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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0192
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Hrst 8.

Das Buch für AlIe.

als den „Schaumtrank, der Weine Meister" rühmen —
einen echten Sorgenbrecher, der da
„erfreuet alle Sinnen
Und in jede bange Brust
Gießet ein balsamisch Hoffen
Und des Lebens neue Lust."

^11llllllllj/ll!1lljk2. (Nachdruck verboten.)
Der LachSfang am Colnmbiastrom in Oregon
hat bereits einen gewaltigen Umfang erreicht. Unterhalb der
zahlreichen Fälle des Columbiastromes, welche sie nicht über-
springen können, werden die Fische in zahllosen Massen mit-
telst eines sehr einfachen unlerschlächtigen Wasserrades ge-
sungen. Die Lachse schwimmen in Heerden gegen den
Strom und werden durch die großen 2s/r Meter breiten
Schaufeln der Rader, vermittelst geräumiger Käfige oder
Netze von galvanisirtem grauen oder rothen Draht, welche
an den Schaufeln angebracht sind, in die hinter dem Rade
befindlichen, aus starken Baumstämmen hergestellten Abthei-
lungen geworfen,- daselbst mit Leichtigkeit gefangen und sofort
in nahestehenden Schuppen geschlachtet. Die besten Theile
des Fisches werden in die Einmachbrühe (Lake) geworfen
und volle zwei Drittel des Fisches als werthlos beseitigt.
Manche der Fische wiegen 40 und mehr Pfund; die Lachs-
rüder machen drei Umdrehungen in der Minute und sind
Tag und Nacht im Gange, um die erwähnten Abteilungen
zu füllen. Nur ein kleiner Theil der so gefangenen Fische
wird indeß sofort getödtet, der weit größere Theil wird
dutzendweise an starke Schnüre gehängt, und diese Schnüre
werden wiederum an starken Seilen befestigt, welche au luft-
dichten Fässern den Strom hinabtreiben, bis sie von den dort
befindlichen Einmache-Etablissements aufgefangen und einge-
pöckelt werden. An einem einzigen Rade werden täglich 3000
bis 6000 große Lachse gefangen; die kleinen läßt man frei.
Die dort noch zahlreichen Indianer fangen die Lachse auf
andere Weise. Sie machen ein starkes Weidengeflecht von
einer Seite des Flusses zur anderen, in Form eines Winkels,
dessen Spitze stromabwärts zeigt. In dieses Geflecht machen
sie oben in der Nähe der Ufer kleine Thüren, welche durch die
Kraft der Strömung sich von selbst schließen. Wenn nun
die stromaufwärts strebenden Heerden das Hinderniß erreichen,
so schwimmen sie au demselben entlang, bis sie an die Thüre
kommen, welche dem Drucke leicht nachgibt, sich öffnet und
die Thiere in Schaaren einlüßt, uni sich hinter denselben so-
fort wieder zu schließen. Innerhalb des Netzes stehen nackte
Jndianerbuben, welche die zappelnden Fische aufspießen und
an's Land werfen. Die Fischer behaupten, daß der immense
Fang der Lachse die Schaaren derselben, welche alljährlich
die Flüsse Heraufziehen, bis jetzt nicht bemerkbar vermindert
habe. Am Columbiaflusse, zwischen den Kaskaden und der
Stadt Astoria an der Mündung sind gegenwärtig über 50
Lachskonservefabriken in Thätigkeit. Drei Lachse von Durch-
schnittsgröße füllen ein Dutzend Büchsen. Die Fangzeit ist
vom Mai bis Juli auf der Höhe. Blechbüchsen von gewöhn-
licher Größe halten je V- Kilogramm, und in jeder Kiste be-
finden sich 24 Büchsen. Im Jahre 1883 wurden von Co-
lumbia 630,000 Kisten im Gesammtwerth von 3,024,000 Dol-
lars verschifft, und gegen Ende der Saison war der
Fang so ergiebig, daß viele Fische weggeworfen werden
mußten, weil nicht genügend Blechbüchsen zu beschaffen
waren. Die größte Lachskvuscrvefabrik der Welt ist die
Astoria Packing Co. von M. I. Kinuey in Astoria. Das
Etablissement hat eine Wasserfront von 170 Bieter, sämnit-
liche Gebäude, Schuppen u. s. w. stehen auf Pfühlen; es
besitzt 80 Boote und beschäftigt 170 Fischer, während 126
Arbeiter mit dem Verpacken u. s. w. zu thun haben. Die
Fischer sind meist Schweden, Norweger, Dünen und Deutsche;
beim Verpacken sind fast ausschließlich Chinesen angestellt.
