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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0263
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Aus höheren Regionen.
Roman
von
Adolph Streckfusi.
lt-oUs^ung.) (Nachdruck verboten.)
rsparen Sie sich gefälligst Ihre Redensarten,
Herr Professor," ries Frau v. Olsten er-
regt aus, „die vortrefflich angewendet sind
bei meiner schwachköpfigen Schwägerin, die
aber bei mir keine Wirkung haben. Sagen
Sie mir lieber offen, daß Sie in das Lager
meiner Feinde übergegangen sind, daß ich nicht mehr
ans Ihre Hilfe rechnen kann. Das ist
mir lieber, dann weiß ich wenigstens,
woran ich bin."
„Sie sind leider eine Ungläubige," er-
wiederte Mondberger, „aber noch gebe
ich die Hoffnung nicht auf, Sie zu be-
kehren; nicht ich vielleicht, aber die über-
wältigende Macht der Wahrheit wird
es endlich thun. Für mich kann ich
Ihnen nur wieder und immer wieder
versichern, daß ich^ Ihr treuester Freund
bin; über die Geister kann ich nicht ge-
bieten, aber was in menschlicher Kraft
steht, nm Ihr Interesse zu fördern, das
habe ich gethan. Aks ich vorgestern
Abend in meinem einsamen Studirzimmer
saß und über die Vorgänge des ver-
flossenen Abends nachdachte, da wurde es
mir klar, daß Sie auf dem Wege, welchen
Sie eingeschlagen haben, nicht zu dem
von Ihnen gewünschten Ziele kommen
können, daß es Ihnen nie gelingen wird,
die Liebe der Baronin abzuziehen von
dem jungen Mädchen, welches unter
einem höheren, überirdischen Schutze
steht."
„Verschonen Sie mich doch mit solchen
Redensarten, Eduard. Ich ertrage Sie
hier nicht!" rief die Generalin unge-
duldig.
„Sie werden es ertragen müssen, daß
ich meiner Ueberzeugung die passenden
Worte gebe, wenn Sie nicht wollen, daß
ich schweige und Ihnen meinen Rath und
meine Hilfe entziehe. Wenn Sie noch
einmal mit solcher, frevelhaften Spott
und sündlichen Unglauben verrathenden
Bemerkung mich unterbrechen, zwingen
Sie mich, Sie zu verlassen. Wählen
Sie jetzt, ob ich sprechen soll, wie es
mir mein Glaube gebietet, oder ob ich
gehen soll."
„Sprechen Sie, ich werde Sie nicht
wieder unterbrechen!" erwiederte die Ge-
neralin resignirt.

Alfred Tenmsion.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 270)

nur vergeblich sein, sondern sich gegen den richten,
der ihn unternimmt. Wenn die Baronin zu bewegen
ist, ihr Testament zu machen, wird es zu Gunsten Der-
jenigen geschehen, die sie selbst ihre Tochter nennt, und
sie würde in solcher Absicht nicht gestört, sondern ge-
fördert werden, wenn sie in heiliger Stunde den Rath
des geliebten Verstorbenen forderte."
„Das heißt also, ich soll jede Hoffnung aufgebend"
fragte die Baronin trostlos.
„Nein, Sophie, das heißt: Sie sollen nicht auf
etwas Unerfüllbares hoffen, sondern Ihre Hoffnung auf
das Erreichbare richten. Sie wollen, daß einst das
Vermögen der Baronin Ihnen oder Ihrem Sohne zu-
falle, das Letztere können Sie erreichen, wenn Sie Fräu-
lein Helene Müller — zu Ihrer Schwiegertochter machen!"
Einen solchen Vorschlag hatte die Generalin nicht
erwartet, er traf sie wie ein Plötzlicher
Schlag. Eine dunkle Rothe flammte in
ihrem Gesicht auf, sie sprang vom Sopha
auf, mit geballter Faust, mit zucken-
dem Munde stand sie, während eines
Momentes keines Wortes mächtig, vor
dem Professor, der ruhig lächelnd ihr
gegenüber saß, dann kreischte sie in kaum
verständlichen Tönen: „Hat Ihnen diesen
infamen Vorschlag etwa auch der Geist
meines lieben Bruders gemacht?"
„Erhitzen Sie sich doch nicht unnöthig,
theure Freundin!" fuhr der Professor mit
unveränderter ruhiger Freundlichkeit fort.
„Wenn Ihnen mein Vorschlag, der nicht
aus der Geisterwelt stammt, sondern den
ich Ihnen mache, nicht gefällt, mögen
Sie ihn ablehnen, ich werde dann sicher-
lich nichts dazu thun, ihn etwa gegen
Ihren Willen zur Verwirklichung zu
bringen. Vielleicht wird der Hauptmann
v. Lgorin weniger skrupulös sein —"
„Dieses nichtswürdige Geschöpf meine
Schwiegertochter?" rief die Generalin,
noch immer in ohnmächtiger Wuth
zitternd.
„Ich glaube nicht, daß der Herr-
Major ebenso empört, wie Sie, meinen
Vorschlag abweisen würde, und auch
Ihnen möchte ich rathen, es nicht ohne
reifliche Ueberlegung zu thun; Sie wür-
den dies später vielleicht bedauern."
Die Generalin antwortete nicht, sie
war noch immer ganz außer sich vor
Wuth. Sie wendete sich von dem Pro-
fessor ab und trat an das Fenster, um
nur dessen lächelndes Gesicht nicht zu
sehen. Ein solcher Vorschlag! Es war
ganz unmöglich, auch nur zu denken, daß
diese verhaßte Person ihr jemals als
Schwiegertochter nahe treten könne, lieber-
trockenes Brod essen und Roth leiden!
Za freilich, wenn die greise Baronin
die Augen schloß, ohne einen Theil ihres
Vermögens der Schwägerin und dem

„Ich war durchdrungen von dem Wunsche, Ihnen,
der mir immer noch so theuren Jugendgeliebten zu
! helfen, aber wie sollte ich es thun? Da betete ich in-
brünstig und flehte, es möge mir die Kraft verliehen
werden, in seelischen Rapport mit dem Geist des ver-
storbenen Freiherrn v. Merzbach treten zu können.
Mein Gebet wurde erhört, der Geist offenbarte sich
mir. Ich will Ihnen, der Ungläubigen, nicht schildern,
wie es geschah, wie ich es erreichte, daß er mir auf
meine Fragen antwortete, Ihnen muß meine Versiche-
rung genügen, daß es geschah. Ich erhielt die Be-
stätigung meiner Ahnung. Ein inniges Band der
nahen Verwandtschaft umschließt die Baronin und jenes
junge Mädchen, ein Bänd, welches unlöslich ist. Jeder
Versuch, die Liebe der Baronin zu der schönen Helene
zu erschüttern, ihr Mißtrauen einzuflößen, wird nicht
 
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