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Auf der Stätte der hölzernen Walldurg begann 1224 die Ausmauerung der festen Ritterburg, in der 1234
ein Magister Ricolfus waltete.
Nachdem 1237 der Deutsche Orden, als Erbe des Schwertbrüderordens, ganz Livland in seinen Besitz bekam,
wurde die durch Natur und Kunst so starke Burg Fellin ein Hauptstützpunkt und die vornehmste Livländische
Komturei dieses Ordens. Wir kennen die Namen von 38 Komturen zwischen 1248 und 1560. Im Jahre 1470 war
Fellin kurze Zeit Residenz des Ordensmeisters Johann Wolthutz von Hcrsc. >
Von dem recht hohen Gelände schneidet ein kleiner, tiefliegender Bach eine nach Südwest zugespitzte Land-
zunge ab, auf deren Ende der K o n v e n t s b a u , umgeben von der e r st enVorburg, liegt. Die z rwe i t e
Vorburg ist durch tiefen breiten Graben von
der ersten, ebenso die dritte von der zweiten ge-
trennt, jedoch so, dah die Mauer des Burgbe-
ringes die Enden der Gräben absperrt. Die
Stadt Fellin, nordöstlich von der dritten
V o rburg , ist gleichfalls durch tiefen Graben
von der Burganlage getrennt, doch so, das; auch
hier die Stadt und die Burgmauer an
den Enden des Grabens ineinander übergehen
(siehe den Plan). Über die 1. Vorburg hinweg ist
mit dem Konventsbau die in das kleine Bachtal
hineinragende Danskeranlage verbunden, deren
Autzenmauer noch heute hoch emporragt.
Von der einst so stattlichen Burg Fellin ist
kein einziges Gemach mehr erhalten, lediglich
Fundamente, einzelne höhere Mauerteile aus
Backstein und ein einziger Torbogen zwischen der
1. und 2. Vorburg. Die Fundamente sind aus
Findlingen gemauert, während Kalkstein verhält-
nismäßig wenigVerwendung fand, ausgenommen
bei den ornamentalen Teilen, die unter den
Schuttmassen aufgefundcn wurden. Sie stellen
romanische und frühgotische Skulpturen von nicht
geringer Schönheit dar.
Die erste Ausgrabung*) fand 1878—7S statt,
nachdem der General Friedrich von Ditmar zu
Neu-Fennern die Mittel für diesen Zweck zur
Verfügung gestellt hatte. Leiter der Arbeiten
war der damalige Oberlehrer des Fellinschen
Ritterschaftlichen Landesgynmasiums Dr.Theodor
Schiemann, sonach Professor in Berlin und
Rektor der Universität Dorpat. Die reiche Aus-
beute an schönen ornamentalen Stücken und son-
stigen Funden ist in dem damals begründeten
Ditmar-Museum der Felliner Literarischen Gesell-
schaft vereinigt**). Später haben noch einige
Ausgrabungen unter der Leitung des Architekten
Neinhold Guleke 1889 stattgefunden und zuletzt
1908 in der St. Katharinen Grabkapelle der
Ordensritter, nahe der Nordwestseite der Burg,
unter der Leitung von K. v. Löwis os Menar.
ünter den zahlreichen Fundstücken wären hervor-
zuheben die beiden runden Säulen, bei denen der Übergang zum viereckigen Kapitell durch Weinlaubornament
mit Trauben gebildet wird. Die kleineren Säulen sind meist zu zweien gekuppelt und verziert mit verschiedenem
Blattwerk, Menschen-, Vögel- und vierfützigen Tierfiguren, darunter eine Darstellung der Fabel vom Fuchs und
Storch, alles in Hochrelief, sehr lebendig in der scherzhaften Art des liebenswürdigen romanischen Stils.
Diese hervorragende Burg des Ordens in Alt-Livland war im späteren Mittelalter nicht den Kriegsstürmen
ausgesetzt, denn der mächtige Orden schützte das innere Land vor den heidnischen Nachbarn. Erst der Zusammen-
bruch der geistlichen Herrschaften Livlands ermöglichte es den Feinden, auch vor Fellin zu erscheinen. Die Mosko-
witer und Tataren belagerten 1560 Fellin, das sie erst durch Verrat der Söldner einnehmen konnten. Sie mutzten
jedoch die damals noch nicht zerstörte Feste 1582 den Polen abtreten, denen sie die Schweden 1600 entrissen, aber
1602 wieder verloren. Auch damals war, wie ein Kupferstich aus jener Zeit veranschaulicht, die Burg und Stadt-
mauer noch in gutem Stande.
*1 Vergl. „Burgwart" X. Jahrgang Nr. 1, Oktober 1903, Seite 18.
Veröffentlicht in N. Glückes Alt-Livland, Folge II, Lieferungen 2 und ö. 320 Tafeln ohne Text.