Die Boote entladen ihre Beute auf eine in den Fluß heraus-
gebaute Plattform, so daß die Fische dem Fleischer zur Hand
liegen ; ein Chinese legt Letzterem etwa ein Dutzend Fische
auf den Tisch, und der Fleischer schneidet gewandt den Kopf,
den Schwanz und die Flößen ab, öffnet das Thier, nimmt
die Eingeweide heraus, wobei der Abfall auf einem schiefen
Brette in einen Behälter füllt, von welchem derselbe in die
Oelsiederei gebracht wird. So ein Mann kann täglich 1500
bis 2000 Fische schlachten. Das für die Konserven Ver-
wendbare kommt zunächst in einen Wasserbottich, wird
dann nach einiger Zeit wieder herausgenommen, von den
Schuppen befreit und gereinigt, dann kommt es in einen
zweiten Behälter zur nochmaligen Abwaschung und Reinigung,
von da ab aber in die Biaschine, die das Fleisch mit einem
Schnitte zur erforderlichen Größe der Blechbüchsen in Stücke
trennt. Ein Chinese kann in einem Tage 1000 Büchsen füllen.
Durch spätere Manipulationen abermals gereinigt, mit Deckeln
versehen und zugelüthet, werden die Büchsen l'/s Stunden lang
in kochendes Wasser gestellt, von erfahrenen Arbeitern ans
ihre Lustdichtigkeit mehrfach geprüft, darauf mit Oelfarbe ge-
strichen und lackirt, mit den Etiketten versehen, in Kisten
verpackt und versandt. R. Oberländer.
Der Pudel deS Akademikers. — Als sich der Dichter
Alfred de Müsset um den vakanten Sitz in den Reihen der
vierzig „Unsterblichen" der französischen Akademie bewarb,
mußte auch er sich, wie alle anderen Kandidaten, dein alten
Brauche fügen und sämmtliche Mitglieder des Instituts be-
suchen, um sie um ihre Stimmen zu bitten. Es war wäh-
rend des Sommers, und mehrere „Unsterbliche" hatten daher
den Ausenthalt in Paris mit dem aus dem Lande vertauscht,
so daß Müsset gezwungen war, sich zu den Herren in ihre
Villeggiatur hinaus zu begeben. Eines Tages fuhr er auch
wieder zu dem Landhanse eines der „Vierzig", des Einfluß-
reichsten, wie es hieß. Kaum hatte er die Gitterthüre des
Vorgartens geöffnet, als sich ihm ein schwarzer, schmutzig
und verwahrlost aussehender Pudel nachdrüugte, an ihm in
die Höhe sprang und auf alle Weise seiner Zuthuulichkeit
Ausdruck gab. „Ein abscheuliches Thier," dachte der Dichter,

! „aber ich darf ihm keinen Fußtritt versetzen, sein Herr könnte
es mir übel vermerken." Er schritt also, den Hund freund-
lich streichelnd, auf das Haus zu und wurde hier in den
Empfangssalon geführt, wobei ihm der Pudel dicht auf den
Fersen blieb. Der Akademiker begrüßte den Dichter zwar
freundlich, aber doch mit einer gewissen Zurückhaltung, die sich
Muffet nicht erklären konnte. Derselbe wunderte sich auch, daß
der Herr des Hauses, dessen Blicke auf das Thier durchaus
keine freundlichen waren, dasselbe trotzdem im Salon duldete.
Nach einiger Zeit verfügte man sich in den Speisesaal, wohin
der Pudel ebenfalls wieder folgte. Während des Diners
wurde er, als sich Niemand um ihn kümmerte, plötzlich
unruhig, legte seine schmutzigen Psoten auf das blendend weiße
Tischtuch und riß dem Dichter, ehe er es hindern konnte, von
dessen Teller einen Hühnerflügel, welchen er dann gierig ver-
zehrte. „Das wird mir doch bald zn bunt," murmelte der
Geplünderte vor sich hin. „Weshalb mag ihn denn sein
Herr, der ja seuerroth vor Wuth aussieht, nicht hinaus-
werfen?" Um weiteren Angriffen des hungerigen Thieres
vorzubeugen, setzte er demselben den Teller mit dem übrigen
Inhalt vor, über den sich der Hund gleich gefräßig hermachte.
