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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 20.1919

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Nr. 5
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Löwis of Menar, Karl von: Fünf Burgen Alt-Livlands, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34329#0052
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46


Fünf Burgen Alt-Livlands.
Von K. v. Löwis of Menar.

(Fortsetzung.)


Die Burg wenden, des Deutschen Ordens Haupthaus in Livland.

urg und Stadt Wenden erhielten ihren Namen von einer Wallburg, die
auf dem sogenannten Nutzberg, neben der Burgruine, stand. Hier hatten sich von den
Usern der Windau vertriebene, auch an der unteren Düna nicht bleibend angesiedelte
^Wenden niedergelassen. Nahe den linken Ufer der Treyder-Aa, etwa 80 Kilometer
nordöstlich von Riga, in livisch-lettischer Umgebung, fanden sie eine Heimstätte, doch
ist von ihnen nur noch der Name erhalten. Nach neuerer Ansicht sollen sie ein Rest
einer germanischen Urbevölkerung Alt-Livlands gewesen sein.
Nachdem durch deutsche Missionäre hier das C h r i st e n t u m Ein-
^ gang gefunden hatte und dieses Gebiet bei der Landteilung von 1207 dem
LivländischenSchwertbrüderorden (1202 bis 1237) zugesallen war, begannen spätestens 1209
die Ordensritter den Bau der steinernen Burg, wohnten jedoch noch 1210 in der benachbarten Holzburg.
An den ersten Jahren hatte die neue Burg mehrere Belagerungen auszuhalten, kam 1237 mit
ganz Alt-Livland an den D e u t s ch e n O r d e n und bald entstand neben der Burg auch die Stadt Wenden,
die eine durch 7 Türme verteidigte Stadt-
mauer erhielt und deren noch erhaltene S t.
Aohanniskirche 1283—87 erbaut ward.
Sie enthält die Grabsteine mehrerer Ordens-
meister von Livland. Die Stadt war auch Glied
der Hanse, hat aber als nicht an der Ostsee, noch
an einem schiffbaren Flu tze belegen, keine größere
Rolle als Handelsstadt gespielt.
Schon zur Zeit der Schwertbrüder war 1234
Wenden einem Magister Remhold unterstellt,
und der Deutsche Orden hat hier 15 Komture
bis 1349 gehabt. Nachmals wurde diese Hauptburg
Alt-Livlands Residenz derOrdensmeister,
die die Burg ausbauten und in Wenden ihre
Münzen schlagen ließen, nachweisbar
erst aus der Zeit des Ordensmeisters Bernd von
derBorch (1472/83) und seinerNachfolger bis1561,
die nach 1525 deutsche Reichsfürsten waren,
weil der Hochmeister in Preußen, ihr bisheriger
Vorgesetzter, damals ein weltlicher Herzog
wurde.
Zum ältesten Teile der Burg, wohl aus der Schwertbrüderzeit stammend, gehört die e i n s ch i s f i g e Burg-
k a p e l l e (siehe den Plan), deren Chor über das Viereck des Konventsbaues vortritt. Ihre drei
Gewölbejoche sind zerstört, doch zwei romanische Konsolen und die Anfänge runder Gurte und
runder Kreuzrippen weisen aus jene frühe Zeit. Der zerstörte Kapitelsaal wird wohl derselben
Bauzeit angehört haben, vielleicht auch der anstoßende Nordturm. Dieser runde Turm zeigt im Keller, Erd-
geschoß und Obergeschoß die Spuren runder Gemächer, im Hauptgeschoß jedoch einen sechseckigenRaum
mit entsprechendem Gewölbe, das zerstört ist.
Das kleine Türmchen, dessen Reste an den Wehrmauern zwischen dem Nord-und dem Westturm zu bemerken
sind, mag auch noch zur ersten Anlage zu rechnen sei.
Außer diesen Teilen gehört die Burg der späteren Zeit des gotischen Stiles an. Am besten
erhalten ist der in seinem unteren Teil viereckige Westturm mit gewölbten viereckigen Räumen im Keller-,
Erd- und Hauptgeschoß. Im oberen Teil ist er rund und zeigt ein rundes, mit neuerem Kuppelgewölbe gedecktes
Gemach.
Das prachtvolle große Sterngewölbe imHauptgeschoß mit 69 Schlußsteinen (siehe
den besonderen Plan) ist ein Meisterwerk gotischer Konstruktion aus der Blütezeit der Ordensherrschaft an der
Ostsee um 1400. Je 5 Rippen steigen aus den mit Weintrauben und Weinlaub verzierten Kalkstein-Eckkonsolen
kühn empor, verzweigen sich bald, um sich alle in einer Höhe von 8,3 m beim 40 am breiten Hauptschlußstein zu
vereinigen. Das Gewölbe soll blau getüncht gewesen sein und auf den Schlußsteinen waren erhabene vergoldete
Sterne, von denen nur einer erhalten ist, angebracht.
Die Nebenschlußsteine sind 10 und 20 am breit. Die Herstellung des Gewölbes war um so schwieriger, als das
Gemach kein Quadrat, sondern ein Rechteck von 7,75 m auf 8,10 m im Grundriß darstellt.
Es gilt als Wohnstube des Ordensmeisters, der von hier die erste Vorburg und das Haupttor,
wie auch den Konventsbof unter Augen hatte, endlich auch die Stätte der ehemaligen Wallburg. Zu ihr
führte eine Brücke auf gemauerten Steinpfeilern, was auf spätere Befestigung des Berges deutet,


Abb. 4ö. BurgWenden, Konventsbau, links der Nordturm, vorne
der Westturm, rechts der „Lange Hermann".
 
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