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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 20.1919

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Nr. 7
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Klengel, Arthur: Die sächsischen Wehrkirchen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34329#0073
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Abb. SS. Kirche Mittelsaida.

Bei der Durchsicht alter
Kirchcnbilder finden wir, daß
namentlich die letztgenannten
Anlagen früher weit verbrei-
tet waren, in ihrer Mehrzahl
aber im Laufe des vorigen
Jahrhunderts beseitigt wur-
den.
Beschrankten sich diese
Verteidigungsanlagen in der
Hauptsache auf eine Wehr-
haftmachung des Kirchturmes
und des Kirchhofes nebst sei-
ner Umgebung, so haben wir
andererseits in unserem säch-
sischen Erzgebirge eine ganz
eigenartige Kirchenbauweise,
die darauf ausging, das Kir-
chengebäude selbst als eine
wehrhafte Anlage auszu-
bildcn. Wir können diese
Bauwerke mit Recht als
Wehr- oder Trutzkirchen be-
zeichnen.
Die heute noch erhalte-
nen, in dieser Bauweise er-
richteten Kirchen stehen nicht
allzuweit voneinander ent-
fernt, aus den Höhen des Erzgebirges, in der Nähe der böhmischen Grenze und zwar in Dörnthal, Mittelsaida,
Lauterbach und Groß-Rückerswulde; die fünfte kleinere Wehrkirche zu Meuersbcrg wurde leider in jüngster Zeit
abgebrochen.
Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß einst noch weitere Wehrkirchen vorhanden waren; doch sind bis jetzt
alle Nachforschungen, die sich in der Hauptsache aus die Durchsicht alter Kirchen- und Ortsbildrr erstreckten, ergebnis-
los verlausen.
Die höchst malerischen sächsischen Wehrkirchen haben ihresgleichen in Deutschland nicht, wohl aber finden
wir sie in Siebenbürgen in größerer Zahl wieder. In diesem Lande, das oft politische und kriegerische Drangsale
zu erdulden hatte, wurde der Wehrkirchenbau
weiter ausgebildet und zur höchsten Vollendung
gebracht. Wir treffen dort Anlagen, denen wir
mit Recht den Namen Kirchenkastelle, Kirchen-
burgen und Kirchensestungen beilegen können.*)
An die Ausdehnung und die Verteidigungs-
fähigkeit der meisten Siebenbürger Kirchen-
burgen reichen zwar die sächsischen Wehr-
kirchen nicht hinan, doch zeigen auch sie recht
beachtliche und zweckmäßige Einrichtungen, die
in einem mindestens 4—5 Jahrhunderte zurück-
liegenden Zeitalter wohl geeignet gewesen sein
mögen, dem feindlichen Bedränger Widerstand
zu leisten oder doch wenigstens die Abwehr des
Feindes zu erleichtern.
Da die Wehrkirchen wohlerhaltene ehrwür-
Die Feststellung, ob zwischen den sächsischen
Wehrkirchen und denen im Siebenbürger Sachsenland
irgendwelcher Zusammenhang besteht, wäre vielleicht
eine dankbare bau- und kulturgeschichtliche For-
schungsausgabe. Die deutschen Siedler, die im
12. Jahrhundert in Siebenbürgen einzogen, kamen
zwar in der Hauptsache vom Rhein und wurden nur
von den Slawen als Sachsen bezeichnet; mancherlei
Überlieferungen zufolge soll aber auch unser Sachsen-
land einen Teil der Siedler gestellt haben. Es wäre
also immerhin nicht ausgeschlossen, daß die eigenartige
Wehrkirchen-Bauweise in ihren Grundgedanken aus
Abb. 6ö. Kirche Lauterbach. Sachsen dorthin verpflanzt worden ist
 
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