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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 3/4
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G., L.: Franz Keller-Leuzinger: (geb. den 30. August 1835 zu Mannheim, gest. den 19. Juli 1890 zu München)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0030

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■j- 26 -*■

kseimbcrgcr Töpfer gefertigten Zeichnungen in die Hunderte; das vor
dem Verfasser dieses liegende Bruchstück eines von Keller's kfand mit
Abbildungen versehenen Preisverzeichnisses enthält in ununterbrochener
Folge über hundert Nummern — ein Beweis, wie tiefeingreifend seine
Thätigkeit für diese Pausindustrie gewesen.

Die häßlichen Angriffe, denen Keller wegen der Münchener Medaille
ausgesetzt war und der darin sich offenbarende Mangel dankbarer

Anerkennung seitens der Töpfer
konnten ihn umsoweniger er-
muthigen, den großen, bisher
gebrachten materiellen Gpfern
noch weitere hinzuzufügen, als
auch bei der ;878erpariscr wclt-
ausstellung seine Arbeiten in be-
trächtlicher Zahl vertreten waren,
ohne daß seiner nur im Gering-
sten gedacht worden. Da er auch
zu wenig kaufmännisches Geschick
besaß, so zog er sich um diese
Zeit von peimberg zurück und
lieferte nurnoch bis in den Beginn
der 8ver Jahre hin und wieder
einzelne Entwürfe dahin; daß
die dortige Industrie ihm ihren
künstlerischen Aufschwung
verdankt, ist eine unbestreitbare
Thatsache und wird ihm stets
als eines seiner größten Verdienste
angerechnet werden müssen.

Die Neigung, welche er zu diesen keramischen Erzeugnissen ein
Mal gefaßt hatte und welche in seiner vorwiegend malerisch veranlagten
Natur wurzelte, verließ ihn aber nicht; auf Anregung des Großherzogs
von Baden führte er dieselbe Industrie in villingen ein, wo der pafner
Joh. Glatz, der bis dahin nur kleine Kachelöfen fertigte, sich rasch
und mit verständniß in die neue Technik einarbeitcte (seit ;876) und
sein Geschäft bald in Blüthe brachte. Noch heute werden die dort
nach Keller's Entwürfen ausgeführten Majoliken gerne gekauft, obgleich
Glatz jetzt auch nach andern Vorbildern arbeitet. Die Firma
Tritfchler & Lic. in Stuttgart, — ein lhaus, welches dadurch, daß
es diese und andere Bestrebungen Keller's auf kunstgewerblichen!
Gebiet in hervorragender weise unterstützte, manchem andern als Vor-
bild dienen könnte, — erwarb eine größere Anzahl Keller'scher Ent-
würfe, welche von Glatz aus-
geführt wurden. (S. d. Abbild-
ungen auf S. 2^).

So wichtig und epoche-
machend Keller's Thätigkeit
auf keramischem Gebiet auch
war *), so war er doch zu viel-
seitig veranlagt und zu rastlos
thätig, als daß er sich damit
allein begnügt hätte; zahllos
sind seine Entwürfe für Glä-
ser^), Bronzen, Schmiedear-
beiten, Gravirungen, Llfenbein-
geräthe, Möbel, Stickereien,
Prunkgefäße, Leinewebereien rc.,
die er fast so rasch wie er sie
erdacht auch auf's Papier brachte
und mit großer Fertigkeit in
Farben setzte. Die diesen Le-
bensabriß schmückenden Abbild-
ungen, welche zum Theil leider
nach schadhaften Griginalzeich-
nungen, meist in starker Verkleinerung, hergestellt werden mußten,
geben nur ein schwaches Bild seiner reichen Thätigkeit und seiner

1) Er lieferte gelegentlich auch anderen keramischen Fabriken Entwürfe, z. B.
villeroy & Boch (Mettlach), Zaißt und Uechtritz (Schramberg), Merkelbach und wirk
(.Grenzhausen). 2

2) Auch vielfach für Tritfchler 8c Tie entworfen ; ferner für die Glasfabrik von
van houten (Bonn.)

Gewandtheit der Darstellung. *) Nichts war ihm zu gering, um nicht
einer künstlerischen Behandlung werth zu erscheinen.

Sein lebhafter Geist, seine feurige Energie, mit welcher er Andere
für seine Anschauungen sortzureißen wußte, befähigten ihn ganz be-
sonders zum Lehramt; sein Wunsch, auch dem Kleinsten im häuslichen
Kreise eine künstlerische lveihe zu geben — hat er doch auch dem ge-
wöhnlichen Kllchengeschirr seine Aufmerksamkeit zugewendet — be-
stimmte ihn hauptsächlich, seine Lchrsähigkeit in den Dienst der
Frauen zu stellen. So wirkte er zuerst f877—78 in Karlsruhe au der
„kunstgewerblichen Anstalt für Mädchen und Frauen", deren Seele er
war und welche durch seinen Weggang nach Hamburg lahm gelegt
wurde. Abbildungen nach solchen Schularbeiten enthalten originelle
Kreuzstich- und andere Stickereien, gemalte Fächer und Vasen, geätzte
Arbeiten u. s. w.

Nach Ejamburg wurde Keller vom „Verein für Förderung
weiblicher Erwerbsthätigkcit" als Lehrer für die in den Beruf der
Anstalt fallenden kunstgewerblichen Unterrichtsfächer berufen; seine zu
Gstern ;878 begonnene Thätigkeit daselbst währte nur ein Jahr, da
die voin ihm zu Studienreisen gewünschte Verlängerung der Ferien

Doppelschale in Majolika

mit Fassung in Silber, mit theilweiser Vergoldung. — Ungefähr 3/;, der ivirkl. Größe.

nicht zu ermöglichen war. Er begründete dann ein freies Atelier für
kunstgewerblich arbeitende Danien, übergab dasselbe jedoch später
seinem Mitarbeiter, Architekt viviL, späterem Kustos des Gcwerbe-
mnseums zu Reichenberg in Böhnien, und zog nach Stuttgart. Die
Hamburger Gewerbeschule für Mädchen ist, obwohl sie nur kurze Zeit
sich der Kraft Kellers erfreute, demselben für seine vielseitigen An-
regungen stets dankbar geblieben.

Im Jahre Z880 ließ er sich in Stuttgart nieder, wo er vielfache
Förderung seiner Interessen fand; bis zu seiner zweiten brasilianischen
Reise — ;88S — hatte er hier seinen wohlisih. Als Anerkennung für die
außerordentliche künstlerische Anregung, welche er hier nach allen Seiten
hin gab, erhielt er vom König von Württemberg die Medaille für
Kunst und Wissenschaft; eine gleiche Medaille wurde ihm schon (878
vom Großherzog von Baden und später voin König von Bayern verliehen.

In den 80crJahren warKellcr in künstlerischer Einsicht namentlich
für typographische Ausstattung beschäftigt; von ihm stammen eine
Reihe der schönsten Titelblätter^) her, jedes in seiner Art geistvoll
durchdacht und in kraftvoller Komposition malerisch dnrchgeführt, wobei

1) Die Tlichös sind aus der Aunstanstalt von vr. E. Albert 8c Tie.

2) wir nennen nur „Tarquinii 8c vulci", dann die für ). v. Falke's „Hellas
und Rom", — von G- Ebers' „Palästina".

Väschen mit Bronzefuß.

V3 d. wirkt. Größe.

Väschen mit Bronzefuß.

V3 der wirkl. Größe.
 
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