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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0412

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der, über den Kopf herunterlaufend, fast wie ein Mantel den
ganzen Obertlieil des Körpers bedeckt, als Braut dem Bacchus ge-
genüber auf einem alten Kunstwerke in Marmor sitzen, und lin-
den dieselbe Verschleierung auch an der Braut in der Aldobrandi-
nischen Hochzeit. Gewifs verstand das Mädchen, das hier die
Ariadne spielt, alle feine Künste des Schleierwurfs, womit auch
aufser der Lady Hamilton manche tcutsche Künstlerin (z. B.
die verdienstvolle Schauspielerin Meyer in Berlin) die zier-
lichsten Formen zu schalfen versteht, und so wird es deutlich,
wie sie hinler diesem Schleier die schüchterne Sehnsucht darzustellen
verstand. Bei dem Bacchisclien Rhythmus, welcher bei'ui Tanze
des Dionysos auf der Flöte geblasen wurde, denken wir an das,
■was schon der scharfsinnige Du Bos *) und nach ihm unser
Engel über den Gebrauch des rhythmischen Tactes zur Panto-
mime angemerkt haben. — AVenn Xenophon sagt: man hörte,
wie sie sich befragten, so darf diefs nicht buchstäblich ver-
standen werden. Denn eine mündliche Erklärung der Spielenden
selbst wäre der ärgste und unverzeihlichste Verstofs gegen die For-
derung dieser hlos in Geberden sprechenden Pantomime gewesen.
Xenophon will also dadurch nur so viel sagen, es war, als wenn
man's hörte, wie sie sich fragten. — Endlich erinnert die Leb-
haftigkeit, womit die Zuschauer die ganze Vorstellung beklatschen
und auf sich selbst anwenden, an Lucian's Bemerkung über die
Wirkung, welche der pantomimische Tanz auf die Seele der Zu-
schauer hervorbringe: „Nur dann wird dem Tänzer ein vollkom-
mener Beifall zu Theil, wenn Jedermann in ihm wie in einem
Spiegel sich selbst, und wie er zu empfinden und zu handeln
pflegt, zu erblicken glaubt; nur dann können sich die Leute vor
Freude nicht mehr zurückhalten und ergießen sich schaarenweise
in lautes Lob, wenn sie ihre Seelen gleichsam abkonterfeit sehen.
Und so verschafft ihnen dieses Schauspiel in der That jenes Del-
phische: Kenne dich seihst! und sie gehen hesser von dem,
was sie zu thun oder zu lassen haben, unterrichtet, als sie zuvor
waren, von dannen **)". Man sollte wirklich glauben, Lncian
habe den Schlufs des Xenophontischen Gastmahls hei diesen Wor-
ten vor Augen gehabt. Gebessert und jeder unnatürlichen Wollust
absagend, gingen auch hier die Gäste des Kallias auseinander.

Späterer Nachtrag des Verfassers.

"Was ich über die Pantomime Ariadne und Bacchus vor länger
als zwanzig Jahren iu einer Zeitschrift, mehr für Frauen als Mäu-

*) Du Bos, Reflexions T. III, p. 21. ff.

**) Lucian, deSaltat,c.8l.nach Wieland's UebersetzungTh,IV.S.440,
 
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