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Demokratische Republik.

Erscheint Montags ausgenommen täg-
lich. In Heidelberg vicncliähr. 4U kr.
Durch Vic Poll bezogen in ganz Baben
« 6. io kr. Inserate die Peciizeilc L kr.

»Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!"

Bestellung wird gemacht in Heidelberg
in der Buchdruckerci von Renner u.
Wo Iss, auswärts bei allen Postäm-
tern. Briefe werden franco erbeten.

24».

Donnerstag, 2's. Mai.

184lS

Deutschland.
fi* Heidelberg, 23 Mai. Die Mannschaften des VolkS-
heeres ziehen hier ab und zu. Die Stadt bietet daher fort-
während das Bild eines militärischen Lagers dar. Gestern
zogen unter Trommelschlag den ganzen Tag über einzelne Ab-
theilungen der Volkswehr aus dem Oberamt Heidelberg Lurch
die Straßen, um nach Mannheim und den andern Orten ihrer
Bestimmung abzumarschiren. Ein Thcil derselben soll dort in
die Kasernen des Linienmilitärs gelegt werden, was die Ge-
wöhnung an die erste Lebensbedingung eines Vvlksheeres, die
militärische Disciplin und die Verbrüderung der Wehrmann-
schaften unter einander wesentlich fördern wird. Im Lauf des
gestrigen Tags haben uns zwei Kompagnien des Leibregiments
verlassen, um nach Weinheim abzumarschiren, eine Schwadron
Dragoner des schönen und wackern ersten Regiments ist dage-
gen in's Quartier gezogen. — Leute, welche aus dem Hessi-
schen herüberkommcn, versichern uns, baß der berüchtigte Spion
Nauschenplatt sich bei den an ter Bergstraße postirten hes-
sischen Truppen befindet, Wir wollen hiermit das Polk und
alle die, ric jenes Subjekt kennen, darauf aufmerksam machen,
und um ein wachsames Auge ersuchen, follte derselbe im
Bereich unserer Gewalt sich blicken lassen. — Heute Nacht ist
hier Advokat Nebel verhaftet worden, angeblich weil er sich
am Abend öffentlich aufreizend und verläumderisch gegen die
provisorische Regierung geäußert hat.
Karlsruhe 22. Mai. Der Landesausschuß ent-
wickelt eine rastlose Thätigkeit. Eine Wehrverfassung für die
Organisation und Bewegung des Volkshccrs ist bereits ange-
nommen und befindet sich im Druck. Die sämmtlichen Mili-
tärarbeiter, die zu den Militärwcrkstätten nöthig sind, sind
durch das Kriegsministcrium bis auf Weiteres vom Dienste in
der Bürgerwchr befreit. Der Landesausschuß hat ferner be-
schlossen: Es seien alle alten Offiziere, die sich in Folge ihrer
Flucht nicht bei ihren Regimentern befinden, als entlassen zu
betrachten, diejenigen aber, welche Zurückbleiben und von den
Soldaten nicht wieder gewählt wurden, zur Verfügung des
Kriegsministcriums zu stellen; es seien diejenigen von den
entflohenen Offizieren, welche binnen acht Tagen von heute an
zurückkchrcn, den vorgcschricbenen Eid leisten, und dem Lan-
des ausschuffe ihre Dienste anbieien, vom Kriegsministcrium
oder einstweilen vom Ministerium des Innern ohne Rücksicht
auf ihre seitherigen Dienstgrade bei der Bürgerwehr zu verwen-
den.
Die freie Wahl der Offiziere des Heeres ist bis auf den
Hauptmann und Rittmeister einschließlich beschränkt worden.
Die Ernennung der höheren Offiziere soll auf Vorschlag des
KriegsministeriumS von dem Landesausschuß selbst geschehen. —
Ein fernerer Erlaß des Kriegsministeriums fordert alle die-
jenigen, welche früher in den Reihen der Artillerie gedient ha-
ben und diefen Dienst durch Abschied oder in anderer ehren-
hafter Weise verlassen haben, auf, d. bedrohten Vaterlande auf's
neue ihren Dienst zu widmen. Solche Artilleristen sollen sich in
Gottesau melden.

