Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

DOI Heft:
Heft 26
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0594
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hrst 26.

Das Buch für Alle.

607

Freiherrn die Nachricht von der geschehenen Entdeckung
und den Geständnissen der beiden Verbrecher nach Pürglitz
brachte, konnte zugleich auch dies melden.
Die Wirkung, welche diese Nachrichten auf den
alten Baron hervorbrachten, war eine erschütternde.
Nur ein Trost war dabei, er brauchte jetzt nicht mehr
für das Leben seiner Kinder zu bangen; denn auch
Klotilde konnte jetzt, nachdem man die Ursache ihres
Leidens erkannt hatte, wieder hergestellt werden.
Nur eine schwere Aufgabe gab es noch, Anna den
Tod des Gatten mitzutheilen. Obwohl man ihr die
wahren Umstände, sowie die Verbrechen des Chevaliers
rücksichtsvoll verschwieg, warf diese Nachricht doch die
arme Frau vollständig nieder. Sie verfiel in eine
heftige Krankheit, und als sie genesen war, zeigte sich
ihr Geist umnachtet. Es war dies vielleicht noch ein
Glück zu nennen, denn in dem Traumleben, das sie
nun führte, wurde sie wenigstens nicht des Unglückes
so bewußt, welches sie betroffen hatte.
Es konnte nicht vermieden werden, daß alle diese
Ereignisse nun allgemein bekannt wurden, da ja der
Prozeß Wilke's oder Willeke's öffentlich geführt wurde.
Willeke wurde zu einer langen Gefängnißhaft verurtheilt.
Man hatte bei den öffentlichen Verhandlungen zwar
möglichst Rücksicht auf die betheiligten Familien ge-
nommen — so kam unter Anderem das Protokoll mit
den Aussagen Erdmann's nicht zur Verlesung, — aber
immerhin drang genug von der Wahrheit in die Oeffent-
lichkeit, um den ganzen Zusammenhang errathen zu
können. Das Aufsehen in der Gesellschaft und nament-
lich in der Gegend, in welcher die Kellings und die
Rovens ansäßig waren, mußte begreiflicherweise ein un-
geheures sein. Dennoch wurde es schier übertroffen,
als sich etwas vollzog, was alle Welt für unmöglich
gehalten hatte' die Versöhnung zwischen dem Freiherrn
und dem Grafen.
Der völlig gebeugte Roven hatte den ersten Schritt
gethan. Er war nach Pürglitz gekommen und hatte
eine lange Unterredung mit dem Freiherrn gehabt. Es
mußte ihm wohl gelungen sein, Kelling zu überzeugen,
daß er — der Graf — keine feindseligen Gefühle gegen
den Nachbarn gehegt habe, und Wern auch seine Toch-
ter die Urheberin alles Unglückes gewesen sei, so habe
diese und er als Vater mit schwer genug dafür gebüßt.
Was die beiden Männer mit einander gesprochen hatten,
wurde nicht weiter bekannt, aber Thatsache blieb cs,
daß der Familienhader ein Ende hatte.
Nach so schwerer, leidcnsvoller Zeit kamen nun
auch wieder Tage des Glückes. Das erste freudige
Ereigniß war die Vermählung Klotilde's mit Oskar
v. Rednit;, den der Freiherr wie einen Sohn lieb-
gewonnen hatte. Wenn auch Klotilde ihrem ersten
Bräutigam ein treues Andenken bewahrte, so hatte sie
doch die Bewerbung Lskar's angenommen, und bei der
Harmonie dieser zwei Naturen konnte es nicht aus-
bleiben, daß bald die innigste Liebe die Gatten ver-
band.
Windenau war an den Grafen Roven verkauft wor-
den; der alte Freiherr wollte von diesem unseligen
Orte nichts mehr wissen. Er lebte mit seinen Kindern
auf Pürglitz, und eine glückliche Gegenwart bannte die
Erinnerungen an die trübe Vergangenheit.
Ende.

