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HEMMERDE.

und anderer Meister verbreiteten, so dass das
Architektonische gegen das Effektvolle zurück-
tritt; selbst in den durchbrochenen Füllungen des
hühern Mittelfeldes und der niedrigem Seiten-
theile vermag sich das architektonische Gerippe
von Eselsrücken in dem wuchernden Blattwerk
nur mit Mühe Geltung zu verschaffen. Wenn der
Künstler des Altares zu Rhynern die Figuren
sorgfältigst auf allen Seiten ausführt und die
Wirkung von der ganzen Gruppe erwartet, will
der Meister von Lünern schon jede Gestalt
als solche malerisch auftreten lassen, und daher
cultivirt er auf Kosten der individuellen Voll-
kommenheit namentlich ihre der Gemeinde zu-
gewandten Seiten; daher werden Gesichter und
Hände vernachlässigt, daher das Bestreben, den
Köpfen eine sentimentale Haltung, den Gesich-
tern eine Wendung nach dem Beschauer und
durch Betonung des Bartes und der Nase einen
kräftigen Ausdruck zu geben, daher die Kraft-
attitüden der Henker und die breit gehaltenen
Gewandflächen mit langen Faltenrücken, daher
die grossen Gestalten selbst und endlich die
Berechnung auf die Polychromie. Die Fleisch-
theile, die Rückseiten der Gewänder, die Pferde-
geschirre sind auch hier bemalt, alles Uebrige
mit Glanzgold bedeckt und die Kleidersäume
noch mit blauen Rändern bedacht, diese präch-
tig mit goldenen Ziermustern übersponnen. Die
Gruppe der Grablegung hat heute eine häss-
liche Färbung — doch scheint durch dieselbe
noch stellenweise das Gold, stellenweise das
Blau, also die Spuren der ursprünglichen Po-
tychromie, die hier dem Golde nur einen be-
schränkten Raum gestattet hat. Unser Werk
thut mit dem Ornamentalen seines Gerüstes,

mit dem Effektvollen seines Bildnerischen einen
erheblichen Schritt weiter vom Mittelalter zur
Neuzeit, es lässt den neuen Stil der Renaissance
schon deutlich durchklingen in kleinen Gebil-
den, nämlich in den als Putti aufgefassten Engeln,
welche sich oben in die krönende Hohlkehle der
beiden seitlichen Hauptfelder legen und meistens
die Schwingen verloren haben. Das Stilistische
und das Costüm zusammen lassen das Bild-
werk als eine Arbeit des 16. Jahrhunderts, etwa
des Jahres 1520, erscheinen. Leider sind die
bemalten Flügel des Altars bis auf einen, dessen
Darstellungen unkenntlich geworden, spurlos ver-
schwunden. An zwei figurenreichen Holzreliefs
der Kreuztragung und Kreuzabnahme des Herrn,
die der Bildhauer Fleige zu Münster aus dem
Nachlasse des Bildhauers Prange daselbst er-
standen hat, gewahren wir grössere Figuren,
sonst dieselbe Meisterhand iii der Gruppirung,
in der malerischen Gewandung, in der glück-
lichen Polychromie, die an den Gewandsäumen
wieder ganz sorglich und fein ist, und nament-
lich in den Physiognomien der Hauptgestalten;
der Ausdruck wird übertrieben, die Proportion
gerundet, damit ja die Wirkung nicht ausbleibe;
es sind wiederum die Trümmer eines grossen
Schnitzaltars zu Dinker, wovon ich eben noch
die Gruppen unter dem Kreuze und einige
Figuren derselben Auffassung, Behandlung und
Färbung entdeckt habe.

Auf dem Kirchhofe steigt empor, entworfen
vom Baurath Hartmann und ausgeführt von
Friedrich Weismann in Westhofen, über einem
prismatischen Sockel eine Steinsäule mit dem
Adler als Denkmal der 1870/71 gefallenen Vater-
landsvertheidiger der Gemeinde.

U.-B. d. H. W. XV, Nr. 1060: I, Nr. 118: — N. U.-B. U, Nr. 374; — Eeg. H. W., Nr. 1785; — Kampsclmlte, S. 83; — v. Stei-
nen II, 868 f., der als Datum der "Wetterfahne 1724 verzeichnet; — Liibke, S. 216, 394; — Aufnahmen des Herrn Bauraths Hart-
mann; — Mittheilungen des Herrn Superintendenten Polscher. — Local-TJntersuchung und -Aufnahmen.

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Hemmerde.

Hemmerde, als Oertlichkeit gegen 900 Ha-
marithi, später Hamerethi, 1147 Hemer da,
1179 Heymerden, sonst schon wie 1152, wo
ein Widecho daselbst wohnhaft ist, Hemerde,
1470 Kerckhemerde geschrieben, hatte also schon

u

früh urkundlich einen Namen und gewiss auch
eine Kirche; 1290 24/8 wurde deren Patronat
vom Grafen Ludwig von Arnsberg dem Grafen
Everhard von der Mark und fünf Tage darauf
von diesem dem Kloster Scheda übereignet.
 
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