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KIRCHENBAU.

117

v

Die evangelische Kirche.

Die Kirche erhebt sich noch innerhalb be-
trächtlicher Reste der alten Kirchhofsmauer und
wiederum, wie die meisten altern der Gegend,
auf einer Anhöhe, und zwar als einschiffiger
Kreuzbau mit polygonem Chore ohne Yorlage
und einem viereckigen Thurme im Westen; im
Kreuzbau, dessen Flügel oblong, parallel zur
Längenachse und deswegen weniger ausgeladen
sind, liegen noch die klarsten Erbtheile des rein
romanischen Stiles vor; in den Ostmauern die
Nischen, — die nördliche später behufs des Sa-
kristeibaues verstümmelt, — in der nördlichen
Giebelwand ein kleines Rundbogenfenster — das
Gegenstück an der andern Seite später gothisch
umgestaltet, — hier auch die alte Thüröffnung,
dort vermauert und tief gesunken das rund-
bogige Gegenstück, ferner die vier rundbogi-
gen Gurten der Vierung, deren westlichen
Kämpfer als Schräge mit Schachbrettornament,
deren östlichen als klare Gesimse gebildet, und
die beiden flankirenden Säulchen der Seiten-
apsiden. Ihre Basen stecken im Boden, ihre
Würfelcapitäle sind an den Wangen mit Orna-
menten, überhaupt mit gut gezeichneter Skulp-
tur und oben mit Deckplatten versehen, die
entweder kräftige Profile oder Schachbrettverzie-
rung haben. Die Kappen, welche auf gekehlten
Kreuzrippen ruhen, bestehen aus Pliesterwerk.

Dieselbe Bauzeit und gewisse Stilschönheiten
theilt das Mauerwerk des Langhauses wenig-
stens im Kern. Ein breiter beiderseits gestufter
Quergurt gesetzt auf Wandpilaster, dessen Mauer-
ecken den Stufen und Schildgurten entsprechen,
zerlegt den Raum in zwei viereckige Gewölbe-
felder, deren Kreuzrippen indess nur Schein-
kappen, wiederum von Pliesterwerk, tragen. Die
Kämpfer zeigen wie die westlichen des Kreuz-
baues noch die Schräge mit Schachbrettorna-
ment, also romanische Bildung, die Gurten hin-
gegen einen steifen Spitzbogen. Da Gurtbögen
und Pilaster die Form eines Hufeisens, die letz-
teren je tiefer nach unten, um so weitere Ab-
lösung vom Mauerwerk haben, so scheinen sie
später für die Wölbungen angesetzt, die letzteren
aber allmälig so lastend geworden zu sein, dass
jene die sonderliche Gestalt, die Langwände aber

eine Verstärkung an plumpen Streben und endlich
die Felder statt der Steindecke eine solche aus
leichterem Material erhielten. Es wäre danach
das Mauerwerk älter als die Gurten, im Kerne
wol gleichzeitig mit dem Kreuzbau und später
beim Einsatz der Gewölbe etwas aufgehöht.
Mögen auch die Gurten noch aus der frühem
Gotliik stammen, die leichten Wölbungen im
Kreuzbau und im Langhause gehören jeden-
falls entweder der Zeit von 1483, wo ein neuer
Schnitzaltar angeschafft wurde, oder der Zeit
des Chorbaues, die stichbogigen Fenster viel-
leicht einer Restauration oder Verunstaltung von
1692 an. Der ohne Vorlage fünfseitig angebaute
Chor, in den Fenstern mit verflachtem Maass-
werk behaftet, ist offenbar eine Leistung der
spätesten Gothik und zwar des Jahres 1543,
das an der Rückwand eingegraben ist; das Näm-
liche gilt von der Sakristei im Nordwinkel des
Kreuzarmes.

Frühgothischer Zeit und vielleicht dem Jahre
1290, als das Patronat verschenkt wurde, eignet
der Thurm; das beweisen der zur Kirche füh-
rende Scheidebogen, che langen Lichtschlitze
der zweiten Etage mit Spitzbogenschluss, die
gut geschnittenen Rippen des Kreuzgewölbes
darüber. Die unförmlichen Schallöffnungen oben
sehen aus wie Verstümmelungen einer sehr origi-
nellen Anlage, nämlich einer gekuppelten in
jedem Theile mit Nasen besetzten Oeffnung, wie
sich deren oben in der Ostmauer noch zwei
kenntlich erhalten haben. 1726 wurde die bau-
fällige Spitze durch die jetzige ersetzt und ge-
wiss auch das hölzerne Kranzgesimse aufgelegt.
Der vor etwa zehn Jahren restaurirte Eingang
hat in der Barockzeit eine einfache Umrahmung
erhalten, dessen Bogenfeld .früher ein Wappen
oder eine Inschrift enthalten hat. Die Sand-
steinquadern des Mauerwerks sind mehrfach
durch einen Kalküberzug verdeckt.

Sieht man von dem Baufälligen und Un-
harmonischen ab, so macht der ganze Bau mit
den Kreuzgiebeln, dem hohen Dache des Chores
und Kreuzes, dem niedrigem des Langhauses
und dem kräftigen hochbehelmten Thurm eine
wechselvolle Silhouette.
 
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