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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0077
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Sie dürfen jetzt nicht krank


Johann Sverdrup, der neue norwegische Premierminister.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 79)

entgegnete die Generalin.
sein, Eduard, es ist vielleicht schon verhängnißvoll ge-
wesen, daß Sie acht Tage lang versäumt haben, Ihren
Einfluß auf Helene auszuüben; der meines bittersten
Feindes, des Gcheimraths, ist dadurch so gewachsen,
daß allen meinen Plänen die höchste Gefahr droht.
Der Geheimrath hat Helene überredet, sich eine Gesell-
schafterin in's Haus zu nehmen, und sie hat es gethan,
obgleich ich Alles aufgeboten habe, es zu verhindern."
„Ist dies das ganze Unglücks" fragte der Professor
lächelnd.
„Es ist groß genug. Jede fremde Person in He-
lenens Hause kann gefährlich werden, und nun gar
ein Schützling des Geheimraths! Doppelt gefährlich
aber ist dies junge Mädchen, weil Helene Plötzlich zu
ihr eine ganz merkwürdige, ganz unbegreifliche Zu-

Äns höheren Regionen.
Roman
von
Adolph Strcckfnß.
(Fortsetzung.) , . , , ,
(Nachdruck verboten.)
o recht," sagte Professor Mondberger, noch
einen zufriedenen Blick in den Spiegel
werfend, „so kann ich die Generalin V.OHlen
empfangen." Er hörte schon die Schritte
der Nahenden auf der Treppe draußen und
ging ihr bis zur Thüre entgegen.
„Welche angenehme Ueberraschung, gnädigste Frau,"
sagte er, mit einer tiefen Verbeugung
die Dame ehrfurchtsvoll begrüßend. Als
aber der Portier die Thüre geschlossen
hatte und ihn nicht mehr hören konnte,
änderte er den Ton, er nickte der Ge-
neralin vertraulich-freundlich zu. „In
der That, Sophie, das ist eine uner-
wartete Freude, die Sie mir machen,
indem Sie den armen Kranken besuchen.
Haben Sie Dank dafür."
„Sind Sie wirklich krank?" fragte
die Generalin, den Professor mit miß-
trauischem Blick, der endlich auf die ver-
bundene Hand sich richtete, betrachtend.
„Sie sehen es wohl, die abscheuliche
Gicht hat mich gepackt, aber es geht schon
besser, und ich hoffe, in einigen Tagen
werde ich wieder ausgehen dürfen."
„Also wirklich krank? Das ist fatal.
Gerade in diesem Augenblick fehlen Sie
mir. Ich bedarf Ihrer Hilfe. Sie
dürfen nicht krank sein!"
„Kann ich es ändern? Aber sehen
Sie sich, erzählen Sie mir, welche be-
sondere Veranlassung Sie zu mir führt,
denn ich sehe wohl, es ist nicht dieTheil-
nahme für meine Gesundheit, sondern
ein anderer Zweck."
Die Generalin nahm in einem Lehn-
sessel Platz, den der Professor mit der
linken Hand aus der Fensternische heran-
zog, er selbst setzte sich ihr gegenüber auf
den anderen Lehnsessel, den er vom Tisch
zurückzog. Er saß nun so, daß das
Licht der Hängelampe voll das Gesicht
der Dame beleuchtete, während sein eige-
nes Gesicht fast ganz im Schatten war.
„Was also führt Sie zu mir?" fuhr
der Professor, nachdem er sich bequem
zurecht gesetzt hatte, fort; „eine sehr wich-
tige Angelegenheit, sagte mir in Ihrem
Auftrage mein Portier. Was kann cs

„Sie können wohl errathen, daß die
Sache meine Schwägerin Helene betrifft,"

neigung gefaßt hat. Helene ist unberechenbar. Mit-
unter stolz, schroff, unnahbar; dann wieder mild, weich,
nachgiebig. Gegen Jeden, den sie liebt, ist sie weiches
Wachs, das hat sie meinem Bruder gegenüber bewie-
sen. Sie betete ihn an, und deshalb war sein Wille
für sie das höchste Gesetz und ist es noch heute. Ich
kann es nicht begreifen, aus welcher Veranlassung He-
lene so Plötzlich eine wunderbare Neigung für ihre
neue Gesellschafterin gefaßt hat; aber die Thatsachc ist
da, und wenn Sie mir nicht bald zu Hilfe kommen,
wird dies hergelaufene Geschöpf eine Macht über meine
Schwägerin gewinnen, die uns Beiden gefährlich wer-
den kann."
„Uns Beiden?" fragte der Professor. „Ich wüßte
wirklich nicht, welche Gefahr für mich erwachsen könnte."
„Die, daß auch Sie Ihren Einfluß auf Helene ver-
lieren."
„Ist dies eine Gefahr? Ich würde
cs vielleicht bedauern, wenn die Frau
Baronin mir das bisher geschenkte Wohl-
wollen entzöge, ein besonderes Unglück
aber wäre es nicht."
„Für mich aber,wäre es ein Unglück,
und für Sie insofern, als Sie des An-
theiles verlustig gehen würden, den ich
Ihnen zugesagt habe, wenn Helene tn
einem Testamente mir oder meinem
Sohne ihr Vermögen zuwendet. Dies
zu verhindern ist der einzige Zweck mei-
nes Todfeindes, des Geheimraths, und
für seinen Zweck führt der alte heim-
tückische Schleicher jetzt die anziehende
Gesellschafterin in's Feld. Ich durch-
schaue ihn vollständig. Mit unendlicher
Mühe ist es mir gelungen, Helene nach
und nach von allen ihren früheren Ver-
bindungen zu lösen, nur gegen den Ge-
heimrath bin ich machtlos gewesen, zu
ihm hat Helene ein unerschütterliches Ver-
trauen; ich hoffte es mit Ihrer Hilfe
zu erschüttern, bis jetzt aber ist es ebenso
wenig gelungen, wie mein Bemühen,
Helene gegen Ewald v. Ogorin aufzu-
bringen. Ehe ich diese Beiden nicht aus
ihrem Hanse verdrängt habe, komme ich
nicht zuni Ziel, und jetzt hat nun gar
der Geheimrath noch eine Bundesgenossin
in der Gesellschafterin erhalten. Es ist
die höchste Zeit, daß Sie wieder Helene
besuchen. Es gibt nur ein Mittel, sicher
auf sie einzuwirken, ihr Aberglauhe muß
uns dienstbar gemacht werden, durch ihre
Liebe für meinen Bruder müssen wir
endlich ganz energisch den Geheimrath
und seinen Schützling bekämpfen und
jetzt darauf hinwirken, daß sie endlich
,s, ihr Testament zu meinen Gunsten oder
»' zu Gunsten meines Sohnes mache. Der
Geist meines Bruders muß zu ihr sprechen,
klar und eindringlich, er muß gebieterisch
die Forderung stellen, daß sie seinen
 
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