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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 19
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0426
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Ms höheren Regionen.
R oinan
von
Adolph Streckfnst.
<F°rts-tz»ng n. Schluß.) )
n manchen Füllen," fuhr der Kriminalkom-
missar fort, „hat der Professor auch das
Verbrechen nicht gescheut, um Einblick in
Familiengeheimnisse zu gewinnen. Er ist
der moralische Urheber des Einbruchs, bei
welchem vor kurzer Zeit der Frau Baronin v. Merz-
bach eine Mappe mit Papieren geraubt worden ist; er
hat zu diesem Zweck sich mit den gefährlichsten Ver-
brechern verbündet, er hat die Tochter eines derselben
als Hausmädchen der Frau Baronin em-
pfohlen. Luise Schugnitz hat ihrem Vater
und einem Genossen desselben die Thüre
geöffnet und ihnen den Weg zur Voll-
führung ihres Raubes gezeigt! Kein Zweifel
besteht an der Schuld des von der Fran
Baronin mit einem so hohen Vertrauen
beehrten Mannes. Sein Mitschuldiger hat
sich gegen ihn erhoben und Zeugniß gegen
ihn abgelegt. Der Herr Professor Mond-
berger, der von Ihnen Allen gläubig ver-
ehrt worden ist als der reine Apostel einer
neuen Religion, der Ihnen erschienen ist
als der opferfreudigste Beförderer aller
humanen Bestrebungen, denen er beson-
ders auch als Mitglied des Vereins
zur Besserung entlassener Strafgefangener
diente, hat diese seine Stellung nur benutzt,
um Bekanntschaften anzuknüpfen mit ent-
lassenen Sträflingen und um Werkzeuge
zur Ausführung seiner Verbrechen zu ge-
winnen. Eines dieser Werkzeuge war der
entlassene Sträsling Schugnitz, dessen Dank-
barkeit er zuerst sich durch Wohlthaten
erworben hat, um ihn dann für seine
Zwecke zu gebrauchen, und nicht nur ihn,
sondern auch seine beiden Töchter. Luise
mußte dem Professor als Spionin hier
im Hause der Frau Baronin dienen, die
jüngere Tochter Elise haben Sie als fein
geschicktes Medium oft bewundert. Das
junge Mädchen hing zuerst in gläubiger
Verehrung, in maßloser Dankbarkeit an
dem edlen Wohlthäter; als ihr die Augen
aufgingen über das Treiben des Herrn
Professors und sie sich weigerte, ferner-
hin seine betrügerischen Manipulationen
zu unterstützen, so erkrankte sie, deren Ent-
hüllungen Mondberger auf's Aeußerste
fürchten mußte, Plötzlich schwer — sie hat
ihn sterbend als ihren Mörder angeklagt.
Der Vater der Armen ist jetzt als An-
tlüger aufgetreten gegen den Mörder; um

haben ihn gläubig ausgenommen. Wie weit sonst die
Betrügerfirma ,Mondberger L Coinp? sich auch auf nicht
direkt bei dem Betrüge betheiligte Mitglieder ausge-
dehnt haben mag, will ich nicht untersuchen. Es ist
nicht meine Aufgabe, Privatverhältnissen nachzuforschen."
Der Kriminalkommissür hielt einen Moment inne,
er blickte die Generalin v. Ohlen an, da diese aber
erschreckt, verlegen das Auge senkte, fuhr er fort:
„Ich bin mit den Mittheilungen zu Ende, zu denen
ich mich vor Allem Ihnen gegenüber, gnädige Frau, für
verpflichtet hielt; ich hoffe, Sie werden mir nach den-
selben mein Eindringen in Ihren Kreis verzeihen."
Der Geheiinrath Ritter hatte, während der Kri-
minalkommissar sprach, die Baronin mit einem Blick
voll tiefer Besorgniß und Theilnahme betrachtet. Er
fürchtete, die alte Dame werde durch die Enthüllungen
über die Nichtswürdigkeit ihres „verehrten Freundes"
in gefährlicher Weise aufgeregt werden, zu seinem hohen
Staunen und zu seiner Freude aber war
seine Besorgniß ganz unbegründet. Wohl
malte sich in den Zügen der Baronin das
gespannte Interesse, welches sie an den
merkwürdigen Mittheilungen über die Ver-
gangenheit und die Verbrechen des Pro-
fessors nahm, wohl folgte auch ihr Blick
dem des Herrn v. Welser, als dieser die
Generalin v. Ohlen scharf anschaute, und
ein traurig-schmerzliches Lächeln des Ver-
ständnisses spielte dabei um ihre Lippen,
aber sie blieb wunderbar ruhig und ge-
faßt. Ihre Hand ruhte sanft auf den
dunklen Locken Helenens, die noch immer
vor ihr kniete und weinend das Gesicht
in ihren Schoß geborgen hatte.
„Zch habe Ihnen nichts zu verzeihen,
Herr v. Welser," sagte sie, „Sie haben
nur Ihre Beanitenpflicht erfüllt. Viel-
leicht hätten Sie es mit etwas größerer
Schonung der Gefühle einer alten Frau
thun können; aber ich habe kein Recht,
Ihnen deshalb einen Vorwurf zu machen,
denn ich ahne, daß ich Ihnen sogar Dank
schuldig bin dafür, daß Sie in Ihren Nach-
forschungen nicht weiter gegangen sind. Ich
danke Ihnen, aber ich bitte Sie zugleich,
beendigen Sie jetzt diese peinliche Scene."
Der Kriminalkommissär verbeugte sich.
„Gehen Sie mir voran, dorthin zu den
Schutzleuten," flüsterte er Fritz Müller
zu. „Ich folge Ihnen auf dem Fuße.
Wenn ich Ihnen rathen soll, dann wagen
Sie keinen Fluchtversuch, er würde ver-
geblich sein. Vorwärts!"
Fritz Müller gehorchte. Mit gesenktem
Kopf schlich er langsam, gefolgt von den
beiden Herren v. Welser, um den Tisch.
Sein Muth war völlig gebrochen, er
wagte es nicht einmal aufzuschauen, um
seiner Schwester einen Abschiedsblick zuzu-
werfen; aber doch blieb er unwillkürlich
stehen, als er an dem Lehnsessel der

diesen der gerechten Strafe zu überliefern, hat er sich
selbst und seine mitschuldige Tochter Luise geopfert.
Viele Jahre laug hat der Professor es verstanden, mit
bewundernswertster Schlauheit und Vorsicht das ver-
brecherische Leben, welches er schon in Amerika unter
dem Namen eines Doktor Johnson und wahrscheinlich
auch noch unter anderen Namen geführt hat, mit einem
dichten Schleier zu umhüllen, jetzt aber ist dieser Schleier-
gelüftet. Die Untersuchung gegen ihn wird sicher
manches jetzt mir noch nicht bekannte Verbrechen zu
Tage fördern, aber es genügen schon diejenigen, für welche
vollgiltige Beweise vorliegen, ihn für immer unschädlich
zu machen. Auch seine Werkzeuge werden, soweit sie mit-
schuldig an seinen Verbrechen sind, ihre verdiente Strafe
erleiden, eines derselben steht zitternd in jämmerlicher
Zerknirschung vor Ihnen. Ein Abenteurer und Wechsel-
fälscher, Fritz Müller, ist von dem Professor als Baron
Severin in Ihren Kreis cingeführt worden, und Sie

Pasquale Mancini, italienischer Minister des Auswärtigen.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. t3S)
 
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