Nach Beendigung des Diners wurde der Kaffee fervirt, und
hiebei benahm sich der Pudel gleich ungezogen; er warf mit
einem Male die Tasse des Poeten um, so daß dessen tadellos
weiße Wüsche über und über mit Kaffeeflecken bespritzt wurde,
fuhr darauf mit dem Maule in die Zuckerdose und begann
sich deren Inhalt schmecken zu lassen. Jetzt wagte Bluffet, da
der Hausherr noch immer nicht intervenirte, mit sauer-süßem
Lächeln zu fragen: „Sie lieben die Hunde wohl sehr?" —
„Ich?" brach der Akademiker voller Wuth los. „Im Gegen-
theil, ich verabscheue sie!" — „Dann machen Sie wohl mit
Ihrem Pudel da eine Ausnahme?" — „Mit meinem
Pudel?" schrie Jener in Hellem Erstaunen. „Die Bestie ge-
hört doch mir nicht! Ich dulde sie nur, weil Sie sie mit-
brachten!" — „Und ich kenne das Thier gar nicht!" rief
Acuffet nicht minder frappirt. „Es lief mir von Ihrer Pforte
aus in's Hans nach, und ich ließ nur seine Unarten nur in
dem Glauben gefallen, daß es Ihr Eigenthum sei." — „Das
ist etwas Anderes." Und wie auf Verabredung erhoben sich
die Beiden gleichzeitig und schlugen laut lachend mit ihren
Servietten auf den sich noch immer am Zucker gütlich thuenden
Köter los, der sicherlich nicht begriff, weßhalb das schöne Wetter
so plötzlich in Sturm uiufchlug, und laut heulend Fersengeld
gab. Selbstredend erhielt Muffet die Stimme seines Wirthes.
L. M.
Zur Statistik des Vricfiimlaiifs. — Die zahlen-
mäßige Erhebung der Briefcirkulation ist ein beträchtliches
Stück Kulturstatistik. Wenn in Rußland alljährlich auf einen
Einwohner kaum zwei Briefe und Postkarten kommen, wäh-
rend England per Kopf der Bevölkerung an vierzig in Umlauf
setzt, so bringt diese einzige Thatsache gleichsam die ganze
Kulturgeschichte zweier Völker zum Ausdruck. Doch kann
man im Grunde weniger die Höhe und den Umfang der
Bildung einer Nation danach bemessen, als den Grad ihrer
industriellen und kommerziellen Kultnr. Mit Hilft der Brief-
statistik ist es nicht schwer, die Richtung der Hauptströmungen
im Verkehrslebeu eines Landes zu, bestimmen. Im Jahre
1879 gingen 71,7 Millionen' Briefe aus Deutschland und
66.5 Millionen nach Deutschland. Nach Rußland sandte die
deutsche Nation in demselben Jahre etwas über 4 Millionen
Briefe, aus Rußland erhielt sie dagegen nur Ifts Millionen.
Nach Oesterreich-Ungarn wurden 1879 aus Deutschland
12.6 Millionen Briefe befördert, während nur 9,9 Millionen
j zurückkamen. Nach den skandinavischen Reichen gingen 2,6 Mil-
lionen Briefe ab, und 1,8 Millionen sandten diese Länder in
das deutsche Reich. Anders gestaltet sich der briefliche Ver-
kehr mit Frankreich, England und Amerika. Von diesen
Völkern erhält Deutschland mehr Briefe, als es an sie ab-
liefert. Das aus der Statistik der Briefcirkulation sich er-
gebende Verhültniß ist also folgendes: Deutschland spielt eine
aktive, domiuirende Rolle in der Richtung nach Norden, Osten
und Süden, während es sich nach Westen hin in einer mehr
receptiven Stellung befindet. Gehen wir nun zu allgemeinen
Momenten der Briesstatistik über, so ist es zunächst interessant
zu erfahren, daß 75 Prozent aller Briefe geschäftlichen Inhalts
sind, während sich 15 Prozent mit Familienangelegenheiten
befassen und nur 10 Prozent in den Bereich der Wissenschaft
und Kunst gehören. Die Briefcirkulation hat auch ihre Wun-
der, merkwürdige Erscheinungen, die man nicht erklären kann,
weil da eine Ergründung von Ursache und Wirkung wegen
des komplizirten Zusammenhangs der Dinge kaum möglich
ist. Schon der englische Kulturhistoriker Buckle hat eine
merkwürdige Regelmäßigkeit in den Postsendungen konstatirt.