Gerhard Kahlfs.
(Siehe das Porträt auf Seite 601.)
Der gegenwärtige Generalkonsul des deutschen Reiches in
Zanzibar, Gerhard Rohlfs, dessen Porträt wir auf S. 601
den Lesern norsühren, ist neben dem am 20. April verstorbenen
Generalkonsul Pr. G. Nachtigal (vergl. Heft 11) wohl als
der berühmteste und erfahrenste der deutschen Afrikareisenden
der Gegenwart zu bezeichnen. Derselbe ist am 14. April 1832
zu Vegesack geboren, trat 1848 in den Bremer Militärdienst,
zog 1Ä9 als Freiwilliger in den schleswig-holsteinischen Krieg
und avancirte nach der Schlacht von Idstedt zum Offizier.
Er studirte dann in Heidelberg, Würzburg und Göttingen
Medicin, gelangte 1855 ans einer abenteuerlichen Reise durch
Oesterreich, Italien und die Schweiz nach Algerien und trat
als Arzt in die Fremdenlegion ein, als welcher er die Erobe-
rung der großen Kabylie mitmachte. Hier erwarb er sich
eine gennne Kenntnis der arabischen Sprache und der orien-
talischen Sitten und Gebräuche, so daß er 1861 es wagen
konnte, als angeblicher Mohammedaner unter dem Namen
Mustapha nach Marokko zu gehen, wo er als Arzt prakti-
zirte und sich das Vertrauen der dortigen Großen erwarb.
Mit Schutzbriesen seiner marokkanischen Gönner versehen,
machte Rohlfs darauf 1862 von Tanger aus eine Reise in
die marokkanische Sahara, ward dabei von seinen Führern
meuchlings überfallen, schwer verwundet liegen gelassen und
nur durch Zufall gerettet. Seine Reiselust war dadurch jedoch
keineswegs vermindert, denn schon 1864 finden wir ihn unter
den wilden Stämmen des Atlas, wo er bis zur Oase Tuat
vordrang und von diesem Landstrich die erste Beschreibung
und Karte lieferte. Nach kurzem Besuch in der Heimath trat
der kühne Reisende alsbald wieder eine neue Reise nach Afrika
und zwar nach Murzuk an, wo er fünf Monate weilte, und
dann 1866 über Bilma, Bornu, Kuka und Wadai nach dem
Tschadsee aufbrach. Er nahm die ganze Route kartographisch

auf, begab sich durch ganz unbekannte Länder westwärts nach
dem Benne und Niger und von hier durch die Walder von
Joruba nach Lagos. 1868 begleitete er die englische Expe-
dition nach Abessinien. 1869 ward er beauftragt, die Ge-
schenke des Königs von Preußen an den Sultan von Bornu
zu übermitteln; er kam mit denselben nach Tripolis, fand zu
Tunis in dem nun verstorbenen vr. Nachtigal den geeigneten
Mann zur Ueberbringnng dieser Geschenke, begab sich von
Tripolis zur See nach Benghasi, erforschte Barka und
die Oase des Jupiter Ammon und kehrte über Alexandria
nach Europa zurück, wo er sich 1870 in Weimar niederließ
und seine Reisen literarisch vermerthete. 1873 bis 1874 führte
er auf eine Aufforderung des Khedive eine ans zehn Deutschen
bestehende Forschungsexpedition durch die libysche Wüste nach
der Oase des Jupiter Ammon. 1875 bereiste er die ver-
einigten Staaten bis Kalifornien und kehrte dann wieder nach
Weimar zurück. 1878 sandte ihn die deutsch-nsrikaniscbe Ge-
sellschaft wieder aus mit dem Auftrag, das System des Schari
und die Wasserscheide zwischen diesem,»dem Congo, Ogowe
n. s. w. zu bestimmen, wobei Rohlfs zugleich die Geschenke
des deutschen Kaisers an den Sultan von Wadai überbringen
sollte. Er landete mit seinem Begleiter Di-. Stecker am
24. Oktober 1878 in Tripolis, erreichte am 24. Januar 1879
die Oase Sokna auf dem Wege nach Murzuk, und reiste dann
über Djalo nach Benghasi, von wo er und Stecker nm 27. Juli
ihren Weg fortsetzten. Die Expedition ward aber am 13. Sep-
tember in der libyschen Wüste überfallen und ausgeplündert, so
daß die Reisenden unverrichteter Sache nach Europa znrückkehren
mußten. Im Dezember 1880 reiste Rohlfs mit Or. Stecker
nach Abessinien, nm dem König Johannes die Geschenke des
deutschen Kaisers zu überbringen und Handelsverbindungen
anzuknüpfen, und kehrte im April 1881 über Massaua und
Suez zurück. Ende 1884 ward Rohlfs sodann zum deutschen
Generalkonsul in Zanzibar ernannt, wo er am 27. Januar
1885 auch glücklich eintraf und am 30. Januar die erste
Audienz bei dem Sultan Said Bargasch hatte.

