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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 7.1911/​1912

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Seite 2

Blätter für Gemäldekunde

Bd. VII.

Die Gemäldekunde ist augen-
scheinlich ein Teil der allgemeinen
Kunstwissenschaft, sie ist all-
gemeine Kunstwissenschaft;), die sich
eben das Gemalte, die Gemälde
aus der ungeheuren Masse anderer
Kunstwerke herausgesucht hat, um
ihnen methodisch gerecht zu werden.
Dies geschieht der Reihe nach durch
die Beschreibung und Erklärung,
durch die Deskription und exegetische
Behandlung, ferner durch die ge-
schichtliche Beurteilung, durch die
kunstphilosophische Kritik und
durch die volkswirtschaftliche
Betrachtung.
Die Beschreibung von Kunst-
werken, also auch von Gemälden hat
eine Menge Hilfswissenschaften in
Anspruch zu nehmen. Die Darstellun-
gen wollen erkannt und erläutert
werden. Dazu kann irgend etwas aus
der gesamten sichtbaren Welt zur Ver-
gleichung nötig werden. Damit er-
gibt sich eine Annäherung an die be-
schreibenden Naturwissenschaften, z.
B. an die Anatomie, in zweiter
Linie eine Berührung mit den Funk-
tionslehren, mit der Physiologie und
Psychologie, gelegentlich mit der
Pathologie. Oder die mittelbare Dar-
stellung von Abstraktem (Allegorien,
Phantasien verschiedener Art, Fi-
*) Über den Namen und Begriff der Kunst-
wissenschaft soll demnächst ein eigener Artikel Aus-
kunft geben. Zunächst sei nur vor der Verwirrung
gewarnt, die Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft
gleichwertig behandelt. Die Kunstwissenschaft
ist das übergeordnete, und die Kunstgeschichte
bildet eine Hilfswissenschaft. Dieses festzustellen ist
nicht etwa nur dem Laien, sondern auch sehr vielen
akademischen Lehrkräften gegenüber nötig.

guren, Ornamenten) soll begriffen
werden. Die Ikonographie und
all' ihre Hilfswissenschaften, ferner
Geometrie (namentlich die darstel-
lende Geometrie in Bezug auf Linien-
perspektive) und Ornamentik ver-
binden sich daher auch mit der Ge-
mäldekunde.
Von großer Bedeutung für die Be-
schreibung ist bei Gemälden ferner die
Kenntnis der physikalischen Be-
schaffenheit und des Erhaltungs-
zustandes der Studiengegenstände.
Wieder sind es die naturwissenschaft-
lichen Methoden, die dem Kunstge-
lehrten Mittel und Instrumente zur
Verfügung stellen (z. B. die mikros-
kopische und die chemische Unter-
suchung).
Die Gemäldekunde hat aber
nicht nur auf fertige Bilder zu achten,
sondern auch auf das Entstehen der-
selben. In dieser Beziehung wird sie
psychologisch den Werdegang des
Kunstwerkes studieren und technisch
den Maler über die Materialien-
kunde unterrichten, soweit es Far-
ben, Bindemittel, Malgründe, ihre
Herstellung und Behandlungsweise
betrifft. Hiezu kommen begreiflicher
Weise wieder die Wissensgebiete der
Physik und Chemie besonders in
Betracht, die auch herangezogen wer-
den in allen Fragen der Gemälde-
erhaltung. Diese bildet eine Verbin-
dungsbrücke zur Nationalökono-
mie indem sie die Erhaltung von
Werten für den Staat betrifft. Die
Werte von Kunstsachen werden zu-
gleich gefühlsmäßig gebildet, und ver-
standesmäßig herausgearbeitet. Die
 
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