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SCHLOSSBAUTEX.

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In ungefähr halber Lebensgrösse erübrigt
noch ein Holzbild der stehenden Mutter Anna
mit der kleinen Maria auf dem linken Arm,
der indess das Jesukind fehlt — nach der ge-
äugelten Gewandung bei sonst geschickter Durch-
führung schon eine Arbeit aus dem Ende des
15. Jahrhunderts. Der früheren Zeit desselben,
weil noch frei von niederländischen Einflüssen,
möchte eine kleine Pieta von Holz in einem
Heiligenhäuschen an der Ecke des Kirchhofes
zukommen; leider ist das Bild sehr verwittert und
schadhaft namentlich in dem Haupte und den
Extremitäten des sonst gut gebildeten Christus-
körpers. Das Bild der Mutter zeigt ein zart
übergelegtes Kopftuch und eine vorsichtig nach
Kücken und Tiefen vertheilte Gewandung ohne
irgend welche Manierirtheit.

Der ,Torcksplatz‘liegt auf der Mitte des
Raumes von der Kirche bis zur Lippe und be-
greift die Stätte einer Burg, welche nacheinander j
von verschiedenen Herren und zuletzt über drei-
hundert Jahre von den Torcks bewohnt war. Seine
Bodengestaltung lässt noch auf eine ziemlich re-
gelmässig angelegte Wasserburg schliessen; denn
drei flache Erhebungen durch Tiefen geschieden
bezeichnen die beinahe geradbegrenzten Stätten
der Hauptburg, östlich daneben der Vorburg,
die bis in die neueste Zeit noch ihre Scheune
hatte, südlich von ihr den Apfelhof; südöstlich
von diesem stand die Mühle an einem Bache,
welcher im Osten, wie die Lippe im Norden die
ganze Anlage deckte und mit Wasser versah.
Dass sie noch einigermassen im militärischen
Sinne der Neuzeit vervollkommnet war, ergibt
sich daraus, dass 1673 sich die Franzosen nächst
der Stadt Hamm auch dieses Schlosses bemäch-
tigten und es am 26. Januar gegen einen ihnen
verrathenen Ansturm der Churbrandenburgischen
vertheidigten, der so heftig war, dass die letzteren
gegen 500 Todte verloren, unter diesen auch den
Major von Syberg. Am 2. Februar besichtigten
der Bischof Bernhard v. Galen und der Marschall
Turenne die Position und verstärkten die Be-
satzung um 300 Mann; daher die Umgegend
noch lange unter Kriegswehen zu leiden hatte.

-<XX>-

Die Grafen von Isenberg, ein Abzweig des
Altenaer Grafengeschlechts, gründeten, wie früher

erwähnt, im Nordwesten der Mark gewiss bald
nach 1180 eine kleine bis auf das Nordufer der
Lippe ausgedehnte Herrschaft und sicherten sie
mit der Burg und Stadt Nienbrügge. Allein
der Mord, den Graf Friedrich an seinem Anver-
wandten, dem Erzbischöfe Engelbert von Köln
1225 vollzog, kostete ihm den Kopf, seiner Familie
fast den ganzen Besitz bis auf einige Lehensherr-
lichkeiten. Nienbrügge wurde dem Erdboden
gleich gemacht, die Bevölkerung nach Hamm
verpflanzt, der Besitz 1243 gegen theilweise Ent-
schädigung bis auf einige Lehen dem Grafen
Adolf von der Mark abgetreten: so namentlich
ausser gewissen Höfen die Vogtei und das Gericht
des Dorfes Unna, das Gebiet der Nordenfeldmark,
viele Lehen, welche Burgmänner zu Mark schon
unter hatten, und eine Anzahl von Hörigen,
zumal die nach Hamm versetzten Nienbrügger.
Der Platz lag, wie die Quellen zu verstehen
geben, auf beiden Ufern in der Nähe von Hamm
und auch mit dem Autheile des Nordufers in
der Pfarrei Herringen; denn deren Pfarrer liess
sich, als das Gebiet nach Hamm eingepfarrt
wurde, für einen Zehnten von Aeckern entschädi-
gen. Da die Kölner Diöcese nirgendwo auf das
Nordufer reichen konnte, so muss hier durch die
Lippe nach der Christianisirung ein Stück Landes
vom alten Bructerergebiete abgelöst und später
von den Isenbergern in die Burganlage von Nien-
brügge hineingezogen sein. In der That macht
noch heute der Fluss etwa eine Viertelstunde west-
lich vom Balmhofe Hamm eine starke Schwen-
kung nach Süden und dort, wo diese beginnt, liegt
wahrscheinlich der alte Lauf noch in einem tiefen
Rinnsal vor, welches im Norden der Lippe ein
kleines Uferstück umfasst. Hier hat offenbar
Nienbrügge gestanden; hier bei der ,krausen
Linde1 traten noch lange die Spuren einer Burg
zu Tage; hier ragen, wie man versichert, bei seich-
tem Wasserniveau an zwei Stellen alte Brücken-
stützen aus dem Flussbette hervor, und zwar
an der einen die Reste von Pfählen und etwa
40 Schritte westlicher die Fundamente von Stein-
pfeilern. Hier zeigt das Südufer, trotzdem es
niedrig liegt, viereckige Erdformationen mit
Rücken und Zwischengräben, deren Wälle noch
bis in die Frühzeit unseres Jahrhunderts be-
standen haben sollen, und hier lieferte das hohe
 
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