Das Mrland bei Hamburg.
(Siehe die 6 Bilder auf Seile 804.)
Zu den bemerkenswerthesten Landschaften des Küsten-
gebietes der preußischen Provinz Hannover gehört das Alte-
land (siehe die 6 Bilder auf S. 604) auf dem linken Elb-
ufer in der Nähe von Hamburg, in dieser Stadt wegen seines
Obstreichthums meist „das Kirschenland" genannt. Es ist
ein überaus fruchtbarer Landstrich zwischen den Städten
Buxtehude und Stade, der gegenwärtig das Amt Jork des
Marschkreises Stade bildet, 25 Kilometer lang und 4 bis
7 Kilometer breit ist. Das Alteland wird im Norden von
der Schwinge, im Süden von der Este begrenzt; ungefähr
in der Mitte zwischen den Mündungen beider ergießt sich die
gleich den eben genannten Flüssen schiffbare Lühe, an deren
Mündung sich wegen der Seichtigkeit des Wassers an den Usern
eine ungewöhnlich lange Landungsbrücke für Dampfschiffe (siehe
die Skizze 1) befindet, in die Elbe. Alle drei Flüsse sind, so
weit sie dem Altenlande angehören, der Fluth und Ebbe un-
terworfen und daher auf beiden Ufern mit Deichen, deren
Charakter uns Bild 2 veranschaulicht, versehen, nm das Land
bei Sturmfluthen vor Ueberschweinmung zu sichern. Der
ganze Distrikt hat überaus fruchtbaren Marsch- oder Klei-
boden und ist berühmt wegen feiner trefflichen Viehzucht und
feines blühenden Ackerbaues, sowie namentlich wegen seiner
Obstzucht. Ganz besonders gedeiht im Altenlande die Kirsche,
deren Pflückzeit gewöhnlich in der zweiten Hälfte des Juni
beginnt und im August ihr Ende erreicht. Die Kirschenernte
beschäftigt innerhalb dieser Zeit die Bewohner fast ausschließ-
lich, und mährend die Männer das Pflücken und den Ver-
sandt im Großen besorgen, übernehmen die Frauen den Detail-
verkauf in den nahen Städten (Skizze 3). Außerdem werden
vom Altenland noch besonders Hanf nnd Flachs, Getreide,
Pferde nnd Schlachtvieh exportirt. Wenn man das Land durch-
wandert, so sieht man überall die freundlichen, vielfach bunt
bemalten Wohnhäuser an den Wegen zwischen den Obst-
waldungen liegen. Unmittelbar an der Straße befindet sich
ein bedecktes hölzernes Einfahrtsthor mit einer kleineren
Pforte für die Fußgänger (Bild 5). Die vordere Front des
auS Fachwerk ausgeführten Hanfes macht einen besonders
stattlichen Eindruck; das Holzwerk ist hier oft zierlich ge-
schnitzt und meist mit grüner und weißer Farbe bemalt. lieber
der inmitten dieser Front befindlichen Thüre ist ein großes
buntes Fenster mit kunstvollen Arabesken und dein Namens-
zug des Besitzers angebracht. Höchst befremdend aber ist, daß
diese Thüre von'außen weder Drücker noch Klinke hat, nnd
daß Niemand durch dieselbe ans, nnd ein geht. Es ist näm-
lich nur eine Noththüre, dazu bestimmt, bei Feuersgesahr eine
schnellere Rettung der Schätze des Besitzers zu ermöglichen,
denn sie führt zu einer Vorrathskammer, in welcher die werth-
vollste bewegliche Habe aufbewahrt wird. Eine Seitenthüre
führt zu den Wohnräumen und der Küche des Hanfes (Skizze 6),
welche letztere durch eine schwache, mit einer Thüre versehene
Zwischenwand von der großen Diele, auf der zu beiden
Seiten das Vieh steht, getrennt wird. Alle Räume des Hauses
sind so peinlich sauber gehalten, daß man dadurch unwill-
kürlich an die holländische Art erinnert wird, nnd in der
That sind auch die Bewohner des Altenlandes Nachkommen
von Niederländern, die im 12. Jahrhundert das Land urbar
machten. Sie bilden noch heute gewissermaßen ein kleines Volk
sür sich nnd halten treu an ihrer altüberlieferten Tracht und
ihren Sitten fest. Die Frauen und Mädchen tragen eine Jacke
von feinem schwarzen Tuch mit weiten Aermeln, die mit sechs
schweren Silberknöpsen besetzt nnd vorn offen sind, nm das
Rohur, ein breites Stück Goldbrokat, zu zeigen, ferner einen
Rock von kirschrothem Tuch, eine weiße Spitzenjchllrze und
feine braune Strümpfe. Die gewöhnliche Kopfbedeckung ist
ein Tuch, welches so um den Kopf geschlungen wird, daß es
die Haare vollständig verbirgt, bei festlichen Gelegenheiten
aber tritt an seine Ltelle das Scheitnch, in Form eines an
der Spitze eingedrückten Zuckerhntes;- dann trägt man auch