Karlsruhe, 21. Mai. Der Oberbefehlshaber der
Volköwehr, Ioh. iph. Becker, hat soeben folgende Anrede
an die Mannschaft des Landes veröffentlicht.
Wehrmänner! ltnser Landesausschuß hat mir durch
Dekret vom 13. Mai den Oberbefehl über sämmtliche Volks-
wehr übertragen. Ich werde dieses Zutrauen rechtfertigen durch
die That. Ein Schatz edler Menschenkräfte ist mir anver-
traut; ich fühle die heilige Pflicht, begreife die Verantwort-
lichkeit, welche die Freiheit und das Vaterland mir auferlegte:
ich werde haushalten mit Eurer Kraft, werthschätzen Euer Le-
ben, aber auch kein Opfer scheuen zur Erreichung des hohen
Zieles. Mein Vertrauen zu Euch, Euer Vertrauen zu mir
ist die unerläßliche Bedingung unseres Gelingens und Voll-
bringens. Ich weiß, daß es nicht fehlt und daß cs wachsen
wird mit unserer Bekanntschaft.
Was ich aber vor Allem fordere, das ist: Gehorsam;
ohne völlige Unterordnung kein Kriegshcer, keine Kraft, kein
Sieg! Aber die Strenge, die ich üben will und muß, soll
Hand in Hand gehn mit Gerechtigkeit, soll erheischt sein durch
unseren Zweck, der da gilt der Wohlfahrt Aller. Es wäre
gewissenlos, cs anders zu wollen. Unsere Aufgabe ist klar:
wir sollen schützen und erringen. Die Jüngern werden muihig
hinausziehen in die Schlacht, die Aelteren kräftig schirmen
unseren Hecrd. Wie wir alle nur ganz Deutschland kennen,
so soll auch unser Siegespreis nur die Freiheit sein.
Wir alle kennen das große Fragezeichen, daö mahnend
auf Europas Erde liegt, das mit dem Losungsworte: "Ent-
weder, oder" alle Völker zum heiligen Kampfe ruft. Ob frei
oder kosackisch? das ist die große Frage. Es wäre ein Ver-
rats), sich nicht zu empören, nicht Rache zu schwören gegen den
Verrats) der Kosacken auf den Thronen, im eignen Häufe, im
eignen Lande. Dank unfern hochherzigen Brüdern in der Linie,
die wie ein Mann sich erhoben für die Bewegung, die eS
uns möglich gemacht, zu organischen, zu rüsten, damit wir
waffeubrüdcrlich zu ihrer Seite und in ihren vordersten Linien
kämpfen können.
Sie haben uns nicht verlassen, wir werden
sie nicht verlassen. Wohlan denn, wackere Männer der
Volkswehr, laßt unö unter allen Umständen fest Zusammen-
halten, unterstützt euch kräftig in jeder Art, von Ort zu Ort,
von Bezirk zu Bezirk, haltet euch immer nur an das Norh-
wcnbigc, das Praktische, und unterlasset Alles, was dem Zwecke
nicht förderlich ist; vornehmlich haben wir nicht als Wehr»
männer zu Lemonstrircn, sondern zu erequiren, wir müssen
ganz der Thar angehören, und ohne ihre Vollendung, an Dek-
reten und Proklamationen wenig Geschmack finden. Blicken
wir auf tie Freihcitsarmee deS OstenS, auf die Ungarn, je
weniger dieselben von Freiheit reden, desto mehr kämpfen
sie dafür, darum That und Thar, und immer wieder Thar
sei auch unsere Sache.
Von nun an werde ich, Ihr Wehrmänner, durch Armec-
und Tagsbefehle mit Euch reden. Die Organisation der Volks-
wehr ist meine erste Aufgabe, dieselbe rasch zu vollenden, drin-
gende Nothwendigkeit, aber auch ein großes Stück Arbeit,
darum ich auf die rhätigste Mitwirkung Aller, der Führer, wie
 
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