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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0194
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Herzog Wilhelm vo» Braunschweig.
Nach einer Photographie gezeichnet oon C. Kolb. (S. IW)

Aus höheren Legionen.
8k o m a n
von
8^) Adolph Ltrccksnsr.
(Fortsetzung.)
IM I (p>achdruck oerboten.)
M/ u bist so edel, theure Helene," sagte die
Generalin l>. Ohlen, „daß Dn den Ge-
" danken, Dein Vertrauen könne von einem
Unwürdigen getäuscht werden, gar nicht
zu fassen vermagst; aber ich fürchte, Dir
droht ein herber Schmerz. Die Welt ist

Ein strafender Blick der Generalin traf ihn.
„Die Geister fragen nicht nach körperlicher Schön-
heit!"
„Auch wohl nicht nach dem Stammbaum!" er-
wicderte der Major, sich lächelnd den rothen Schnurr-
bart streichend. „Ter selige Onkel hat ganz gewiß keinen
Widerwillen gegen die schöne Elise gehabt, sonst hätte
er nicht so ost durch ihre Vermittlung zu der Tante
und zu Dir, Mama, gesprochen. Weshalb sollte er
auch gegen ein reizendes Bürgermädchen einen Wider-
willen haben? Er ist auch einmal ein flotter junger
Offizier gewesen, und die Geister behalten ja die Lieblings-
neigungen, welche sie im Leben gehabt haben, gern nach
dem Tode bei."
Der Major hatte heute offenbar seinen unglücklichen
Tag, jetzt warf ihm die Tante einen zornigen Blick
zu, der°ihn lehrte, daß es gerathen sei, nicht Weiter
zu sprechen.
„Wahrhaftig, die Tante ist noch
eifersüchtig auf den alten todten Onkel!"
flüsterte er Helene zu, hinter deren Stuhl
er stand, „da will ich mir den Mund
nicht weiter verbrennen."
Die Generalin suchte den üblen Ein-
druck, welchen die Bemerkung ihres
Sohnes auf die Baronin gemacht hatte,
zu verwischen, indem sie noch einmal zu-
rückkam auf den Besuch, den sie von
dem Baron v. Severin erhalten hatte.
Es war für sie eine währe Freude ge-
wesen, diesen jungen Mann kennen zu
lernen, der alle Vorzüge eines Cava-
fflX liers besaß, ohne die Fehler, die in
unserer verderbten Zeit leider bei so
vielen jungen Edelleuten gefunden werden.
Es war für sie wirklich erhebend ge-
wesen, mit ihm über die ernstesten Fragen
des Lebens sich zu unterhalten, ihn so
wahrhaft fromm und gläubig zu finden.
^ar durchdrungen von einem innigen
Tankgefühl dafür, daß er mit der Gabe
einer hohen geistmagnetischen Kraft be-
gnadigt worden, von dem Wunsche, sich
zu veredeln durch den Verkehr mit den
Geistern der Verstorbenen. Für weltliche
Freuden hatte er fast das Verständnis;
verloren, sie reizten ihn nicht mehr, er
lebte nur der Erfüllung der hohen Auf-
gäbe, die ihm durch seine Begabung
geworden war. Er hatte mit anerkennens-
iverther Offenheit erzählt, daß er vor
seiner Erweckung zum Glauben ein wildes
Leben geführt habe, aber Gottes Gnade
< habe ihn noch zur rechten Zeit erkennen
lassen, wie nichtig alle die frivolen
weltlichen Vergnügungen seien! Für
ihn gebe es fortan nur eine Freude,
nur ein Glück, die rastlose Arbeit an der
Selbstvervollkommnung, und die Er-
füllung der Pflicht, durch die ihm ver-
liehene Gabe seinen Mitmenschen zu

höchst interessanter, liebenswürdiger, feingebildeter junger
Mann von distinguirtem Aeußern. Jeder Zoll ein
Edelmann! Es ist ein erhebendes Gefühl für mich,
daß der Sproß einer unserer edelsten Familien fortan
der Vermittler zwischen uns und den Geistern unserer
Theuren sein wird. Es hatte für mich, ich kann es
nicht leugnen, bisher etwas Bedrückendes, die Hilfe
eines ans den niederen Stünden stammenden jungen
Mädchens in Anspruch nehmen zu müssen. Mein ge-
liebter Bruder, der im Leben stets ein wahrer, echter
Edelmann, ein überzeugter Aristokrat gewesen ist, kann
nur mit Widerwillen sich in seelischen Rapport mit
einem gewöhnlichen Bürgermädchen gesetzt haben, und
ein solches war doch des Professors früheres Medium
Elise."
„Ja, aber sie war ein wunderschönes, reizendes
Mädchen!" fiel der Major ein.

jetzt leider so verderbt, wir werden oft von denen be-
trogen, die uns die liebsten sind, denen wir am meisten
vertrauen. Ich will Dir wünschen, daß
nicht vielleicht gar der alte Walter —"
„Sprich kein Wort.weiter, Sophie.
Ich dulde solche infame Beschuldigung
meines ältesten und treuesten Dieners
nicht!" rief die Baronin, sich hoch auf-
richtend und ihre Schwägerin mit einem
zornsunkelnden Blick betrachtend.
„Es fällt mir nicht ein, die liebe,
alte, treue Seele beschuldigen zu wollen,"
lenkte die Generalin ein, „ich brauchte
seinen Namen nur als Beispiel; aber
wir wollen die Sache ruhen lassen, liebe
Helene, sie regt Dich ohne Nutzen auf.
Hoffentlich bringt der heutige Abend etwas
Licht in das Dunkel. Sind auch die
Geister unserer theuren Dahingeschiede-
nen nicht allwissend das ist ja Gott
allein so wissen sie doch Vieles, was
uns verborgen ist. Vielleicht hat Dich
gerade in jenem verhängnißvollen Augen-
blick der Geist des Theuren schützend um-
schwebt; ich ahne, daß er Dir Aus-
kunft wird geben können über den inneren
Zusammenhang dieses abscheulichen Ver-
brechens. Wir dürfen dies um so mehr
hoffen, da uns der Professor heute Abend
ein mit der höchsten geistmagnetischen
Kraft begabtes Medium in dem Baron
Friedrich v. Severin zuführen wird. Hat
er Dir vielleicht den jungen Mann eben-
falls schon vorgestellt?"
„Nein. Du weißt, ich nehme keine der-
artige Visite an."
„Der Baron Friedrich v. Severin
ist durchaus salonfähig. Er gehört einer
uralten rheinischen Familie an, seine
Mutter war eine geborene Gräfin v. Za-
bern, sein Vater war Offizier in württem-
bergischen Diensten."
„Du kennst ihn?"
„Ja, ihn und seine Familie. Der
Professor hat mir mit ihm Visite ge-
macht; ich bin entzückt von ihm. Ein
 
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