als Schmuck eine vielfache Schnur von Silberperlen oder
Bernsteinkngeln um den Hals und eine oft acht Meter lange
Silberkette nm die Taille. Die Männertracht hat größere
Verschiedenheiten aufzuweisen; ziemlich allgemein sind weite
Hosen aus Banmwollensammt nnd faltige Jacken. Die eigen-
thümlichen Bräuche der Altenländer lernt man besonders bei
den Hochzeiten kennen. Bei dieser Feier trägt die Brant eine
eigenartige Brautkrone, die mit künstlichen Blumen und Früch-
ten, mit Gold- nnd Silberkugeln besetzt ist. Dieser seltsame
Kopfputz wird im Hanse des Predigers anfbewahrt und gegen
eine Geldenkschädigung zum jeweiligen Gebrauch hergeliehen.
Nach Beendigung der kirchlichen Einsegnung, die in dem Hanse
des Bräutigams vorgenommen wird, geht es zu Tische, wo
die ,Suppe mit Fleisch und Rosinen und das Fattstück, ein
großes, in einem Fasse liegendes Stück Rindfleisch, nicht
fehlen dürfen. Dann reichen alle Theilnehmer an der Hoch-
zeit der jungen Frau die „Liebesgabe" (siehe Bild 4), ge-
wöhnlich je 4 bis 5 Mark betragend. Der Neuvermählte
handelt die Gesammtsumme, die sich oft auf 1000 bis 1500 Mark
beläuft, dann scherzweise seiner jungen Gattin wieder ab,
welche das Geld gemeiniglich für ein Glas Wein hergibt.
Hierauf wirft sie den anwesenden jungen Mädchen, die zu-
fammengetreten sind , ein Tischtuch zu, und die von dem-
selben Getroffene wird nach dem Volksglauben die nächste
Braut sein. Dann wird wieder weiter getafelt und gezecht,
nnd auch am nächsten Tage findet noch eine fröhliche Nach-
feier statt.

Der neue Anzug.
(Siehe das Bild auf Seite 605.)
Es gehört nicht nur das scharfe Auge des Künstlers,
sondern auch warme, lebendige Theilnahme an den kleinen
Leiden und Freuden bescheidener Menschen dazu, nm in so
vollendeter, von leisem, wohlthuendem Humor durchwehter
Weise eine Scene aus dem täglichen Leben unserer Landlente
auf der Leinwand zu verewigen, wie dies I. Sperl in dem
trefflichen Genrebilde „Der neue Anzug" gethan hat, von
dem wir auf S. 605 unseren Lesern eine Holzschnittnachbil-
dung bringen. Der prächtige kleine Bube, der von der älteren
Schwester geführt, sich dem Vater in seinem neuen Anzug
vorstellt, und dabei halb freudig stolz, halb zaghaft zu dem
ihn kritisch Musternden aufsieht, der Vater selbst, die daneben
stehende, gutmüthig lächelnde Mutter, die Großmutter in der
Küche und das stumpfnüsige, am Boden sitzende Büschen, ja
selbst die sanfte Mieze und der struppige Rattenfänger —
Alle zeigen so deutlich in Stellung, Geberde und Gesichts-
ausdruck ihren Antheil an dem wichtigen Ereigniß und wissen,
gerade weil der Künstler jeden aufdringlichen, äußeren Effekt
vornehin verschmäht hat, den Beschauer so lebhaft in's In-
teresse zu ziehen, daß er sich auf das Angenehmste nnd Ge-
mütvollste bewegt fühlt, eine Wirkung, die nur ein echtes
Kunstwerk auszuüben vermag.