Sie besteht darin, daß sich die Zahl der nnadressirten oder
falsch adressirten, der unfrankirten und rekommandirten, sowie
der nicht abgeholteu Postrestante-Briefe alljährlich ziemlich
gleich bleibt. In Oesterreich machen seit Jahren die ein-
geschriebenen Briese 6 Prozent der ganzen Korrespondenz
aus. — Nimmt die Briefcirkulation eines Landes stetig
zu, so ist das ein Kennzeichen fortschreitender Kultur. Die
Korrespondenzzunahme kann dann, wie etwa der Ver-
brauch der Seife, als Gradmesser der Bildung betrachtet
werden. Zuweilen zeigt aber auch eine Portovermiude-
rung oder Verkehrserleichterung dieselben Folgen. Ein-
richtungen, welche in dieser Hinsicht getroffen werden, andern
ost'die ganze "Physiognomie des Äriefverkehrs. So ist nach
der Einführung der Postkarte die Briescirknlation allgemein
gestiegen. In England hob sich kurz danach die Frequenz
um 75 Millionen, in Deutschland betrug die Zunahme
18 Prozent, und in der Schweiz ist eine jährliche Steigerung
von über 2 Millionen konstatirt worden. Auch das 1873
festgesetzte Zehupfennigsporto hat eine förmliche Umwälzung
in der gesummten Briefcirkulation hervorgerufen. Im All-
gemeinen hat sich der briefliche Verkehr ungeheuer erweitert,
was durch nichts schlagender bewiesen wird, als durch die
Thatsache, daß London allein im Jahre 1878 ebenso viele
Briefe in Kurs setzte, als ganz England in den Jahren 1841
bis 1845 zusammen, nämlich circa 285 Millionen, so daß
auf jeden Kopf der Bevölkerung Loudons 88 Briefe kamen.
vr. K. Ai

191

Unbegrenzte Freigebigkeit. — Heinrich Graf v. Cham-
pagne, der Großvater des berühmten Königs Thibaut von
Navarra, führte seinen Beinamen »lolmr-xs" (der Verschwen-
derisch-Freigebige) mit gutem Recht. Nicht nur, daß er nach
der Sitte seiner Zeit mit voller Hand die Geistlichkeit be-
dachte, Kirchen ausstattete und Klöster stiftete, sondern auch
jedwedem Nothleidenden oder nur Bittenden war sein Hab
und Gut preisgegeben, und selbst als er sür feine Person
aufiug, Noth zu leiden, ertrug er es nicht, einen Flehenden
unerhört von feiner Schwelle zu lassen. Darüber mußte er
von seinem Sekretär oder wie man damals sagte, Maitre
Clerc, Arthaud v. Nogent (der von Geburt ein »VilaiiV
oder leibeigener Bauer des Grafen war) manche dringliche
Gegenvorstellung hören und um so nachdrücklicher, je mehr die
Schütze, über die er einst zu verfügen gehabt, sich ihrem
Ende näherten. Eines Tages, da Graf Heinrichs aus der
Kirche kam, warf sich ihm ein armer Ritter zu Füßen und
rief mit lauter Stimme, während Thrünen feinen Äugen ent-
flossen: „Sire Comte, ich bitte Euch um Gottes willen, wollet
jo gnädig sein und mir so viel geben, daß ich meine beiden
Töchter hier ausstatten könne, denn ich vermag's aus eigenen
Mitteln nicht!" Diese Gelegenheit erachtete der hinter dem
Grafen schreitende Maltre Clerc für besonders günstig, um
eine erneute nachdrückliche, wenn auch nur indirekte Gegen-
vorstellung wider des Grafen „Milde" daran zu knüpfen, und
sprach laut zum Ritter: „Sire, Ihr thut sehr Unrecht, daß
Ihr meinem gnädigen Herrn noch etwas abbetteln wollt, denn
er hat bereits so viel verschenkt, daß er nichts mehr zu ver-
schenken hat!" Auf diese Worte drehte sich Heinrich v. Cham-
pagne hastig um und sprach zornig zu Arthaud: „Sire Vi-
lain, Ihr spart die Wahrheit allzusehr, da Ihr sagt, ich
hätte nichts mehr zu verschenken. Habe ich nicht Euch noch?
Wohlan, ich schenke Euch hiemit dem bedürftigen Vater! Da,
Herr Ritter, nehmt ihn hin. Er ist fortan Euer Eigenthum;
sehet zu, wie Ihr ihn verwerthet!" Der arme Ritter ließ
sich das nicht zweimal gesagt sein. Mit einem Ausruf
glühenden Dankes gegen den Grafen ergriff er Meister Ar-
thaud ohne Weiteres beim Wamms und versicherte mit einem
Schwur, er werde ihn nicht loslasftn, bis er sich gebührend
freigekauft habe. Blaitre Clerc, der nicht umsonst sein Leben
in der Umgebung von Henry le Large zugebracht, war hiezu
sehr wohl im Staude, bequemte sich aber dennoch erst dazu,
als er sah, daß die Sache verzweifelt ernst werde. Da frei-
lich zahlte er sür seine Freiheit fünfhundert Pfund, eine
Summe, die nach damaligem Geldwerth und nach damaliger
Art zu leben, mehr als hinlänglich war, ein paar heiratys-
lustige Rittersräulein mit Ehren unter die Haube zu bringen.
