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emokratische Republik.

Erscheint MoniagS au«ncnoinmen täg-
lich. Zn Heidelberg mcneliahr. Likr.
Durch die Pe'g bezogen in ganz Baden
1 st. 10 kr. Inserate die Pciitzcile s kr.

„Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!"

Bestellung wirb gemacht in Heidelberg
in der Buchdruckerei von Renner u.
Wolff, auswärts bei allen Postäm-
tern. Briefe werden franco erberen.

H."- 2Ä, DomLerstsrg, ZI. MaL.


Beschlüsse des würtembergissüen Volks
am Volkstag zu Reutlingen.
Die provisorische Centralgcwalt Deutschlands ist zum
Verrät her an der Nationalversammlung geworden, indem
sie geschehen ließ, daß Preußen, die Ncichsverfassung nicht
anerkannt hat, also als Neichsfcind und nicht als Diener des
Reichs zu betrachten ist, das Neichsland angegriffen hat, und
duldet, daß Preußen im Reichsgebiet militärische Aufstellungen
macht. Das Neichsministerium steht offen mit den Neichsfein-
dcn im Bunde, und verdient darum um so weniger Gehor-
sam, als dasselbe im Widerspruche mit der Nationalversamm-
lung im Amt ist, von der allein es seine Gewalt ableiten
kann. Demgemäß ist in den Augen des schwäbischen Volkes
seine Gewalt an die Nationalversammlung zurückgefallen, und
das schwäbische Volk anerkennet alle Befehle der Nationalver-
sammlung als gültig und gelobt ihnen nachzugehen, wie viele
oder wie wenige Mitglieder sie zählt. Jndeß verlangen wir
von ter Nationalversammlung:
1. ) Wenn sie irgend gemeint ist, noch zum Heile des
Vaterlands zu wirken, von der unwürdigen Bettelei um
Uebernahme der Rcichsstatthalterschaft bei den Kronen Deutsch-
lands endlich abzustehen, ein Verfahren das nur dazu dient,
den Rcichefeind Preußen erstarken zu lassen, und bitten sie
sofort die Heere der Reichsländer aufzubicten, um den
Neichsfcind Preußen in offenem Kriege aus den Marken der
Neichsländer zu vertreiben, in denen er nur Verrath gegen die
Nationalsouveränitat, brutale Gewalt an der gesetzlichen Frei-
heit übt und das kaum erwachte Vaterland in die alten Fes-
seln des deutschen Bundes zu schmieden sucht.
2. ) Nach der Ncichsverfassung stehen alle deutsche Lande,
die solche anerkannt haben, gesetzlich, bereits in einem Schutz-
und Trutzbündniß. Jeder Angriff auf ein Neichsland muß
also von allen abgewehrt werden, wre wenn das eigene Land
angegriffen wäre, und kein Neichsland darf ein andres angrei-
fen oder zum Angriff desselben helfen.
Das Bündniß geloben wir heilig zu halten und fordern,
getreu der Neichverfassung, auf, den Gehorsam gegen jeden
Befehl zu verfassungswidrigen Angriffen auf ein Neichsland
zu verweigern.
Wir stehen nicht mehr auf dem Boden des Bundes —
daö neue Reich, also alle die Länder, deren Volk die Ncichs-
verfassung anerkannt, sind an seine Stelle getreten. Ihnen
allein steht dcßhalb, namentlich ein Recht auf die Reichsver-
fassung und der Eintritt in dieselben zu. Nur die National-
versammlung kann ferner aussprechen, daß ein Reicheland die
Ncichsverfassung verletzt habe. Sie hat dies gegen Baden nicht
ausgesprochen und auch wir vermögen darin, daß ein Volks-
stamm sich selbst die Landesverfassung gibt, eine Verletzung der
Reichsverfassung nicht zu erkennen, so lange die Neichsgewalt
ihr verfassungsmäßiges Nein gegen die fertige Landesverfas-
sung nicht eingelegt haben wird.
Dagegen fordern wir von unserer Regierung

1) Ungesäumte Anerkennung und thatkrästige Durchfüh-
rung des reichsgesetzlich bereits bestehenden Bündnisses mit
allen Neichsländern, also auch mit Baden und der Nhein-
pfalZ-
2) Unverzügliche Rückberufung der Truppen aus ihrer
Angriffsstellung an der badischen Gränze, und Verweigerung
des Ein- und Durchmarsches von Truvpen, die nicht auf die
Neichsverfassung beeidigt sind, insbesondere Nichteinlaffung von
solchen Truppen in die Festung Ulm.
3) Alsbaldige Bewaffnung des ganzen Volkes, um jeden
Angriff der Neichsfeinde bestehen und jeden deutschen Bruder-
üamm gegen dieselben schützen zu können.
4) Sofortige öffentliche und feierliche Beeidigung des
Heeres, sowie aller weltlichen und geistlichen Beamten.
5) Amnestie für alle politisch Angeschuldigtcn oder Ge-
fangene, Civil oder Militär.
Die am Pfingstmontag 1849 zu Reutlingen zusammen-
getretene aus allen Thcilen des Landes durch Abgeordnete von
Gemeinden Collegien, VolkSvereincn, Bürgerwehr und Solda-
ten beschickte Volksversammlung trat den Beschlüssen, welche
die Generalversammlung der Vereine deS Landes am Pfingst-
sonntag in Reutlingen gefaßt hat, bei, und erklärte ferner:
Der gegenwärtige Zustand des Landes wird täglich un-
erträglicher. Auf dem bisher von Negierung und Ständen
eingeschlagenen Wege ist aber auch keine Verbesserung, keine
Rettung zu hoffen. Bald Jahr und Tag sitzt die Kammer bei-
sammen, Tag für Tag steigt die Noch des Volkes und noch
haben wir nichts von Erleichterung verspürt. Wir verlangen
daher:
Unverzügliche Einberufung einer verfassungsgebenden Lan-
desversammlung. Jeder Bürger, sei er reich oder arm, soll
wählen dürfen. (Kein Census!)
Endlich schleunige Erfüllung der Zusagen, mit denen wir
Jahr und Tag abgespeist worden, und doch hungrig geblieben
sind.
Umfassende Verminderung der Staatsausgaben Lurch Ver-
einfachung des Staatshaushalts.
Aushebung der Apanagen.
Abschaffung der Pensionen.
An der Stelle des Beamtenheeres in der Verwaltung
endlich vom Volke gewählte Bezirks und Kreisausschüsse und
unbedingte Selbstständigkeit der Gemeindeverwaltung.
An der Stelle des stehenden Heeres alsbaldige Volksbe-
waffnung und Volksheer, namentlich Wahl der Offiziere bis
zum Hauptmann durch die Soldaten und Aufhebung ter Mi-
litärgerichtsbarkeit.
Unentgeldliche Aufhebung der Feudallasten, und Ersatz des
Ausfalls in den Staatseinnahmen durch eine verhältnißmäßig
ansteigende Einkommensteuer.
Reutlingen, 29. Mai 1849.
 
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