Die Einnahme der Alhambra.
(Siehe da-Z Bild auf Seite 609.)
Acht Jahre hatte der Krieg gegen das Königreich Gra-
nada, deti letzten Rest der Maurenherrlichkeit in Spanien,
bereits gewährt, als Ferdinand und Isabella von Spanien
mit ihren Heerhaufen im Frühjahr 1490 gegen die Haupt-
stadt des maurischen Königreiches vorrückten, entschlossen, -die-
selbe zu Falle zu bringen und auf den Thürmen der stolzen
Alhambra das Kreuz aufzurichten. Der schwache Mauren-
könig Abdallah oder Boabdil, wie er von den kastilischen
Schriftstellern genannt wird, erleichterte und beschleunigte
diesen letzten Akt des weltgeschichtlichen Dramäs durch sein
unkluges Verhalten. In innere Fehden, besonders mit seinem
Oheim El Zagal verstrickt, vermochte er nicht, alle Kräfte zu
entschlossenem Widerstande gegen den äußeren Feind znsammen-
znraffen, während das spanische Heer in der Ebene La Vega
vor Granada ein großartiges Zeltlager errichtete, von dem
aus die Belagerung mit allen Hilfsmitteln damaliger Kriegs-
kunst geführt wurde. Indessen standen die Manren den Spa-
niern an Tapferkeit nicht nach, viele Ausfälle wurden ge-
macht, viele ritterliche Kämpfe bestanden, die von arabischen
und kastilischen Dichtern in Romanzen nnd Elegien gefeiert
wurden. Mit der Zeit aber erlahmte der Widerstand der
Moslemin, besonders, da ja auf Entsatz doch nicht zu rechnen
war, und es wurden von beiden Seiten Bevollmächtigte er-
nannt, um über die Uebergabe zu unterhandeln. Nachdem
von dem Vezir Abnl Kazim Abdalmalik und dem gewandten
Spanier Gonsälvo de Cordova die Bedingungen der Kapitu-
lation vereinbart worden waren, konnte am 2. Januar 1492
das spanische Königspaar an der Spitze deS Heeres in Gra-
nada seinen Einzug halten. Unser Bild auf S. 609 ver-
anschaulicht den welthistorischen Moment, wo der unglückliche
und unwürdige Manrenfürst Abdallah tiefgebeugt Ferdinand
> nnd Isabella die Schlüssel der Alhambra, jenes stolzesten
Denkmals maurischer Herrlichkeit in Spanien, überreicht, um
sich dann in die Verbannung zu begeben. Auf einer Felfenhöhe,
die noch jetzt im Volksmunde „der letzte Seufzer des Mauren"
heißt, wendete er sich noch einmal zurück, um einen letzten
Blick auf den Schauplatz feiner entschwundenen Größe' zu
werfen. Er, siedelte mit seiner Familie nach Fez über, wo
er im Dienste des afrikanischen Fürsten in der Feldschlacht
seinen Tod sand. Mit der Eroberung von Granada erreichte
die arabische Herrschaft in Spanien nach achthalbhundert
Jahren ihr Ende, aber auch die Blüthe jener Landstriche, die
von den Bekennern des Islam in einen Garten verwandelt
worden, war auf immer dahin. Indessen erschien dieser
Sieg der gesammten Christenheit so bedeutend, daß sie darin
einen Trost und eine Entschädigung fand sür den Verlust von
Konstantinopel, das 1453 in die Hände der OSmanen ge-
fallen war.
 
Annotationen