Zimmer nach dem Bett, welches
im Hintergrund desselben stand. Er beugte
sich über das Bett und schaute die in
diesem liegende Kranke mit einem Blick
voll liebevoller Theilnahme an, er sehnte
sich nach einem Blick der Erwiederung,
aber das schöne, bleiche junge Mädchen
lag regungslos mit geschlossenen Augen,
nur die sich beim schnellen Athmen hebende
und senkende Brust zeigte, daß noch Leben
war in der starren Gestalt; die abge-
zehrten Hände, welche bewegungslos auf
der weißen Bettdecke lagen, glichen denen
einer Leiche.
Der Tod hatte bereits seinen Stempel
auf die weiße Stirne der Kranken ge-
drückt, ihre Stunden waren gezählt; der
Doktor hatte es am Morgen dem Vater
mit. dürren Worten gesagt, daß keine
Hoffnung mehr sei, daß die Kranke
schwerlich den Tag überleben werde.
Große Schonung für das Gefühl des
Vaters hatte er dabei nicht beobachtet,
er traute eben ein weiches Gefühl dem
übel berüchtigten Manne gar nicht zu,
in dessen Wohnung er nur ungern, nur
dem Gebote der Pflicht folgend, ge-
gangen war.
Da tönte Plötzlich das Läuten der
Klingel an das Ohr des. armen Vaters.
Er blickte erschreckt auf die Kranke, aber
diese regte sich nicht, das Klingeln hatte
sie nicht in ihrem Schlummer gestört.
Vorsichtig zog er seine Hand zurück, dann
 
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