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Di-


emokratische Republik.

Erscheint Moniags antnenommcn iäK-
lich. In Hridcldcrg viericliäi>r. rskr.
Durch die Pust bezöge» in ganz Baden
« ft. «0 kr. Inserate die Pckiizcilc L kr.

„Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!"

Bestellung wird gemacht in Heidelberg
in der Vuchsrnckerci von Renner n.
Wolff, auswärts bei allen Postäm-
tern. Briese werden sranco erberen.

28.

Sonntag, 27. Mai.

18«S

j Gi« Fürstencoiigreß zn Warschau.
Der Kaiser von Rußland ist in Warschau angekom-
men; der Kaiser von Oesterreich ist von Olmütz nach War-
schau abgercist; der König von Preußen hat seinen Adjutan-
ten, den General von Rauch, nach Warschau abgeschickt. So
melden heute die Zeitungen. Rußland, Oesterreich und Preus-
sen werden also zu Warschau Rath halten. Und Gegenstand
dieser Berathung, so sagt die in der Regel gutuuterrichtcte
„Deutsche Reform" (ein preußisches Regierungsblatt) soll sein:
Die Lage Polens und das Verhalten Preußens bei ge-
wissen aus dem ungarischen Kampfe möglicherweise sich erge-
benden Ereignissen. „Die Lage Polens!", den Sinn dieses
Wortes entziffert ein anderes Gerücht, das wiederholt durch
die Zeitungen laust: Polen soll zum fünftenmal ge-
theilt werden! Die Grenze, die im vorigen Jahre das
preußische Großherzogthum Posen in zwei.Thcile, den pol-
nischen und den angeblich deutschen zerschnitten hat, soll jetzt
zur russisch-deutschen Grenze werden. Rußland soll die Hälfte
deö Großherzogthums Posen besetzen. Für Preußen soll da-
gegen die Gränze Rußlands geöffnet, und so die völlige Ver-
schmelzung dieser beiden Länder vollendet werden. Nicht von
Preußen und von Rußland wird daher in Zukunft mehr die
Rede sein, sondern von dem einen und untheil baren
russisch-preußischen Reich.
Aber auch „das Verhalten Preußens bei gewissen auS dem
ungarischen Kampfe möglicherweise sich ergebenden Ereignissen"
soll zu Warschau Gegenstand fürstlicher Berathung werben.
Diese Ereignisse, was können sie andere sein, als die Siege
der Ungarn und der Aufstand der Polen? Es soll berathen
werden, wie Preußen seine Truppen gegen diesen zweifachen
furchtbaren Feind verwenden soll. Die Verschmelzung Preus-
sens mit Rußlands soll geschehen. Der Kampf Rußlands ge-
gen Ungarn wird also ein Kampf russisch-preußischer Armeen
werden. Was wir so lange sehnlich gewünscht haben, wird
geschehen. Preußische Soldaten werden auf dem Kampfplatz
im Osten erscheinen. Die preußische „Waffenehrc" wird von
den Polen und Ungarn auf die Probe gestellt werden. Daß
sie dort in die Brüche gehen wird, scheint uns so sicher, als
die Blamage von Jena. Die Pickelhaube wird vor der un-
garischen Bärenmütze ausreißen.
Rußland, Oesterreich und Preußen verschwören
sich al'v aufs Neue zu Warschau gegen die Völker Europa's.
Die „heilige Allianz" wird von Neuem geschloffen, die Brü-
derschaft der Monarchen auf's Neue in Völkerblut getrunken
werden. Die Berathungen der deutschen Fürsten zu Berlin
über die Neichsvcrfaffung haben sich zerschlagen an Bayern
und Oesterreich. Die letztern wollten die erbliche Neichsstalt-
haltcrschaft des preußischen Königs nicht über sich anerkennen,
lieber sich wollen sie den Preußen nicht dulden, aber mit
ihm werden sie Hand in Hand gehen in den großen Krieg
gegen die nach Freiheit ringenden Völker Europa's. Was
Reichsvcrfassung! Kanonen und Bajonette, das ist jetzt die
einzig gangbare Münze.
Der Allianz des Despotismus muß das Bündniß der

Völker entgegengestellt werden. Ungarn und Polen können und
dürfen von den Völkern des Westens nicht verlassen werden.
Die vereinigten Armeen Frankreichs und deö westlichen Deutsch-
lands müssen den preußisch - russischen Horden in die Flanken
fallen. Denn ehe nicht das Haus der Hohenzollern und das
der Habsburger vertilgt und Moskau in unseren Hände ist,
wird Europa den Frieden und die Freiheit nicht finden.

Deutschland.
Heidelberg, 26. Mai. Das Gerücht, das wir
gestern aus Darmstadt mitthciltcn, hat sich nicht bestätigt. Bei
Lautenbach hat eine „auserlesene" Abthcilung hessischer Truppen
die versammelten Bauern überfallen und eine bedeutende An-
zahl derselben niedergemacht und gefangen genommen. Der
Oberst der Hessen, so wie ein Negierungskomiffär soll dabei
geblieben sein. In Oberhesscn wirb eine Nlcsendepntatlvn an
den Großhcrzog vorbereitet. In Auerbach findet am 29. Mai
eine Lanbcsvcrsammlung der Hessen statt. Auerbach soll das
hessische Offenburg werden.
IH Heidelberg, 26. Mai. Die Russen rücken nun
mit einem Heere von 176,000 Mann in Ungarn und Deutsch-
land ein, und aus vielen Städten Nord- und Ostdeutschlands
kommen schon Berichte welche uns von den „russ. Bundesge-
nossen" erzählen. Aus Breslau schreibt man vom 20. Mai:
Wir rücken unserm Schicksal immer näher! Heule sollen 800
Kosacken hier eintreffen; die Quartiermacher sind bereits ein-
getroffen. Sie bringen uns natürlich außer ihrem Schutze:
Theuerung, Typhus und — russische Justiz. General Saß,
welcher im Lager bei Jordanow steht, läßt nach russischer Ma-
nier alle ihm widerwärtigen Leute erschießen; natürlich ohne
Prozeß und — ohne Umstände! Außerdem hat er durch eine
Proklamation bekannt gemacht, daß jeder Soldat die Pflicht
habe, einen Jeden nicberzustoßen, der ein ungünstiges Wort
gegen den Kaisir Nikolaus und dessen erhabenen Bundesge-
nossen, den Kaiser Franz Joseph, verlauten läßt; 40 Silber-
rubel aber sind demjenigen versprochen, der gegen Naisonneurs
dcnunzirt. Die Bekleidung der russischen Truppen, welche Wie-
hler zu sehen bekamen, ist im höchsten Grade elend; sie gehen
meistens baarfuß und in Unterhosen; ein abgeschabter Manicl
bedeckt ihre Blöße.
Aus Koset wird geschrieben: Heute noch soll uns das
Glück zu Theil werden, russische Truppen in unser» Mauern
zu beherbergen. Die Soldaten, so erzählen Augenzeugen, sind
im trostlosesten Zustande, und die Offiziere selbst von oben
bis unten voll Schmutz.
Aus Bunzl au an der preußischen Gränze berichtet eine
ostdeutsche Zeitung: „Die Russen sind noch gerade wie sie zur
Zelt Napoleons waren; gleich nach dem Einmarsch in unsrer
Stadt fingen sie an uns die Oehllampen auszuninken, und
mit Schnaps berauscht konnte man Dutzende in den Straßen-
gräben liegen sehen." Das sind deine Befreier, deutsches Volk,
die deine Könige von Preußen, Oesterreich und Balern dir
gerufen haben!
 
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