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Wirth zu haben, oder ist es vielleicht auch die Centralgewalt,
die den Befehl gab, Stuttgart mit Regimentern zu umgeben?
— Uebrigcns wird sich ter Herr Kriegsminister täuschen, wenn
es je— wir sagen absichtlich -/wenn//, denn wir bewegen uns
stets auf dem „gesetzlichen" Boden, — also wenn es in Wür-
tcmberg heißen sollte: „Das Lolk steht auf, um seinen
Willen durchzusctzen, denn dann werben eö auch
die S old aten se i n, die zuin Volke gehören. Un-
sere Brüder im stehenden Heere werben mit uns
kämpfen, zur Durchführung der ReichSvcrfassung."
Die große Deputation von Reutlingen war gestern, den
29. Mai, in eifriger Berathung bei Emil Werner und den
ganzen Tag standen Hunderte von Menschen im Werner'schen
Garten. Auch Soldaten hatten sich in Menge eingeiunben und
trafen sich freundlich unter den Befreundeten. Man sah, die
Scheidewand zwischen Cwil und Militär war hier endlich ge-
fallen. Eine Antwort eines Soldaten wollen wir unfern Lesern
nicht vorenthaltcn. Unter Anderen ging nämlich auch ein Lieu-
tenant durch den Garien. Er wandte sich sogleich zu einer
Gruppe von Soldaten und fragte sic: »was macht Ihr hier?/«
— „Wir wollen das Resultat der Neutlinger Deputation ab-
warten," antwortete ein Soldat, „aber, erlauben Sie, Herr
Lieutenant, was machen Sie hier?" — „Ich suche meinen
Hauptmann," sagte verlegen der Lieutenant. — „Da sind wir
in derselben Lage", meinte darauf der Soldat, „denn auch
wir sehen uns unter unser» Kameraden nach
Hauptleuten um."
* Dreödcn, 24. Mai. Schon vor längerer Zeit hat
Rußland auf den Kopf des bekannten Bakunin den Preis
von 10,000 Silberrubeln gesetzt. Die Stadt Chemnitz, welche
Bakunin gefangen hat, will nun die Schmach auf sich laden,
dieses Blutgeld zu beanspruchen, also wahrscheinlich die von
dem russischen Gesandten beantragte Auslieferung Bakunin's
an Rußland verlangen.
V.6. Berlin, 24. Mai. Der Kampf der preußischen
Regierung gegen das Volk gleicht vollkommen dem Kampf
der Truppen in den Straßen einer Stadt. Wenn sie Schritt
vor Schritt mit Blut erkauft haben, nachdem sic eine Barri-
kade nach der andern genommen, ersteht hinter ihnen der Auf-
ruhr immer von Neuem wieder und sie müssen sich zurückwen-
den , um die Barrikaden noch einmal zu erobern. Eine gleiche
Spsiphusarbeit hat das Ministerium gegen den empörten We-
sten und Süden Deutschlands übernommen. Man wird die
Empörung in einzelnen Orten, in Iserlohn, in Elberfeld, in
Hagen, in Düsseldorf augenblicklich erdrücken können, aber man
wird niemals die Bewegung selbst versiegen machen. Schon
jetzt bricht es in der preußischen Pfalz von Neuem los, es
erhebt sich die Moselgegend, in der es keine Stadt, kein Dorf
gibt, welche nicht schon einmal im verflossenen Jahre das
Regiment des Säbels erfahren hätte. Es gilt dort nicht al-
lein einen Kämpf für die Rechte und Freiheiten des Bvlkes,
es gilt sich zu rächen gegen die unzähligen Gewaltthaten der
Diener unseres würdigen Ministeriums. Es ist natürlich, daß
man einer ausreichende Truppenmacht bedarf, um hier „Ord-
nung und Ruhe wieder herzustcllen. Es ist eben so natür-
lich, daß die Insurgenten aus der nahen Pfalz reiche Hülfe
empfangen werden, daß Westphalen, der nördliche Theil der
Nheinprovinz, Sachsen, Schlesien nur auf das Signal war-
ten, durch einen erneuerten kräftigen Aufstand eine Ruhe auf-
zuhebcn, welche nur durch die Brutalität preußischer Bajonette
augenblicklich hergcstcllt ist.