Auf der Stätte der hölzernen Walldurg begann 1224 die Ausmauerung der festen Ritterburg, in der 1234
ein Magister Ricolfus waltete.
Nachdem 1237 der Deutsche Orden, als Erbe des Schwertbrüderordens, ganz Livland in seinen Besitz bekam,
wurde die durch Natur und Kunst so starke Burg Fellin ein Hauptstützpunkt und die vornehmste Livländische
Komturei dieses Ordens. Wir kennen die Namen von 38 Komturen zwischen 1248 und 1560. Im Jahre 1470 war
Fellin kurze Zeit Residenz des Ordensmeisters Johann Wolthutz von Hcrsc. >
Von dem recht hohen Gelände schneidet ein kleiner, tiefliegender Bach eine nach Südwest zugespitzte Land-
zunge ab, auf deren Ende der K o n v e n t s b a u , umgeben von der e r st enVorburg, liegt. Die z rwe i t e
Vorburg ist durch tiefen breiten Graben von
der ersten, ebenso die dritte von der zweiten ge-
trennt, jedoch so, dah die Mauer des Burgbe-
ringes die Enden der Gräben absperrt. Die
Stadt Fellin, nordöstlich von der dritten
V o rburg , ist gleichfalls durch tiefen Graben
von der Burganlage getrennt, doch so, das; auch
hier die Stadt und die Burgmauer an
den Enden des Grabens ineinander übergehen
(siehe den Plan). Über die 1. Vorburg hinweg ist
mit dem Konventsbau die in das kleine Bachtal
hineinragende Danskeranlage verbunden, deren
Autzenmauer noch heute hoch emporragt.
Von der einst so stattlichen Burg Fellin ist
kein einziges Gemach mehr erhalten, lediglich
Fundamente, einzelne höhere Mauerteile aus
Backstein und ein einziger Torbogen zwischen der
1. und 2. Vorburg. Die Fundamente sind aus
Findlingen gemauert, während Kalkstein verhält-
nismäßig wenigVerwendung fand, ausgenommen
bei den ornamentalen Teilen, die unter den
Schuttmassen aufgefundcn wurden. Sie stellen
romanische und frühgotische Skulpturen von nicht
geringer Schönheit dar.
Die erste Ausgrabung*) fand 1878—7S statt,
nachdem der General Friedrich von Ditmar zu
Neu-Fennern die Mittel für diesen Zweck zur
Verfügung gestellt hatte. Leiter der Arbeiten
war der damalige Oberlehrer des Fellinschen
Ritterschaftlichen Landesgynmasiums Dr.Theodor
Schiemann, sonach Professor in Berlin und
Rektor der Universität Dorpat. Die reiche Aus-
beute an schönen ornamentalen Stücken und son-
stigen Funden ist in dem damals begründeten
Ditmar-Museum der Felliner Literarischen Gesell-
schaft vereinigt**). Später haben noch einige
Ausgrabungen unter der Leitung des Architekten
Neinhold Guleke 1889 stattgefunden und zuletzt
1908 in der St. Katharinen Grabkapelle der
Ordensritter, nahe der Nordwestseite der Burg,
unter der Leitung von K. v. Löwis os Menar.
ünter den zahlreichen Fundstücken wären hervor-
zuheben die beiden runden Säulen, bei denen der Übergang zum viereckigen Kapitell durch Weinlaubornament
mit Trauben gebildet wird. Die kleineren Säulen sind meist zu zweien gekuppelt und verziert mit verschiedenem
Blattwerk, Menschen-, Vögel- und vierfützigen Tierfiguren, darunter eine Darstellung der Fabel vom Fuchs und
Storch, alles in Hochrelief, sehr lebendig in der scherzhaften Art des liebenswürdigen romanischen Stils.
Diese hervorragende Burg des Ordens in Alt-Livland war im späteren Mittelalter nicht den Kriegsstürmen
ausgesetzt, denn der mächtige Orden schützte das innere Land vor den heidnischen Nachbarn. Erst der Zusammen-
bruch der geistlichen Herrschaften Livlands ermöglichte es den Feinden, auch vor Fellin zu erscheinen. Die Mosko-
witer und Tataren belagerten 1560 Fellin, das sie erst durch Verrat der Söldner einnehmen konnten. Sie mutzten
jedoch die damals noch nicht zerstörte Feste 1582 den Polen abtreten, denen sie die Schweden 1600 entrissen, aber
1602 wieder verloren. Auch damals war, wie ein Kupferstich aus jener Zeit veranschaulicht, die Burg und Stadt-
mauer noch in gutem Stande.
*1 Vergl. „Burgwart" X. Jahrgang Nr. 1, Oktober 1903, Seite 18.
Veröffentlicht in N. Glückes Alt-Livland, Folge II, Lieferungen 2 und ö. 320 Tafeln ohne Text.