So war ihm sein unerbetener Rath ziemlich theuer zu stehen
gekommen. L. Z.
Der richtige Schluß. — General Andrew Jacftou,
von 1829 bis 1837 Präsident der vereimgten Staaten Nord-
amerika's, hielt einst in einem kleinen Flecken des Westens
eine Rede als Wahlkandidat. Im Begriff zu schließen, wis-
perte ihm einer seiner Begleiter zu: „Vergessen Sie nur
nicht, zuletzt einige lateinische Brocken nnzusühren, die Leute
hier sind das so gewohnt, ohne sie würde die beste Rede
keinen Effekt machen." Der ehemalige Advokat, der von
seinem Latein wenig mehr, als einige ost gebrauchte Rede-
wendungen und Gemeinplätze im Köpfe hatte, nickte, ein
muthwilliger Gedanke durchzuckte ihn, und so endigte er seine
Rede mit den in donnerndem Tone gesprochenen Sätzen: ,.blon
plus ultra! (Nichts darüber) — Viribus uuitis! (Nick vereinten
Kräften) — Bax bomiuibus bouao voluutatis! (Friede den
Menschen mit gutem Willen) — 0 guas inutatio rorum!
(O welche Aenderuug der Dinge) — Saxisuti sat (dem Weisen
genügt's)." Die Wirkung dieser Worte war großartig. Dian
konnte das Beifallsgeschrei der Zuhörer eine Viertelstunde
weit hören — feine Wahl war gesichert. L. M.
Eine drakonische Strafe. — Einen Beitrag zur Härte
der Justizpflege im 16. Jahrhundert kann ein merkwürdiges
Urtheil bilden, welches im Jahre 1580 in Hamburg ge-
füllt worden ist. Ein vierzehnjähriger Knabe, Hans Tolch,
hatte einem ehrbaren Rathsherrn böswillig die Fenster ein-
geworfen und wurde infolge dessen vor Gericht gestellt. Heute
würde der Vater des ungezogenen Schlingels das Vergnügen
haben, die Scheiben zu bezahlen, eventuell würde der^ Junge
einen Tag in Arrest kommen. Die Hamburger Schöffen
dachten ernster über den Fall: Hans Tolch wurde zum
Tode verurtheilt und am 8. August 1580 öffentlich ent-
hauptet ! I-
„O jemine!" — Der Provinzialismus „o jemine!" —
ein Ausdruck der Verwunderung und Angst — soll nach der
Meinung Vieler von dem Beginn des altheidnischen Gebets
an die Halbgötter Castor und Pollux: „0 Mmiuift (o Ihr
Zwillingsbrüder!) abgeleitet worden sein. Näher liegt jedoch
Vie Annahme, daß dieser Ausruf zusammeugezogen den An-
fang eines christlichen Gebetes bildete: „0 Issa mi äo-
mins!" (O Jesus, mein Herr!) ». Z.
Wunderliche Grabschrift. — Auf dem Friedhöfe zu
Schweinfurt sand man einen alten verwitterten Grabstein mit
ver seltsamen Inschrift:
Blich, Bernhard Mäuler, Stadtknecht, hat
Dahier verscharrt Schweinfurt, die Stadt;
Vergißt mau große Männer hier,
Wer wird dann fragen einst nach mir?
Niemand! Doch dies mich nicht auficht,
Wenn Gott nur weiß, wo Bernhard liegt!
Vater und Sohn. — Einem reichen Bankier ward ein
Subscriptionsbogeu präsentirt, auf welchen! sein Sohu bereits
100 Thaler gezeichnet hatte. Der Bankier bemerkte dies und
zeichnete nur 10 Thaler. „Sollten Sie sich nicht geirrt haben,
mein Herr?" sagte der Sammler schüchtern, „Ihr Herr
Sohn hat 100 Thaler gezeichnet?" — „Ei," versetzte der alte
Herr lächelnd, „das kann mein Sohn wohl thun, der hat
einen reichen Vater, welcher für ihn zahlt; ich aber muß in
meine eigene Tasche greifen!" R. L.
 
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