* Berlin, 25. Mai. Der preußische Militärdespotis-
mus fühlt sich in seinen eignen Reihen nicht mehr sicher. Der
Preußische Kosackenhäuptling in Berlin hat ein Gesetz erlassen,
das die Soldaten vor den Verführungen der Demokratie sicher
stellen soll. „Wer Personen des Soldatenstandes, so lautet
dasselbe, es sei der Linie ober ter Landwehr, dazu auffordert
oder aufreizt, den Befehlen ihrer Obern nicht Gehorsam zu
leisten, wer insbesondere Personen, welche zum Beurlaubten-
stande gehören, dazu ausfordert oder aufreizt, der Einberu-

fungs-Ordre nicht zu folgen, wird mit Gefängniß von sechs
Wochen bis zu einem Jahre bestraft. Diese Bestimmung fin-
det Anwendung, die Aufforderung oder Aufreizung mag durch
Wort oder Schrift oder durch irgend ein anderes Mittel ge-
schehen, sie mag von Erfolg gewesen scpn oder nicht." —
„Durch irgend ein anderes Nüttel", das ist ein so weiter Sack,
daß man Alles hinein thun kann. Wenn Einer einem Sol-
daten eine Prise Tabak anbictet, so kann das sehr gut eine
Verleitung zum Abfall sein, und eine Prise Taback kann da-
her in Zukunft in Preußen einen Menschen in's Zuchthaus
bringen.
* München, 29. Mai. Gestein war Kirchweihe in
dem 2 Stunden von hier entfernten Orte Großhessellohe, wo-
bei mehrere tausend Menschen sich versammelten. Als sich Pr.
Luitpold, des Königs Bruder, auch daselbst cinfand, wurde er
ausgepfiffcn, ausgezischt und mit Pcreal und zahllosen Flin-
ten- und Pistolen-Schüssen bewillkommt, lo daß er sich als-
bald erschreckt wieder entfernte. In dem hiesigen Lager san-
den am Sonnabend und Sonntag heftige Ercesse der Solda-
ten statt, die sich gewisse Beschränkungen nicht gefallen lassen
wollten; und am Sonntage so wie in der vcrwichenen Nacht
fanden blutige Auftritte zwischen Soldaten im Prater und
Paradieegarten statt, die in politischer Meinungsverschieden-
heit ihr entstehen hatten, und mehrere starke Verwundungen
herbeiführlen. Zugleich wurde in den Wirthfchaften Alles zer-
trümmert.
Heute gingen 2 Infanterie-Bataillone und 2 Batterien
Artillerie ins Lager bei Donauwörth ab; die Mehrheit dieser
Truppenabthcilung, vor Allem aber die Artillerie und taS
Leibrcgiment, sind für die Sache Les Volkes; der s. g. „gute
Geist" wird durch diese im Lager nicht hergcstcllt.
Ein Beispiel der Gcwattthätigkcit und des Terrorismus
der Negierung liefert die OuieScirung dcS Landgerichlsarztes
Dr. Ott zu Mindelheim, welche deshalb erfolgte, weil er
Deutschkatholik und Mitglied des Volksvereins in Mindelheim
war.
Arankreick.
* Paris, 24. Mai Die Verschwörung der europäi-
schen Fürsten ist fertig. Der letzte Fürst, Louis Napoleon, ist
förmlich in den Bund ausgenommen. Der Kaiser von Ruß-
land hat durch seinen Gesandten, Herrn v. Kisseleff die
französische Republik, d. h. die monarchische Regierung Louis
Napoleons, anerkannt. Dieser Gesandte des Czarcn hat mit
den Ministern eine Unterredung gehabt, in welcher er im Na-
men seines Kaisers erklärte, Laß dieser entschlossen sei, mit
Frankreich im Frieden zu bleiben. Herr Louis Napoleon und
der Czar haben aber ihre Rechnung ohne den Wirth abge-
schlossen. Dieser Wirth ist Las sranzösiche Volk und die fran-
zösische Armee, die der Verschwörung der Fürsten von ganz
Europa den rochen Strich durch die Rechnung machen werben
über Nacht.
*Kolmar, 28. Mai. Gestern fand hier, berichtet „Der
Rhein", ein Organ der Elsässer Sozialdemkoraten, eine Volks-
versammlung statt, welcher die Bewegung des westl. Deutsch-
lands und die Zusammenziehung von österreichischen und preu-
ßischen Truppen in Frankfurt als Gegenstand der Berathung
vorlag. Der Bürger K. Mäher hat die Lage vorgcstellt, welche
aus diesen Ereignissen für Frankreich hervorgeht, und der von
ihm an den Patriotismus der Zuhörer gemachte Aufruf wurde
mit einstimmigem Beifall angenommen. Eine Petition an die
gesetzgebende Versammlung wurde verlesen und beschlossen, in
der folgende Punkte verlangt werden:
1) Daß die legislative Versammlung das Vaterland in
Gefahr erkläre;
2) daß die franz. Republik die vom Volke erwählten
Negierungen von Speyer unv Karlsruhe anerkenne;
3) Das sie die Integrität (Unverletzbarkeit) Lieser zwei
Staaten proklamire;
4) daß die Versammlung die sofortige Absendung einer
 
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