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UTENSILIEN UND KLEINODIEN.

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Viereckig und schlank steigt das Schloss über
einem Souterrain in zwei Geschossen mit vierecki-
gen Fenstern bis zu dem hohen Walmdaelie em-
por; — ein polygoner neugothischer Thurm mit
schlanker Pyramide an der Nordostecke, ein vier-
eckiger Thurm auf der Osthälfte der Fa9ade, den
ein Kuppeldach mit Zwiebelspitze krönt, der breite
Spiegel eines Kingwassers, mächtige Baumgrup-
pen an der Ostseite verbinden sich recht ein-
trächtig, um dem an sich schlichten, aber mäch-
tigen Werke eine bauliche und romantische Wir-
kung zu geben. Sicher hat, laut dort aufbewahr-
ten Notizen und Wappendaten, jener Plettenberg
den südlichen Vorplatz in jener sauberen Art
an drei Langseiten mit den Oekonomie- und
Nutzbauten eingefasst, wie wir sie heute dort an-
treffen. Sie sind nicht hoch, doch stellenweise
mit Zier ausgeführt und über den Hauptportalen
rundbogig gewölbt. Vor der freien Flanke im
Norden liegt geschieden durch den hier engen
Wassergürtel das Schloss und gewährt eine
angenehme Aussicht auf den Vorhof und durch
die im Süden angelegte Einfahrt auf die der
Kirche vorbeiführende Allee zum Dorfe. Von dem
ehemaligen Ringgraben des Vorplatzes gewahrt
man nur mehr eine trockene Bodensenkung.

Ein noch lebhafteres Interesse, wie dem Baue,
gebührt den Kunstwerken und Werthstücken,
die dem Innern Schmuck und ein Gepräge des
Reichtums gewähren. Würdig im natürlichen
Holztone und stilvoll ausgeführt prangt die alte
Holztäfelung des Speisesaales vom Jahre 1765;
nicht nur das Ornament der Flächen, sondern
auch das Rahmenwerk der Tküren, Schränke
und der gemalten Familienportraits, welche in
den Raum hinabschauen, athmen den ungebun-
denen und scheinbar gesetzlosen Geist des zei-
tigen Rococco; unter den Portraits sticht her-
vor eine, nach dem auch nicht gleichzeitigen
Originale zu Nordkirchen gefertigte, Copie des
grossen Deutsch-Ordens-Meisters Walther von
Plettenberg (1493—1535).

Dazu kommen ein 1,625m hoher 0,865m
breiter Spiegel im Rahmen und selbst in der
krausen Umrandung des Halbkreisaufsatzes aus
Glasleisten gebildet, zwei Spiegel mit Silber-
rahmen, der grössere davon in geschweifter
Form 0,56m hoch 0,43m breit, der andere mit

dem Bodelschwingh’schen Doppelwappen und den
Buchstaben C. v. B. — weiterhin als eingelegte
Möbelarbeiten aus dem Ende des vorigen Jahr-
hunderts zwei Schränke: der eine ist ein Stollen-
schrank in den Fronten der beiden Thüren auch
mit zwei Wappen belegt, der andere, eine Com-
mode, hat bei 1,84m Höhe und 1,19m Breite eine
wellige Fronte, einen etwas verjüngten Aufsatz und
unter den eingelegten Ornamenten auch Blumen.

Vom alten Familienschatze ist im Anfänge
unseres Jahrhunderts manches Stück auf dem
Altar des Vaterlandes geopfert, und dennoch
beruhen hier Kleinodien, die durch die Form,
die Technik oder die stilistische Zusammenge-
hörigkeit jeden Beschauer fesseln werden. Ein
Pokal aus Kokosnuss, im silbernen Deckel, im
Fusse und Rahmenwerk mit Früchten und Linien-
werk verziert, gehört der Spätrenaissance an; die
werthvollsten oder niedlichsten Sachen sind um
1700 im reichen Barockstile gefertigt: so ein
einfacher Henkelbecher mit dem Stempel HK,
eine Terrine mit Becken bestempelt mit einem
links schauenden Adler und dem Meisterzeichen
G. M. A., ein silberner Vexirbecher mit den
Marken des Tannenapfels und den Buchstaben
P. S., ein mit Lasurstein belegtes Silberbe-
steck und ein zweites, dessen Löffelchen die
Marke des Tannenapfels tragen, ein Abend-
mahlsbecher gestellt auf Ftisse mit drei anti-
kisirenden Köpfen, ein Kelch mit dem Teller
formvoll im Stile der Zeit durchgeführt und
beschrieben: lobst Henrich von Plettenberg und
Anna Sophia von Huchtenbrock, Herr und
Frau zu Heeren geben diesen Kelch den 25. No-
vember A° 1695. Entstammen diese Stücke
meistens Augsburger AVerkstätten, so schil-
lern und glänzen wie kleine Siegeszeichen der
Pariser Goldschmiedekunst folgende Kleinodien
und Schmucksachen: ein Fingerring mit sub-
tilster Steinfassung, ein mit Sammet und Gold
ausgeschlagenes Toilettenkästchen von Silber,
ein zerlegbares silbernes Schreibzeug, eine als
Petschaft geformte Spieluhr mit einem Ringe
von getriebenem Golde mit Emailzier — Ohr-
ringe mit Perlen, ein Ohrgehänge mit Email
und echten Perlen auf den Sicheln des Gebom-
mels, eine sehr reiche Gürteluhr; das Gehäuse
ist von Gold, die Rückseite in Email mit dem
 
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